Italien feiert rauschende Titel-Party – England trauert nach EM-Finale

Die englischen Jahre des Fußball-Leidens gehen weiter. Die Auswahl von Gareth Southgate verliert das EM-Finale gegen Italien im Elfmeterschießen.
Titelbild
Untröstlich: Kalvin Phillips (l) und Luke Shaw (r) versuchen Bukayo Saka nach seinem Fehlschuss aufzurichten.Foto: Carl Recine/Pool Reuters/AP/dpa/dpa
Epoch Times12. Juli 2021

Gareth Southgate ging sofort zum untröstlichen Bukayo Saka. Der 19-Jährige kämpfte nach seinem entscheidenden Fehlschuss im Elfmeter-Drama von Wembley im Arm seines Trainers lange mit den Tränen.

„Natürlich ist es herzzerreißend für die Spieler“, sagte Southgate spät am Abend, nachdem der englische Traum vom ersten großen Fußball-Titel seit 55 Jahren durch das 2:3 im Elfmeterschießen gegen Italien auf bitterste Art und Weise geendet war. „Es ist nicht ihre Schuld“, betonte Southgate.

„Gewinnen und verlieren als Team“

Alle drei waren schon unmittelbar nach der Entscheidung kaum aufzurichten. „Niemand ist auf sich alleine gestellt. Wir gewinnen und verlieren als Team“, sagte Southgate, der die Schuld auf sich nahm: „Das ist meine Entscheidung, nicht die der Spieler. Wir haben die besten Schützen ausgewählt, die auf dem Feld standen.“ Er, sagte der 50-Jährige, sei der, dem die Schuld zu geben sei.

In Deutschland kam die Wahl der Schützen nicht gut an. „Die Auswahl war nicht besonders glücklich von Southgate. Mich stört so ein bisschen die Balance zwischen Erfahrung und Jugendlichkeit“, sagte Ex-Nationalspieler Michael Ballack bei Magenta TV. Nach Kapitän Harry Kane (27) und Abwehrchef Harry Maguire (28), die beide trafen, hatten drei der jüngsten Engländer ihre Versuche vergeben. „Sehr fahrlässig“ fand Rio-Weltmeister Per Mertesacker die Auswahl im ZDF.

In der Kabine war es still, berichtete Southgate. Der britische Prinz William, der zuvor auf der Ehrentribüne seinen Sohn George getröstet hatte, kam kurz zu den Spielern. „Er hat ihnen gedankt für ihren Einsatz“, sagte Southgate und ergänzte zur Stimmung: „Sie können sich vorstellen, wie es dort aussieht.“

„Unerträgliche Schmerzen“

Die englischen Zeitungen schwankten spät zwischen riesiger Enttäuschung und Stolz. „Unerträgliche Schmerzen – die heldenhaften Three Lions verlieren im Elfmeterschießen“, schrieb der „Mirror“. „Nicht schon wieder! Ein mutiges England verliert im herzzerreißenden EM-Finale im Elfmeterschießen gegen Italien“, meinte der „Daily Star“.

Im Wembley-Stadion weinten viele Fans. Zugleich bestand die Befürchtung, dass einige Anhänger ihre Wut in der Stadt oder auf dem Heimweg explodieren lassen.

Zu Southgate und den Spielern drang das zunächst nicht vor. „Wir wollten ihnen noch eine Nacht schenken und die größte Party aller Zeiten“, sagte Southgate, der während des Turniers in England zum Helden geworden war. Vor 25 Jahren, im EM-Halbfinale ebenfalls in Wembley gegen Deutschland, war er es gewesen, der den entscheidenden Elfmeter vergeben hatte.

Southgate: „Haben Geschichte geschrieben“

Mit Saka konnte er deshalb wohl ganz besonderes fühlen. „Er ist ein super Junge“, sagte Southgate über den 19-Jährigen. „Er hat ein unglaubliches Turnier gespielt, er wird ein Star werden. Wir müssen da sein, um ihn zu unterstützen und ihm zu helfen. Aber ich bin sicher, er wird auch von außen eine Menge Liebe bekommen.“

Der Ex-Profi betonte, wie stolz er auf seine Spieler sei. „Sie haben Geschichte geschrieben, mehrere Male im Turnier“, sagte Southgate. „Sie haben alles gegeben, was sie konnten. Nicht nur heute Nacht, sondern das gesamte Turnier. Sie sollten ihren Kopf oben halten. Sie haben dem Land unglaubliche Momente beschert.“

Rassistische Beleidigungen im Internet

Enttäuschte Three-Lions-Anhänger beleidigten offenbar den Profi des FC Arsenal Bukayo Saka im Internet rassistisch. Der verschoss im Drama von Wembley den entscheidenden Elfmeter. Auch der Noch-Dortmunder Jadon Sancho (21) und Marcus Rashford (23), die beide allein für das Elfmeterschießen eingewechselt worden waren und dann ebenfalls nicht trafen, sollen Zielscheibe von üblen Kommentaren geworden sein.

Die FA reagierte in der Nacht mit einer Stellungnahme. „Wir könnten nicht deutlicher machen, dass jeder, der hinter solch widerlichem Verhalten steckt, als Anhänger unseres Teams nicht willkommen ist. Wir werden tun, was wir können, um die betroffenen Spieler zu unterstützen und drängen zugleich auf die härtest möglichen Strafen für jeden, der verantwortlich ist“, hieß es.

„It’s coming Rome“: Italien feiert rauschende Titel-Party

Unterdessen feierten die Italiener ausgelassen: Um den silbernen EM-Pokal standen schon etliche Bierflaschen herum – viel mehr war auf den Jubelbildern aus der italienischen Europameister-Kabine kaum zu erkennen. Die Azzurri tanzten spät am Sonntagabend in London so ausgelassen, verspritzten Champagner und grölten ihre Freude heraus, dass die Kamerabilder die Öffentlichkeit arg verwackelt erreichten. In der Heimat feierten Tausende Tifosi glückselig auf den Straßen. „Italien, wir lieben dich wie verrückt“, schrieb die „Gazzetta dello Sport“.

„Wir haben seit Mittwochabend gehört, dass der Pokal nach Hause zurückkehrt“, sagte Leonardo Bonucci in Anspielung auf das britische „Football’s coming home“, das die Italiener einfach in „It’s coming Rome“ umdichteten. „Tut mir leid für sie, aber heute Abend nimmt er einen schönen Flug nach Rom“, sagte Bonucci, der zum 1:1-Ausgleich getroffen hatte (67.). Dieser Triumph durch das 3:2 im Elfmeter-Drama gegen England sei „für alle Italiener. Wir haben daran geglaubt, für uns und für sie.“ Auf dem Weg zum Flughafen in der Nacht setzte Bonuccis kongenialer Defensivpartner Giorgio Chiellini den Pokal auf den Platz neben sich.

„Mir sind einfach die Tränen gekommen“

Für Trainer Roberto Mancini war der Triumph besonders emotional: Er vergoss noch auf dem Platz Freudentränen. „Mir sind einfach die Tränen gekommen, als ich die Jungs gesehen habe“, sagte der 56-Jährige, der die Mannschaft nach der verpassten WM 2018 übernommen und zum großen Triumph geführt hatte. „Ich konnte noch gar nicht richtig glauben, dass wir es geschafft hatten.“ Den Sieg widme er „allen Italienern. Wir haben ihnen einen wunderschönen Monat der Freude geschenkt. Darüber sind wir sehr glücklich.“

Die Feierlichkeiten werden am Montag auch in der Heimat in offiziellem Rahmen fortgesetzt. Der neue Europameister wird in Rom von Ministerpräsident Mario Draghi empfangen. Der Regierungschef wolle sich persönlich bei der Mannschaft und dem Trainerteam bedanken, teilte die Regierung mit. Die Squadra Azzurra habe „neben großer Individualität ein außergewöhnliches Spiel und einen besonderen Teamgeist“ gezeigt, hieß es in einer kurzen Mitteilung der italienischen Regierung am späten Sonntagabend.

Torhüter Donnarumma mit zwei gehaltenen Elfmetern entscheidend

Auch Staatspräsident Sergio Mattarella, der die Partie im Stadion verfolgt hatte, würdigte die Mannschaft für ihre Leistung. „Große Dankbarkeit für Roberto Mancini und unsere Spieler, die Italien gut vertreten haben und dem Sport Ehre gemacht haben“, wurde Mattarella auf Twitter zitiert.

Wie schon im Halbfinale gegen Spanien war wieder einmal Torhüter Gianluigi Donnarumma mit zwei gehaltenen Elfmetern entscheidend. „Es ist eine unglaubliche Sache, wir sind eine fantastische Mannschaft und verdienen es alle“, sagte der 22 Jahre alte Keeper, der nach der Siegerehrung sichtlich nach Worten rang. „Wir sind außergewöhnlich gewesen, wir sind super-glücklich“, ergänzte er grinsend.

Für den Torhüter, dessen Vertrag bei AC Mailand ausgelaufen ist, gab es noch eine besondere Ehrung: Er wurde als Spieler des Turniers ausgezeichnet. „Ich war mir sicher, dass er einen Elfmeter halten würde. Er ist der beste Torhüter der Welt“, lobte Mancini seinen Keeper. „Wir haben Glück, Donnarumma zu haben.“ (dpa/er)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion