Ab wann ist es ein Skandal?: Barack Obama fischte im Wahlkampf massiv Facebook-Daten ab – und wurde gelobt

Ab wann wird etwas zum Skandal? Diese Frage stellt sich bei der derzeitigen Debatte um Facebook.
Titelbild
Barack ObamaFoto: Ethan Miller/Getty Images

Der „Datenskandal“ um Facebook schlägt hohe Wellen. US-Präsident Donald Trump habe die Wahl mittels Facebook-Daten – und russischen Hackern – gewonnen, so der Tenor.

Die politische Landschaft in Europa zeigt sich empört.

Deutsche sowie EU-Politiker wollen ein scharfes Vorgehen gegen Facebook.

SPD will Regeln gegen Facebook verschärfen

Die deutsche Justizministerin Katarina Barley (SPD) hat bereits harte Konsequenzen gefordert. „Es ist an der Zeit für eine deutliche Reaktion der europäischen Staaten“, sagte Barley.

Sie erwägt eine Verschärfung der Regeln für Soziale Netzwerke und meint: „Wir werden überprüfen, ob die Möglichkeiten der neuen europäischen Datenschutzverordnung ausreichen.“

„Facebook ist ein Netzwerk der Intransparenz. Ethische Überzeugungen fallen kommerziellen Interessen zum Opfer“, kritisierte Barley weiter.

Es brauche klare Regeln für Online-Netzwerke. Die Aufklärung dürfe nicht beim Fall von Cambridge Analytica stehen bleiben. „Es muss geklärt werden, ob weitere App-Betreiber in großem Umfang Nutzer- und Kontaktdaten missbraucht haben“, erklärte Barley.

Auch die Grünen wollen Facebook bestrafen und rufen nach Sanktionen – so auch Politiker in Brüssel. Es wird sogar davon gesprochen, dass Facebook die Demokratie gefährde.

Schon seit Jahren werden Daten abgefischt

Im Fokus steht Facebook, weil das Unternehmen mutmaßlich Daten von bis zu 87 Millionen Facebook-Nutzern weltweit durch die britische Datenanalysefirma Cambridge Analytica abgeschöpft hat.

Doch an der Praktik ist nichts neu: Im Wahlkampf des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama wurde massiv mit Daten von Facebook und anderen Sozialen Medien gearbeitet, um die Wahl zu gewinnen. Damals zeigten sich alle begeistert.

Von 2011 – 2013 gab es zahlreiche Berichte darüber, wie effektiv Obama die Daten der User abfischt. Es wurde sogar darüber gesprochen, was deutsche Politiker daraus lernen können.

Barack Obama hatte eine eigene Facebook-App

In einem Bericht der „Zeit“ hieß es 2011: 

„Eines der wichtigsten Mittel im US-Wahlkampf ist die Statistik. Wer gewinnen will, muss seine Wähler in jedem Bundesstaat genau kennen. Ohne gute Statistiken wird niemand Präsident. Amtsinhaber Barack Obama, der die Wahl 2012 schon jetzt zu einem der knappsten Rennen der US-Geschichte erklärt hat, sammelt seit Monaten via Facebook Informationen über die eigenen Anhänger – mit dem Ziel, neue zu werben.“

Weiter ist in dem Bericht zu lesen, dass Obamas Wahlkampfmanager David Axelrod Daten-Spezialisten engagierte, „die seit Jahrzehnten statistische Daten auswerten. Sie sollen auch neue Quellen erschließen. Facebook ist für sie eine wahre Fundgrube.“

Und:

„Um die Daten dort abzugreifen, hat das Team eine eigene Facebook-App entwickelt. Das kleine Programm funktioniert nach außen denkbar simpel: ein Klick, eine kurze Bestätigung reicht. Auf der eigenen Pinnwand erscheint dann ein Logo der Obama-Kampagne, daneben steht ‚XY is in!‘. Zudem können Nutzer mit der App die eigenen Facebook-Freunde dazu auffordern, sich ebenfalls zu Obama zu bekennen.“

Der britische „Guardian“ schrieb damals: Obama habe eine „Wählermaschine, die reibungslos, unauffällig und schonungslos effizient arbeitet“. Das Medium „Wired“ teilte seine Bewunderung für die neue Strategie mit.

Damals gab es weder Einwände noch Sicherheitsbedenken.

2013 interviewte die „Tageschau“ Obamas Politikberater Julius van de Laar. Er hatte die Wahlkampfkampagne des ehemaligen US-Präsidenten mitorganisiert. Deutsche Parteien könnten noch viel lernen, meinte er.

Van de Laar sagte damals in Bezug auf die Sozialen Medien:

Es sei nicht klug, „die Daten, die zur Verfügung stehen, nicht zu nutzen. Effektive Kampagnen basieren auf Zahlen, nicht auf dem Bauchgefühl des Kampagnenmanagers. Die Obama-Kampagne hat eine hochgradig analytische und zahlengetriebene Organisationskultur etabliert, die ständig die Effektivität sämtlicher Maßnahmen gemessen und optimiert hat. Welche Argumente überzeugen? Welche Inhalte werden auf der Webseite am häufigsten geklickt? Welche Newsletter-Betreffzeile wird von den meisten Empfängern geöffnet? Welche Botschaften teilen Unterstützer am häufigsten auf Facebook? Das gilt für alle Aspekte, egal ob das offline, online, Print oder TV ist.“

In einem Bericht in der Comtuperwoche aus 2013 heißt es:

„Nicht die meisten, sondern die richtigen Stimmen wollte das Wahlkampfteam um Barack Obama bei der Präsidentschaftswahl 2012 gewinnen – und das mit geringstmöglichem Mitteleinsatz sowie höchster Erfolgswahrscheinlichkeit. Für dieses Ziel werteten 45 Datenanalytiker mehr als ein Jahr lang eine ständige wachsende Anzahl von sehr unterschiedlichen Daten aus.“

Es habe 120 Millionen Telefonkontakte im Verlauf der Kampagne gegeben. „Fünf Milliarden eMails wurden verschickt. Hinzu kamen unzählige Hausbesuche. Auf diese Weise wurden die Informationen immer mehr verfeinert und validiert. ‚Experimente‘ mit kontrollierten Verhaltensänderungen (mehr eMails, weniger eMails, neue Informationskanäle etc.) halfen dem Team, seine Taktik zu perfektionieren,“ schrieb die Zeitung.

Zum Schluss habe man nicht nur eine Liste sondern „eine Matrix von Wählerprofilen“ gehabt. Und mit dieser „Matrix“ seien Taktiken entwickelt worden, um Wähler zu gewinnen.

Obamas Wahlkampfteam habe drei Tools angewandt. Eines „war dazu bestimmte, das Soziale Netzwerk Facebook für die OfA-Zwecke zu nutzen: Wenn ein Sympathisant Inhalte der Kampagne mit seinen ‚Freunden‘ teilte und diese dem Link folgten, glich das Softwarewerkzeug deren Facebook-Profile mit den vorhandenen Datenbankinhalten ab. So ließen sich weitere interessante Kontakte herausfiltern,“ so die Computerzeitschrift.

Erst wenn „der Falsche“ gewinnt, gibt es einen Aufschrei

Es ist sicher richtig, etwas gegen Daten-Missbrauch zu unternehmen. Aber in all diesen Jahren der staatlichen Daten-Sammlung in den Sozialen Medien hatten weder deutsche noch EU-Politiker irgendwelche Einwände.

Auch nach Bekanntwerden der massiven Überwachung durch die amerikanische NSA – sogar Kanzlerin Merkels Handy wurde von den USA abgehört – wurde weder in Deutschland noch in Brüssel etwas dagegen unternommen. Im Gegenteil: Der Whistleblower Edward Snowden, der den Überwachungsskandal 2013 aufdeckte, versteckt sich seitdem aus Angst vor Strafverfolgung in Russland.

Erst seit dem Wahlerfolg von Donald Trump wird alles sehr genau unter die Lupe genommen, was dem ungewünschten US-Präsidenten eventuell bei seinem Wahlkampf geholfen haben könnte.

Es stellt sich hierbei die Frage: Wird eine Sache erst dann zum Skandal und zur „Gefährdung der Demokratie“, wenn unliebsame Politiker eine Wahl gewinnen? Oder was sind die Kriterien in der sogenannten Wertegemeinschaft, wann etwas zu einem Skandal erhoben wird und wann – die gleiche Sache – bejubelt wird?



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