Universität Hamburg: Mit Freiheits-Kodex gegen „Cancel Culture“

Mehrere Vorfälle in den letzten Jahren an der Hamburger Universität machten es nötig, die Freiheit der Wissenschaft in einem Kodex speziell zu betonen. Es ging unter anderem um die „Störung missliebiger Vorlesungen oder Seminare, Verweigerung wissenschaftlicher Auseinandersetzung“ – und das alles „aufgrund von politischen oder religiösen Einstellungen“.
Titelbild
Haupteingang der Universität von Hamburg.Foto: Istockphoto/jvdc
Von 1. März 2022

Ein Trupp schwarz gekleideter Männer stürmte 2019 Parolen schreiend den Hörsaal mit Fahnen an der Universität Hamburg in den Händen, mit Schwarz – Rot – Weiß… Die Studenten flüchteten über den Hintereingang – der Professor brachte sich über einen Seiteneingang in Sicherheit.

Dies war der zweite Vorfall dieser Art innerhalb weniger Tage im Oktober 2019, den der Ex-AfD-Politiker und Mitbegründer Bernd Lucke erleben musste. Der Professor sagte später dazu, es sei den Störern um die politische Meinungsherrschaft gegangen.

Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen verfolgte die damaligen Ereignisse an der Hamburger Universität mit großer Sorge. „Wir erwarten von der Hochschulleitung, dass sie sich schützend vor einen Hochschullehrer ihrer Universität stellt, dessen Freiheit der Lehre gestern massiv verletzt worden ist“, sagte er gegenüber der „Welt“.

Im Nachgang kritisierte CDU-Bildungsministerin Anja Karliczek die Vorfälle: „Es geht nicht, dass sich Studentengruppen oder Aktivisten als Meinungszensoren aufspielen“, sagte die Ministerin gegenüber dem „Spiegel“. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte sich in einer Rede: „Andere zum Schweigen bringen zu wollen, nur weil sie das eigene Weltbild irritieren, ist nicht akzeptabel.“

„Kodex Wissenschaftsfreiheit“ gegen „Cancel Culture“

Noch vor Amtsantritt der neue Präsident der Universität Hamburg, Hauke Heekeren am 1. März 2022  hat sein Vorgänger Dieter Lenzen den „Kodex Wissenschaftsfreiheit“ mit elf Kernthesen installiert. Diesen erarbeitete er im Auftrag des Akademischen Senats und des Präsidiums der Universität Hamburg eine 14-köpfige Kommission.

Nach Ansicht der „Tagespost“ will die deutsche Spitzenuniversität damit gegen die Einschränkung von Forschung und Lehre vorgehen – als Reaktion auf die sogenannte „Cancel Culture“ (Löschkultur), die sich an deutschen Universitäten ausbreitet.

In der Präambel des Kodex heißt es, dass sich die Wissenschaft nicht selten mit wissenschaftlicher Kritik konfrontiert sehe, was in einer demokratischen Gesellschaft legitim sei. Missliebige Störungen von „Vorlesungen oder Seminare, Verweigerung wissenschaftlicher Auseinandersetzung aufgrund von politischen oder religiösen Einstellungen“ würden jedoch angelehnt.

Es würde politisch motivierter Druck auf Wissenschaftler ausgeübt sowie wissenschaftliche Themen delegitimiert. Es fehle an Bereitschaft, „sich mit Vorstellungen und Inhalten, die als unbequem oder bedrohlich empfunden werden, auseinanderzusetzen.“

Über den „Freiraum der Wissenschaft“ heißt es dazu in dem Kodex: „Der Versuch, missliebige Positionen in der Forschung wie in der Lehre durch Machtausübung, Störung, Verhinderung oder Skandalisierung von Veranstaltungen aus dem wissenschaftlichen Diskurs zu drängen, verfehlt die Eigenlogik des wissenschaftlichen Diskurses.“

Der „Tagespost“ nach habe Universitätspräsident Lenzen zu dem Fall Lucke erklärt, dass dabei „die Sphäre des wissenschaftlichen Diskurses verlassen“ worden sei. Stattdessen sei „eine andere Form von Interaktion“ gewählt worden, die teilweise gewalttätige Spuren gehabt habe. Viel Schlimmeres könne man sich nicht mehr vorstellen. Wenn Gewalt angewendet werde, sei die Wissenschaft am Ende.

Erneut „Cancel Culture“-Fall an Hamburg-Uni

Neben dem Fall Lucke verursachte die Uni Hamburg noch in einem weiteren Fall großes Aufsehen. Im Februar 2021 veröffentlichte der an der Universität tätige renommierte Physikprofessor und Nanowissenschaftler Roland Wiesendanger auf „Researchgate“ eine „Studie zum Ursprung der Coronavirus-Pandemie“ und verwies dabei auf einen möglichen Laborunfall im chinesischen Wuhan – mit hoher Wahrscheinlichkeit.

Wie die Uni in einer Pressemitteilung schrieb, verwies Wiesendanger darauf, dass die Veröffentlichung „nicht im Sinne einer wissenschaftlichen Publikation“ zu sehen sei, sondern der breiten Öffentlichkeit in Deutschland als Information dienen sollte. Man hatte damit eine „breit angelegte Diskussion als Ziel“.

Laut der Mitteilung komme Wiesendanger „zu dem Ergebnis, dass sowohl die Zahl als auch die Qualität der Indizien für einen Laborunfall am virologischen Institut der Stadt Wuhan als Ursache der gegenwärtigen Pandemie sprechen“. Verwiesen wurde unter anderem darauf, dass bis zum Zeitpunkt der Studie kein Zwischenwirt für die Übertragung des Virus von den rund 2.000 Kilometer entfernt von Wuhan lebenden Fledermäusen auf den Menschen gefunden worden sei.

Auch sei bekannt und vielfach wissenschaftlich publiziert, dass am Wuhan-Virusinstitut jahrelang gentechnische Manipulationen an Coronaviren vorgenommen worden seien, um diese „für Menschen ansteckender, gefährlicher und tödlicher zu machen“. Auch über zuvor bereits bekannte Sicherheitsmängel in dem chinesischen Institut wird berichtet.

Entgegen Aussagen des kommunistischen Regimes in China, dass es die Welt rechtzeitig vor der Gefahr gewarnt hätte, verweist Wiesendanger auf andere Daten. Demnach habe man in China bereits im Oktober 2019 einen Ausbruch von SARS-CoV-2 in Wuhan und Umgebung erlebt, was wohl auch zu Regierungsuntersuchungen im Wuhan-Institut geführt hatte.

Seine Studie wurde am ersten Tag bereits nach Wiesendangers Angaben in sechsstelliger Größe abgerufen, schreibt „t-online“, andererseits erfuhr der Professor auch großen Gegenwind – unter anderem von Medienvertretern.

Der Uni-Präsident Lenzen stellte sich auf Wiesendangers Seite: „Selbstverständlich hat ein Physiker, ein renommierter sowieso, das Recht, sich zu Fragen außerhalb seiner Wissenschaft zu äußern und mit einer üblichen Methode – und das ist hier die Literaturstudie – zu einem Schluss zu kommen. Das ist nicht nur sein Recht, sondern auch seine Pflicht.“

In einer Videobotschaft erklärte Lenzen, dass Wiesendangers Hypothese zu diskutieren sei: „Es ist besser, eine unsichere Hypothese zur Diskussion zu bringen, als eine am Ende richtige verschwiegen zu haben.“



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