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Das Gehirn jung halten: Der optimale Zeitpunkt, dem altersbedingten Verfall entgegenzuwirken

Wer im Alter geistig fit bleiben möchte, muss rechtzeitig beginnen, daran zu arbeiten. Eine neue Studie beleuchtet, welcher Zeitpunkt und welche Maßnahmen geeignet sind, dem altersbedingten kognitiven Abbau entgegenzuwirken.

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Die Stabilität des Netzwerks aus Neuronen zu erhalten, ist wichtig, um den kognitiven Verfall zu verhindern.

Foto: istock

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Lesedauer: 10 Min.

Die Neuronen unseres Gehirns gleichen einer pulsierenden Stadt, in der jedes Gebäude auf eine konstante Stromversorgung angewiesen ist. Kommt es zu einem kurzen Stromausfall, greifen eingespielte Systeme, um den Betrieb schnell wieder aufzunehmen – ohne bleibende Schäden.
Was aber, wenn der Stromausfall Monate dauert? Notstromaggregate könnten die wichtigsten Dienste eine Zeit lang aufrechterhalten, aber irgendwann würden auch sie an ihre Grenzen stoßen. Wasserversorgungssysteme könnten einfrieren und platzen, Gebäude würden verfallen und die Infrastruktur nach und nach zusammenbrechen. Wenn der Strom schließlich wieder fließt, ist der Schaden bereits angerichtet – die Stadt liegt in Trümmern.
Lilianne Mujica-Parodi, Hauptautorin einer im März veröffentlichten Studie zu Alterungsprozessen im Gehirn und möglichen Interventionen, verwendete die obige Analogie und erklärte: „Ein Problem lässt sich leichter beheben, solange es noch überschaubar ist.“ Die Studie zeigte, dass das Altern einem bestimmten Verlauf folgt: Die erste Phase beginnt bereits im mittleren Lebensalter und geht mit einer erhöhten Insulinresistenz einher.
So wie eine Stadt nachhaltigen Schaden nimmt, wenn der Strom zu spät zurückkehrt, kann auch das Gehirn einen Punkt erreichen, an dem Eingriffe wirkungslos bleiben. Deshalb ist frühes Handeln entscheidend.

Das alternde Gehirn

Das Gehirn durchläuft verschiedene Phasen des kognitiven Verfalls – bis Mitte 40 bleibt es stabil, dann beginnen degenerative Veränderungen, die sich bis Mitte 60 stark beschleunigen, so Mujica-Parodi, Direktorin des Laboratory for Computational Neurodiagnostics an der Stony Brook University im US-Bundesstaat New York.
Ein entscheidender Faktor für die Alterung des Gehirns ist laut der Untersuchung der verminderte Glukosestoffwechsel, bei dem das Gehirn Schwierigkeiten hat, Kohlenhydrate zur Energiegewinnung zu nutzen. Dadurch wird seine Funktion beeinträchtigt. Diese Stoffwechselveränderungen beginnen tatsächlich Jahrzehnte vor dem Auftreten von Symptomen, bleiben jedoch oft unbemerkt, bis zu späteren Phasen des Alterns, in denen eine Intervention wesentlich weniger wirksam ist. Mit funktioneller Magnetresonanztomographie und einem Elektroenzephalogramm – Instrumente zur Untersuchung der Gehirnaktivität – können altersbedingte Veränderungen des Gehirns jedoch früh erkannt werden, wodurch die Chance besteht, vorbeugend zu intervenieren, anstatt erst im fortgeschrittenen Stadium zu handeln.

Die Mechanismen hinter dem kognitiven Verfall verstehen

Laut Mujica-Parodi besteht der erste Schritt zu einer wirksamen Behandlung darin, die Mechanismen von Krankheiten zu verstehen. So wird beispielsweise die Alzheimer-Krankheit seit Langem auf die Ansammlung von Beta-Amyloid zurückgeführt, einem Protein, das klebrige Plaques zwischen den Gehirnzellen bildet, sowie von Tau-Proteinen, die sich in den Gehirnzellen zu verdrehten Knäueln zusammenballen. Diese Erkenntnisse haben zur Entwicklung von Medikamenten geführt, die darauf abzielen, diese Proteine zu beseitigen. Allerdings sind diese Behandlungen laut Einschätzung der Forscherin weitgehend gescheitert.
Ein Grund für dieses Scheitern liegt darin, dass zum Zeitpunkt der Diagnose von Alzheimer bereits irreversible neuronale Schäden entstanden sind. Die Ansammlung von Proteinen ist laut Untersuchungen unter anderem eine Folge einer neuronalen Insulinresistenz. Mit anderen Worten: Wer Beta-Amyloid- und Tau-Proteine ins Visier nimmt, bekämpft gar nicht die eigentliche Ursache der Erkrankung.
Im Gegensatz zu vielen anderen Zellen können sich Neuronen im erwachsenen Gehirn nur sehr schwer regenerieren. Wenn der kognitive Verfall darauf zurückzuführen ist, dass Neuronen regelrecht verhungern, wie die Studie es nahelegt, ergibt es laut Mujica-Parodi wenig Sinn, so lange zu warten, bis sie funktionsunfähig oder gar abgestorben sind.
Physiologische Systeme sind darauf ausgelegt, die Homöostase aufrechtzuerhalten – ein Gleichgewicht zwischen Energieangebot und Energiebedarf. Wenn dieses Gleichgewicht gestört wird, kann der daraus resultierende Stress zu weiteren Dysregulationen führen, wodurch sich das Problem mit der Zeit verschlimmert, so Mujica-Parodi.

Neuronale Insulinresistenz als zentraler Treiber

Die erste bedeutsame Verschiebung in der Stabilität neuronaler Netzwerke tritt häufig parallel zu einer zunehmenden Insulinresistenz auf – messbar unter anderem durch den HbA1c-Wert, einen Marker für den langfristigen Blutzuckerspiegel. Neuronen sind auf zwei Hauptenergiequellen angewiesen: Glukose und Ketonkörper. Während einige Nervenzellen Insulin benötigen, um Glukose aufzunehmen, fällt es den insulinresistenten Neuronen zunehmend schwer, diesen Brennstoff zu nutzen – ein Zustand, der als „Insulinresistenz“ bekannt ist, erklärte Mujica-Parodi.
Verlieren die Zellen die Fähigkeit, ihren Hauptenergielieferanten, die Glukose, effizient zu verwerten, steigt der metabolische Stress, was die Informationsübertragung zwischen den Nervenzellen verlangsamt und zum Abbau der kognitiven Fähigkeiten beiträgt.
Bei Krankheiten wie der Alzheimer-Krankheit ist die Glukoseaufnahme und -verwertung gestört. Deshalb wird die Alzheimer-Krankheit manchmal auch als Typ-3-Diabetes bezeichnet, wie Angel Planells, ein in Seattle ansässiger zertifizierter Ernährungsberater, gegenüber der Epoch Times zusammenfasste.
Wenn Neuronen insulinresistent werden, verlieren sie ihre Fähigkeit, Glukose aufzunehmen, können aber weiterhin Ketone nutzen, die für den Stoffwechsel kein Insulin benötigen und eine alternative Energiequelle darstellen, so Mujica-Parodi.
Selbst bei älteren Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen oder Alzheimer konnte gezeigt werden, dass Gehirnzellen noch Ketone aufnehmen können, obwohl in diesem Stadium bereits irreversible Schäden die geistige Leistungsfähigkeit einschränken können.
Daher ist es für den proaktiven Schutz des Gehirns von entscheidender Bedeutung, geeignete Zeitfenster für Interventionen zu identifizieren.

Der optimale Zeitpunkt für Interventionen

„Der mit dem Altern verbundene kognitive Abbau ist keine unvermeidliche Folge des Alterns, sondern ein Prozess, der durch frühzeitige Interventionen zur Bekämpfung der Insulinresistenz im Gehirn verhindert werden kann“, so Mujica-Parodi.
Die Alterung des Gehirns folgt einem vorhersehbaren Verlauf. Im Gegensatz zu einer allmählichen linearen Verschlechterung verlaufen diese Veränderungen in einer s-förmigen Kurve, was darauf hindeutet, dass es bestimmte Zeitfenster gibt, in denen Interventionen am wirksamsten sein könnten.
Bereits ab dem 40. Lebensjahr kommt es zu erheblichen Veränderungen in den Netzwerken des menschlichen Gehirns, gekennzeichnet durch Instabilität und Koordinationsverlust. Diese Veränderungen ähneln denen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes und bestätigen die Annahme, dass Insulinresistenz ein wichtiger Faktor für den frühen kognitiven Verfall ist.
Der Zeitraum zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr ist der entscheidendste Zeitpunkt für eine Intervention. In dieser Zeit sind die Netzwerke des Gehirns am instabilsten, aber noch anpassungsfähig, sodass es sich um einen optimalen Zeitraum für Interventionen handelt.

Ketone und ketogene Diät

Stoffwechselinterventionen, die die Insulinresistenz schnell überwinden, wie die Einnahme von Ketonpräparaten oder die Einhaltung einer ketogenen Diät, haben sich als hilfreich erwiesen.
Mujica-Parodi gab an, überrascht zu sein, wie schnell diese Interventionen wirkten. In ihren Untersuchungen stabilisierten sich die Netzwerke im Gehirn nach dem Konsum eines ketonhaltigen Getränks innerhalb von nur 30 Minuten.
Ketone können im Körper durch eine kohlenhydratarme, fettreiche Ernährung oder Fasten hergestellt oder als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden, aber die Unterstützung der  Gesundheit des Gehirns muss nicht bis zum 40. Lebensjahr warten. 
Frühzeitige Änderungen des Lebensstils wie die Umstellung auf eine kohlenhydratarme, ballaststoffreiche Ernährung und regelmäßige Bewegung können helfen, eine Insulinresistenz im Gehirn zu verhindern oder hinauszuzögern, so Mujica-Parodi.
Ab dem 40. Lebensjahr könnte die Untersuchung der Insulinresistenz im Gehirn – zusätzlich zu den standardmäßigen HbA1c-Messungen – helfen, Risiken früh genug zu erkennen, um ketogene Diäten oder Nahrungsergänzungsmittel zur Unterstützung der Glukoseverwertung einzuführen.
„Nicht jeder braucht eine strenge ketogene Diät“, sagt Planells. „Aber die Reduzierung von verarbeiteten Kohlenhydraten und die Verbesserung der Insulinsensitivität kommen im Allgemeinen der Gesundheit des Gehirns zugute.“
Es ist zu beachten, dass die Supplementierung mit Ketonen und die ketogene Ernährung trotz ihrer potenziellen Vorteile mit einigen Einschränkungen verbunden sind. Bei manchen Menschen kann die restriktive Natur der ketogenen Diät die Einhaltung der Diät erschweren, während die Einnahme von ketonhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln auch Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen oder Elektrolytstörungen verursachen kann.
Neben ketogenen Diäten und Nahrungsergänzungsmitteln kann die kognitive Belastbarkeit – die Fähigkeit des Gehirns, sich an Stress anzupassen und seine Funktion aufrechtzuerhalten – auch durch Aktivitäten wie geistig anregende Aufgaben, das Erlernen neuer Fähigkeiten und die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte verbessert werden, so Planells.
Chronischer Stress und erhöhte Cortisolspiegel können hingegen die Alterung des Gehirns beschleunigen, daher seien Achtsamkeitspraktiken wie Meditation von Vorteil, so Planells.
„Das Zeitfenster mag klein sein, aber allein zu wissen, dass es existiert, gibt uns Handlungsspielraum“, sagte er.
Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „The Optimal Time to Prevent Age-Related Cognitive Decline–and How to Do It“. (redaktionelle Bearbeitung ee)
Zena le Roux ist Gesundheitsjournalistin mit einem Master in investigativem Gesundheitsjournalismus. Sie ist auch ein zertifizierter Gesundheits- und Wellness-Coach, spezialisiert auf funktionelle Ernährung. Sie ist ausgebildet in Sporternährung, achtsamer Ernährung, internem Familiensystem (IFS) und angewandter Polyvagaltheorie. Sie arbeitet in einer Privatpraxis und unterrichtet an einer Lehranstalt des Gesundheitswesen in Großbritannien über das Thema Ernährung.

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