Türkische Angriffe auf syrisches Afrin – Deutsche Experten: „Womöglich“ Verletzung des Völkerrechts
Die Militäroffensive der Türkei im syrischen Afrin verletzt nach Einschätzung deutscher Experten "womöglich" das Völkerrecht. Eine Rechtfertigung der "Operation Olivenzweig" mit Verweis auf das Selbstverteidigungsrecht gemäß Artikel 51 der UN-Charta sei nicht überzeugend, heißt es.

Türkische Panzer an der syrischen Grenze.
Foto: OZAN KOSE/AFP/Getty Images
Die Militäroffensive der Türkei im syrischen Afrin gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) verletzt nach Einschätzung deutscher Experten „womöglich“ das Völkerrecht.
In einem neuen Gutachten kommt der wissenschaftliche Dienst des Bundestags laut einem Bericht des ARD-Studios Istanbul vom Donnerstag zu dem Ergebnis, dass eine Rechtfertigung der „Operation Olivenzweig“ mit Verweis auf das Selbstverteidigungsrecht gemäß Artikel 51 der UN-Charta nicht überzeuge, da konkrete Beweise für eine Bedrohung fehlten.
Die Türkei bleibe „den konkreten Beweis für das Vorliegen eines das Selbstverteidigungsrecht auslösenden bewaffneten Angriffs schuldig“, heißt es in dem Gutachten, das auf Anfrage des Linken-Abgeordneten Alexander Neu erstellt worden ist. Die Türkei hatte zu Beginn der Militäroffensive am 20. Januar gegenüber dem UN-Sicherheitsrat erklärt, der Einsatz sei als „Akt der Selbstverteidigung“ gerechtfertigt.
Begründet wurde dies mit der Zunahme von Raketenangriffen aus der Region Afrin auf die türkischen Provinzen Hatay und Kilis. Der wissenschaftliche Dienst bemerkt aber, dass über konkrete Raketenangriffe und deren Intensität vor Beginn der Offensive in den türkischen und internationalen Medien nichts berichtet worden sei. Das Vorliegen eines konkreten bewaffneten Angriffs lasse sich „daher nicht ohne weiteres belegen“.
Der wissenschaftliche Dienst schreibt zwar auch, dass „Selbstverteidigungshandlungen gegen einen nicht-staatlichen Akteur wie die kurdischen YPG-Milizen völkerrechtlich grundsätzlich möglich“ seien, insbesondere wenn dieser Akteur von einem Gebiet agiere, das sich der Kontrolle eines Staats entziehe. Doch auch dafür müsse Ankara einen „bewaffneten Angriff“ nachweisen, der über bloße „Grenzscharmützel“ hinausgehe.
Die Türkei selbst verwendet in ihrer Erklärung an den UN-Sicherheitsrat auch gar nicht den Begriff „bewaffneter Angriff“, sondern spricht von einer terroristisch motivierten Bedrohungslage infolge des syrischen Bürgerkriegs. Der wissenschaftliche Dienst bemerkt dazu, dass eine „latente“ Bedrohung nicht als Begründung für die Offensive ausreiche, sondern eine konkrete Gefährdung durch die YPG-Miliz nachgewiesen werden müsse.
Der Linken-Abgeordnete Neu sieht sich durch das Gutachten in der Einschätzung bestätigt, dass der türkische Einmarsch in Nordsyrien nichts anderes als ein Angriffskrieg sei, der das zwischenstaatliche Gewaltverbot breche. Es sei unter diesen Umständen undenkbar, dass Deutschland die von der Türkei gewünschte Modernisierung ihrer Leopard-2-Panzer weiter verfolge, sagte Neu der ARD. (afp)
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