Muharrem Ince will die gespaltene Gesellschaft der Türkei wieder einen

Muharrem Ince will als Präsident für alle Menschen in der Türkei da sein. Er will die Gesellschaft wieder vereinen.
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Wahlveranstaltung von Muharrem Ince.Foto: Getty Images
Epoch Times21. Juni 2018

Muharrem Ince will als Präsident für alle Menschen in der Türkei da sein und nach Jahren der Polarisierung die Gesellschaft wieder vereinen.

Mit diesem Versprechen und seinem volksnahen, energischen Auftreten hat der Kandidat der säkularen Republikanischen Volkspartei (CHP) es vor der Präsidentenwahl geschafft, zu einem ernstzunehmenden Herausforderer des islamisch-konservativen Amtsinhabers Recep Tayyip Erdogan zu werden. Ob er eine Mehrheit erhält, wird nun aber vor allem von den Kurden und Konservativen abhängen.

„Die Türkei will atmen, sie will Frieden, sie will Ruhe“, sagte der 54-jährige CHP-Kandidat kürzlich in einem Interview in seiner Heimatstadt Yalova. „Sie will keinen erschöpften Mann, der schreit und tobt, sondern jemand jüngeres, gelasseneres.“ Seit 16 Jahren polarisiere und spalte Erdogan die Gesellschaft, er werde jedoch „ganz das Gegenteil“ sein, versprach der frühere Physiklehrer und Abgeordnete. „Ich werde ein Präsident sein, der vereint.“

Vereinen muss Ince zunächst allerdings die Opposition, wenn er Präsident werden will. Die CHP hat zuletzt 1950 den Präsidenten gestellt und 1979 den Regierungschef. In den vergangenen Jahren kam die frühere Staatspartei von Mustafa Kemal Atatürk bei Wahlen nie über 26 Prozent. Um seine Wählerbasis zu erweitern, streckte Ince daher auch gegenüber den Kurden und den Konservativen die Hand aus, die der CHP traditionell mit Misstrauen gegenüberstehen.

Viele religiöse Wähler haben den kemalistischen Eliten nicht vergessen, dass sie ihren Töchtern den Zugang zur Universität verwehrt haben, weil sie Kopftuch trugen. Im Wahlkampf betonte der verheiratete Vater eines Sohnes daher bei jeder Gelegenheit, dass er selbst aus einer religiösen Familie stamme und auch seine Mutter Kopftuch trage. Den Kurden, deren Existenz als eigenständige Volksgruppe die CHP über Jahrzehnte nicht anerkannt hat, versprach er Unterricht in kurdischer Sprache und mehr Autonomie.

„Die Türkei wird frei sein“, versprach Ince bei seinen Kundgebungen. Als Präsident will er den Wechsel zum umstrittenen Präsidialsystem rückgängig machen, das bei einem Volksentscheid im April 2017 knapp gebilligt worden war. Er will den Ausnahmezustand aufheben und die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Meinungsfreiheit wiederherstellen. Erdogans prächtigen Palast in Ankara will er dem Volk übergeben.

Inces hemdsärmelige Art, seine energischen Reden und sein Humor kommen bei den Massen an. Selbst in der Kurdenmetropole Diyarbakir und in konservativen Vierteln Istanbuls zog der CHP-Kandidat große Menschenmengen an. Volksnähe war bisher das Markenzeichen Erdogans – doch mit seinem bodenständigen Auftreten und seiner oft populistischen Rhetorik machte der frühere Lehrer Ince ihm auf dessen eigenem Terrain Konkurrenz.

So hat sich die Entscheidung des CHP-Vorsitzenden Kemal Kilicdaroglu als kluger Schachzug erwiesen, Ince bei der Präsidentschaftskandidatur den Vortritt zu lassen. Selbstverständlich war das nicht, da Ince Kilicdaroglu zwei Mal im Rennen um den Parteivorsitz herausgefordert hatte. Doch Kilicdaroglu hatte wohl erkannt, dass er mit seiner leisen, besonnenen Art im Wahlkampf keine Chance gegen den Volkstribun Erdogan hätte.

Kilicdaroglu konzentrierte sich daher darauf, bei Treffen mit Unternehmern, Verbänden und Gewerkschaften um Stimmen zu werben, während er seinem früheren Rivalen die große Bühne überließ. Der langjährige CHP-Fraktionsvize Ince kann auch mal schreien, gestikulieren und poltern. Im Wahlkampf versprach Ince, das beschädigte Verhältnis zum Westen zu kitten, schlug gegenüber Israel und den USA aber auch scharfe Töne an.

So drohte er den USA mit der Ausweisung ihrer Soldaten, wenn sie den islamischen Prediger Fethullah Gülen nicht ausliefern, der für den Putschversuch von Juli 2016 verantwortlich gemacht wird. Israel griff er wegen der Behandlung der Palästinenser im Gazastreifen hart an. Mit Syriens Präsident Baschar al-Assad möchte Ince wieder Kontakt aufnehmen, die syrischen Flüchtlinge aber baldmöglichst nach Hause schicken. Nicht für alle ist Ince ein Hoffnungsträger. (afp)



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