„Sind wir alle ‚rechts‘?“: Journalistin erlebt Überraschung bei Nutzung des Wahl-O-Maten

Der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) soll den Bürgern eigentlich bei ihrer Wahlentscheidung behilflich sein, indem er die Ansichten des Wählers mit den Wahlprogrammen der Parteien vergleicht. Was aber, wenn der Vergleich nicht mit dem Wahlprogramm, sondern mit einem gefilterten Fragenkatalog einer sogenannten Wahl-O-Maten-Redaktion vorgenommen wird?
Von 1. September 2021

In einem Kommentar der Zeitung „Die Welt“ beschreibt die Reporterin Susanne Gaschke, wie es ihr und vielen ihrer Freunde erging, als die den Wahl-O-Mat auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung benutzte. Eigentlich soll dieser unschlüssigen Menschen bei ihrer Wahlentscheidung helfen. Doch die Überraschung war groß, als sie sahen, was der Wahl-O-Mat der Bundesbehörde unter Federführung des Bundesinnenministeriums so an Ergebnissen ausspuckte.

Ein Freund aus einem Bundesministerium habe sie angerufen, Sozialdemokrat. Aufgebracht sei er gewesen. Nachdem er die Fragen des Berliner Wahl-O-Maten beantwortet habe, sei ihm eine AfD-Affinität von mehr als 80 Prozente bescheinigt worden. Sie solle sich mal die Fragen angucken, riet er der Reporterin, was diese tat.

„Du hast die Wahl“

Auf der Startseite des Berliner Wahl-O-Maten sieht der Besucher zunächst ein großes Banner mit der Aufschrift: „Du hast die Wahl!“ In den FAQ erfährt man dann, dass bei der Bewerbung für die Wahl-O-Mat-Redaktion Personen mit einem Alter von über 26 Jahren gar nicht zugelassen worden waren – keine Personen also, die über größere Lebenserfahrung verfügen oder sogar die Zeit des SED-Regimes in der DDR und die friedliche Revolution von 1989 miterlebt hatten.

Als Mindestalter wurde 18 Jahre angegeben, wie auch bei der Wahl an sich. Aus der Teilnehmergruppe wurde dann – unklar von wem – eine „möglichst vielfältige Gruppe von 15 Jungwählerinnen und Jungwählern“ ausgewählt. Zur sogenannten „Wahl-O-Mat“-Redaktion gehören außer den jungen Wählern noch „15 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Journalismus und Bildung“ und die „Verantwortlichen der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb und der Berliner Landeszentrale für politische Bildung“.

Von dieser Redaktion wurden dann 80 Thesen auf Basis der Partei- und Wahlprogramme der Parteien erarbeitet und den Parteien zur Beantwortung zugesandt. Nach der Beantwortung wurde das Ganze auf 38 ausgewählte Thesen komprimiert, die der Auffassung der Wahl-O-Mat-Redaktion nach „wichtige Themen der Wahl aufgreifen als auch von den Parteien kontrovers beantwortet wurden“. Das Ziel: Die Unterscheidbarkeit der einzelnen Parteien zu gewährleisten und ein breites thematisches Spektrum abzudecken, heißt es.

Durch den Redaktionsfilter gesehen

Die „Welt“-Reporterin wunderte sich: „Es geht also gar nicht um die tatsächliche Programmatik der Wahlkämpfer, sondern um die Themenpräferenzen des Redaktionsteams“. Susanne Gaschke fiel auf, dass man gewichtige Themen fast gar nicht finden konnte. Zur Schuldenbremse und Verbeamtung von Lehrern wurde jeweils gefragt, so die Journalistin, nicht aber zum Zustand der Schulen, zu Integrationsüberlegungen oder der Funktionsfähigkeit der Berliner Verwaltung. Auch zur Wirtschaftsförderung oder zur Corona-Politik des Berliner Senats suchte man wohl vergebens.

Dafür wurde danach gefragt, ob an allen Schulen des Landes „geschlechtliche Vielfalt“ im Unterricht vermittelt werden solle oder – in einer weiteren Frage – doch das traditionelle Familienbild. Die Antwortmöglichkeiten gab Gaschke mit „Stimme zu, stimme nicht zu, neutral“ an. Andere Fragen seien gewesen, ob die Stadt Berlin beispielsweise Lärmschutzmaßnahmen für Klubs finanziell fördern solle oder ob Berliner Museen in der Kolonialzeit geraubte Kulturgüter an die Herkunftsländer zurückgeben sollten. Weitere Themen: kostenloser Nahverkehr, Wahlrecht ab 16 oder Pop-up-Radwege.

Probiert es mal!

Wie Susanne Gaschke schildert, sei sie dann die Fragen durchgegangen und hatte auch mehrere Freunde gebeten, die Fragen des Wahl-O-Maten zu beantworten. Das Ergebnis sei gewesen, dass bei viele von ihnen die AfD auf Platz eins kam, „meistens ganz eng geclustert mit FDP und CDU“. Die Journalistin fragt sich nun: „Sind wir also alle ‚rechts‘?“

Gaschke sieht in den Fragen eine „absurde Themenauswahl“ für ein steuerfinanziertes „In-den-Senkel-Stellen des Publikums“. Als Verantwortlichen für diese nachgeordnete Behörde sieht sie Bundesinnenminister Horst Seehofer, dem sie rät, vor der in dieser Woche anstehenden Freischaltung des Wahl-O-Maten zur Bundestagswahl nochmal genauer hinzusehen.



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