Orientierungsdebatte: Darum geht es bei der Impfpflicht

Seit Wochen wird kontrovers über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht diskutiert. Die Ansätze dafür konkretisieren sich. Gegner und Befürworter werben für ihren Weg.
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Impfzentrum. Symbolbild.Foto: iStock
Epoch Times26. Januar 2022

Der Bundestag debattiert heute erstmals ausführlich über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht in Deutschland.

Ihre Befürworter sehen darin eine nötige Maßnahme, um die Impfquote deutlich zu erhöhen. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hatte bei „Anne Will“ auf die Frage, warum er eine Impfpflicht für notwendig hält, erklärt:

„Es geht darum, auch mal den Geimpften und denen, die alles machen, zu zeigen: Wir lassen das nicht weiter zu, dass Menschen ihre individuelle Freiheit über die Freiheit der gesamten Gesellschaft stellen. Jetzt kümmern wir uns um die Ungeimpften“, sagte er laut „Welt“.

Die Gegner dagegen bezweifeln die Notwendigkeit einer solchen Pflicht und verweisen darauf, dass führende Politiker aller Parteien bis kurzem unisono erklärt haben, es werde keine Impfpflicht geben.

Die Beratungen beginnen um 15.00 Uhr und sind auf drei Stunden angesetzt. Es handelt sich um eine sogenannte Orientierungsdebatte. Dieser liegt noch kein konkreter Gesetzentwurf zugrunde. Wie aus einer Rednerliste der SPD-Fraktion hervorgeht, wird Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in der Debatte als SPD-Abgeordneter das Wort ergreifen – Kanzler Olaf Scholz dagegen nicht.

Abstimmung ohne Fraktionsdisziplin

SPD, Grüne und FDP haben vereinbart, dass die Abgeordneten in freier Abstimmung ohne übliche Fraktionsvorgaben beraten und entscheiden sollen. Scholz begründet die offene Debatte auch damit, dass dies einen „befriedenden Konsens“ ermöglichen soll.

Offenkundig gibt es in der Ampel-Koalition aber auch keine gemeinsame Linie dazu. Die oppositionelle Union spießt das als mangelnde Führung auf und verlangt einen Gesetzentwurf der Regierung. Scholz und Lauterbach haben sich als Abgeordnete klar für eine Impfpflicht ab 18 ausgesprochen.

Allgemeine Impfpflicht ab 18

Im Wesentlichen gibt es bisher drei Ansätze für eine allgemeine Impfpflicht:

Ihren Gesetzentwurf will die Gruppe, zu der SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese, der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen und Katrin Helling-Plahr von der FDP gehören, erst nach der Orientierungsdebatte am Mittwoch vorlegen.

Die Impfpflicht soll nach den Vorstellungen der Initiatoren befristet werden, im Gespräch ist ein Zeitraum von ein bis zwei Jahren. Sie soll für drei Dosen gelten, und bußgeldbewehrt sein. Dahmen schwebt eine Höhe „im mittleren dreistelligen Bereich“ vor.

Bevor diese Summe fällig wird, soll den Ungeimpften Dahmen zufolge allerdings eine Frist von etwa sechs Wochen eingeräumt werden, um die Impfung nachzuholen – im Zweifelsfall könnten mehrfach Bußgelder verhängt werden.

Von einem Impfregister halten die Initiatoren des Antrags zumindest zum jetzigen Zeitpunkt wenig. Der Aufbau wäre wohl recht aufwendig, zudem gibt es datenschutzrechtliche Bedenken.

Impfpflicht ab 50

Eine Gruppe um den FDP-Parlamentarier Andrew Ullmann schlägt eine Impfpflicht für Menschen ab 50 vor. Wer jünger ist und nicht vorerkrankt, belaste die Krankenhäuser nur wenig, argumentiert der Arzt Ullmann. Er schlägt ein Stufenmodell vor: Zunächst sollen alle ab 18 ein verpflichtendes Beratungsangebot in Anspruch nehmen müssen, dafür wird ihnen ein Terminangebot übermittelt. Danach sollen sich die Betroffenen impfen lassen.

Sollte sich innerhalb einer vorgegebenen Zeit nach der Einführung der verpflichtenden Aufklärung die erforderliche Impfquote nicht einstellen, muss im zweiten Schritt eine Impfnachweispflicht ab 50 Jahren folgen, heißt es im Konzept der Ullmann-Gruppe weiter. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat Sympathien für eine Impfpflicht ab 50, wie es sie in Italien bereits gibt.

Nein zu einer Impfpflicht

Eine Gruppe um FDP-Vize Wolfgang Kubicki will eine Impfpflicht generell verhindern. „Eine Impfung, die nicht zu einer sterilen Immunität führt, ist aus meiner Sicht verfassungsrechtlich nicht begründbar“, sagte Kubicki der „Rheinischen Post“ (Mittwoch). „Das unterscheidet die Impfung gegen SARS-CoV-2 von der Impfung gegen Masern oder Pocken“, sagte der Bundestagsvizepräsident.

„Ich halte die Impfpflicht auch praktisch für nicht umsetzbar. Eine Impfpflicht widerspricht auch meinem Menschenbild“, fuhr Kubicki fort.

„Ich werbe für unseren fraktionsübergreifenden Antrag“, sagte der Jurist. „Bei der alters gebundenen Impfpflicht gelten die Argumente gegen eine Impfpflicht ab 18 fort. Einen Kompromiss in grundrechtsrelevanten Fragen zu erwägen, halte ich für problematisch“, sagte Kubicki mit Blick auf den Abstimmungsantrag, der eine Impfpflicht ab 50 Jahren vorsieht.

Kubicki wies auch die Idee zurück, die Impfpflicht zu befristen oder von Indikatoren wie der Impfquote abhängig zu machen. „Aus meiner Sicht ist die Tatsache, dass auch Geimpfte und Geboosterte andere infizieren können, ausschlaggebend. Weitere Bedingungen erübrigen sich auf dieser Grundlage“, sagte er.

Eine weitere Position in Planung

Derweil will die Unionsfraktion im Bundestag einen eigenen Antrag zur Corona-Impfpflicht einbringen. Dies kündigte der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Tino Sorge (CDU), am Mittwoch in der Sendung „Frühstart“ von RTL und n-tv an.

Die Union werde sich keinem der drei in Vorbereitung befindlichen Gruppenanträge anschließen, so Sorge. Diese würden die Diskussion „zersplittern“. „Wir werden als Union nach der Orientierungsdebatte einen eigenen Antrag vorlegen.“

Bartsch warnt vor Vernachlässigung anderer Themen

Unterdessen hat der Linken-Ko-Fraktionschef Dietmar Bartsch vor einer Vernachlässigung anderer Themen durch die Debatte um die Einführung einer Corona-Impfpflicht gewarnt. Es sei ein „Irrglauben“ anzunehmen, dass durch diesen Schritt alle Probleme gelöst wären, sagte er am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. Es gebe „riesige Defizite“ im Gesundheitswesen.

Bartsch verwies auf die Bettenbelegung in Krankenhäusern und die Bezahlung von Pflegekräften. „Wir dürfen via Impfpflicht nicht von anderen Problemen ablenken.“ Bei ihm selbst überwiege mit Blick auf den Nutzen einer Impfpflicht „im Moment“ die Skepsis, fügte er an.

Er werde sich wie alle Abgeordneten im März entscheiden. Eine zentrale Frage sei auch, ob eine Impfpflicht einen Beitrag dazu leisten könne, die „tiefe Spaltung“ der Gesellschaft in dieser Frage zu überwinden. (dpa/dts/afp/red)



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