Schwedens Epidemiologe Tegnell: Lockdowns sind keine langfristige Lösung

Schweden strebt keine Herdenimmunität an, stellt der den Staat beratende Epidemiologe Tegnell klar. "Man muss zwei Dinge auseinanderhalten: unsere Gesamtstrategie und Schwedens Schwachstelle, die Pflegeeinrichtungen", zukünftig sollen stärker gefährdete Gruppen besser geschützt werden.
COVID-19 aus Sicht eines Mediziners aus Schweden.
Weder Mundschutz noch Mindestabstand sind in Schweden Pflicht.Foto: iStock / ts/Epoch Times
Epoch Times27. Oktober 2020

Schweden verfolgt nach Angaben des Staatsepidemiologen Anders Tegnell keinen „Laissez-faire-Ansatz“ in der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie. „Wir haben auf freiwillige Maßnahmen gesetzt, das stimmt. Aber die Schweden haben ihr Verhalten stärker verändert als fast alle anderen Europäer“, sagte der Leiter der schwedischen Behörde für öffentliche Gesundheit „Zeit-Online“.

Tegnell: Herdenimmunität wird nicht angestrebt

Schweden strebe auch keine Herdenimmunität an: „Herdenimmunität anzustreben, ist weder ethisch noch sonst wie vertretbar. Selbst wenn jüngere Menschen weniger schwere Verläufe haben und seltener sterben – es kann dennoch vorkommen. Das zu akzeptieren, ist aus einer Perspektive der öffentlichen Gesundheit nicht gut.“

Außerdem gebe es in der Geschichte keine Infektionskrankheit, bei der eine Herdenimmunität ohne Impfung die Übertragung vollends aufgehalten habe. Das werde auch bei Covid-19 nicht passieren.

Hätte man eine Herdenimmunität angestrebt, „hätten wir uns als Gesundheitsbehörde völlig anders verhalten“, so Tegnell. Dann hätte man den Menschen empfohlen, rauszugehen, so viele Leute wie möglich zu treffen und Corona-Partys zu feiern. Stattdessen arbeite man „hart daran, das Virus einzudämmen“, und wolle in Schweden „das Infektionsniveau in der gesamten Bevölkerung so niedrig wie möglich halten“.

Gesamtstrategie und Schwachstellen auseinanderhalten

Dass in Schweden anteilig viel mehr Menschen starben als in den skandinavischen Nachbarländern oder Deutschland, führt Tegnell vor allem auf Ausbrüche in Pflegeeinrichtungen im Frühjahr zurück. Er sei zuversichtlich, dass es in diesem Herbst besser gelingen werde, alte und vulnerable Gruppen zu schützen. „Man muss zwei Dinge auseinanderhalten: unsere Gesamtstrategie und Schwedens Schwachstelle, die Pflegeeinrichtungen“, so der Staatsepidemiologe.

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gab es in Schweden im Frühjahr keinen Lockdown, also kein weitgehendes Herunterfahren des öffentlichen Lebens. Diese Entscheidung verteidigte Tegnell:

Ein Lockdown hat gravierende Konsequenzen.“

Berichte aus verschiedenen Ländern zeigten, dass Kinder Angstprobleme entwickelten, dass es mehr häusliche Gewalt und mehr Arbeitslosigkeit gebe. „Das muss Teil der Diskussion sein, wenn wir über den Nutzen solcher Maßnahmen sprechen“, sagte Tegnell „Zeit-Online“.

Hinzu komme, dass Lockdowns keine langfristige Lösung in der Pandemiebekämpfung seien. Solche langfristigen Lösungen seien aber für die Akzeptanz der Maßnahmen wichtig, so Tegnell.

Keine Maskenpflicht, keine Ausgangssperren

In Schweden gelten seit März fast durchgehend dieselben Regeln, etwa ein Verbot von Veranstaltungen mit mehr als 50 Teilnehmern. Außerdem sind Schulen nur für jüngere Schüler geöffnet. In Schweden gibt es seit Beginn der Pandemie keine Maskenpflicht, auch nächtliche Ausgangssperren, wie es sie in anderen europäischen Ländern gibt, diskutiert das Land nicht.

Seit Ende September steigen auch in Schweden die Neuinfektionen. Besonders hoch sind die Infektionszahlen in der Universitätsstadt Uppsala. Die Behörden raten den Bewohnerinnen dort, öffentliche Verkehrsmittel und Kontakte zu Menschen außerhalb des eigenen Haushalts zu meiden. Rund 5.900 Menschen sind in dem Zehn-Millionen-Einwohner-Land bisher an oder mit Covid-19 gestorben. (dts)



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