Kindesmissbrauch im Piusheim bei München – es melden sich weitere Betroffene

Das ehemalige katholische Kinderheim bei Bayern war vor wenigen Monaten in die Schlagzeilen und ins Visier der Münchner Staatsanwaltschaft geraten. Nun kommen weitere Fälle ans Licht.
Titelbild
Symbolfoto für Kindesmissbrauch in Heimen und Kirchen.Foto: iStock
Epoch Times29. Juni 2021

Vor gut einem Jahr sind aus dem berüchtigten Piusheim nahe München Missbrauchsfälle an die Öffentlichkeit gelangt. Mehrere Minderjährige wurden jahrelang sexuell missbraucht. Bis Januar konnten aber nach Angaben einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft in München „weder konkrete Taten noch konkrete Beschuldigte ermittelt werden“.

Aufschluss gibt die Aussage eines Mannes, der selbst wegen schwerem Missbrauch an Kindern angeklagt war.

Winfried Sch. hatte sich vor Gericht zu verantworten, weil er zwei Stiefenkel und deren Freunde über Jahre sexuell missbraucht hatte. Das Landgericht München verurteilte den Mann im Januar zu zehneinhalb Jahren Haft.

Der damals 56-Jährige habe, so schreibt „Katholisch.de“, bei einer Anhörung vor Gericht von seinen traumatischen Erlebnissen berichtet. In den fünf Jahren, die er als Kind und Jugendlicher im Piusheim verbracht hatte, sei er von anderen Jungen oder von Erziehern missbraucht worden. Er sagte auch aus, dass andere Jungen aus dem Heim zur Prostitution gezwungen worden waren.

Im Artikel nahm auch das Münchner Erzbistum zu den Vorwürfen Stellung. Dabei ließ die Erzdiözese mitteilen, dass sie alle Unterlagen, soweit vorhanden, der Staatsanwaltschaft zur Verfügung stellen und „vollumfassend kooperieren“ wolle.

Bereits im April 2020 nahm die Staatsanwaltschaft Vorermittlungen gegen einen ehemaligen Erzieher und einen angehenden Priester auf. Die Schilderungen des 56-jährigen Angeklagten hatten den Ausschlag dafür gegeben.

Darauf hin meldeten sich immer mehr ehemalige Bewohner des Piusheims bei den Opfer-Initiativen „Eckiger Tisch“ und der Anlaufstelle für Heimkinder. Dem Erzbistum München waren neun Verdachtsfälle bekannt. Bis heute haben sich etwa 30 Personen gemeldet.

Das Signal von Kardinal Marx

Als vor einem Jahr die Vorermittlungen begannen, äußerte sich der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes Rörig, dahingehend, dass er sehr erleichtert wäre, wenn Kardinal Reinhard Marx ein starkes Signal pro Aufarbeitung aussenden würde.

Das gewünschte Signal kam ein Jahr später, als Kardinal Marx im Frühsommer den Papst schriftlich darum bat, seinen Verzicht auf das Amt des Erzbischofs anzunehmen. Kardinal Marx begründete sein Anliegen damit, dass er persönlich Verantwortung übernehme, für das jahrzehntelange Fehlverhalten der Kirche im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen durch Amtsträger der Kirche.

Der Sprecher der Opfer-Initiative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, sagte, dass er den Kardinal als einen Geistlichen erlebt habe, „der bereit war zuzuhören“. Er kritisierte den Entscheid des Papstes, das Rücktrittsgesuch des Kardinals abgelehnt zu haben. Damit hätte er die Wucht weggenommen, die im Rücktrittsangebot und dem Aufruf zur Verantwortung und Erneuerung von Marx vorhanden war.

Der „Eckige Tisch“ – Eine Anlaufstelle für Betroffene

Der im Jahr 2010 gegründete gemeinnützige Verein ist eine Anlaufstelle für Betroffene von sexueller Gewalt im Kontext mit der Katholischen Kirche. Hilfesuchenden bietet er eine unabhängige Beratung und Unterstützung an und engagiert sich in der Lobby- und Medienarbeit.

Auf der Website des Vereins wird die mangelnde Bereitschaft der Kirche kritisiert, sich dem Thema des Missbrauchs anzunehmen und den Opfern mit angemessenen Entschädigungszahlungen zu helfen. Opfer erhalten von der Kirche eine „Anerkennungszahlung“ von etwa 3.000 Euro, die per Antragsverfahren eingefordert werden müssen.

Rückblick ins 19. Jahrhundert

Das idyllisch gelegene Piusheim wurde von dem 1852 gegründeten „Verein für Erziehung verwahrloster Jugend“ erworben. Ziel der Einrichtung war es verwahrloste Kinder und Jugendliche nach christlichen Werten zu erziehen und landwirtschaftlich als auch handwerklich auszubilden.

Viele der im 19. Jahrhundert neu gegründeten Kinder- und Jugendheime waren ähnlich aufgebaut wie das Piusheim im Landkreis Ebersberg. Die Kinder sollten fern von ihren Herkunftsfamilien mit strengen Regeln zur Ordnung und einem von Arbeit geprägten Leben erzogen werden.

Waren Heimkinder üblicherweise Halb- oder Vollwaisen, kamen später zunehmend Kinder aus verarmten Familien hinzu. Die Industrialisierung der Arbeit bewirkte eine Landflucht; viele versuchten in der Stadt eine Anstellung zu finden.

Das Überangebot an Arbeitssuchenden erodierte die Löhne. Männer konnten ihre Familien nicht mehr ernähren. Gleichzeitig wurden wegen des geringeren Gehalts oft Frauen und (Waisen-)Kinder in den Fabrikbetrieben eingestellt. Damals war eine Arbeitszeit von 10 Stunden für 9 bis 16-Jährige gesetzlich erlaubt.

Kinder nicht verheirateter Eltern, geschiedener Eltern, von „ledigen Müttern“ oder die irgendwie auffällig geworden waren, wurden von den Behörden in die Heime überwiesen.

Diese Kinder waren vom Ansehen her auf der untersten Stufe der Gesellschaft. Der Erziehungsstil der Nonnen in den Heimen war von einem bestimmten Verständnis von christlicher Erziehung und von diesen gesellschaftlichen Normvorstellungen geprägt.

Hinzu kam, dass über viele Jahrzehnte hinweg die Erziehungsanstalten große persönliche und rechtliche Handlungs- und Ermessensspielräume hatten.

Das Heimpersonal war bis in die 1970er Jahre wenig sozialpädagogisch gebildet. Aufgrund solch schlechter Strukturen waren die Kinder sehr oft einer lieblosen Behandlung ausgesetzt. Gewalterfahrungen waren da eher die Regel als die Ausnahme im Heimalltag. (nw)



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