Machtstrukturen der DDR – vergessen?

Historiker Hubertus Knabe über „Das wundersame Weiterleben der SED“ – kritische Bilanz über Umgang mit DDR-Vergangenheit
Titelbild
Hubertus KnabeFoto: Thilo Gehrke
Von 21. April 2008

Fast vergessen scheint heute die Zeit des Kalten Krieges, in der uns ernste alte Männer wie Karl-Eduard von Schnitzler alias „Sudel-Ede“ im „Schwarzen Kanal“ des DDR-Fernsehens und der vor kurzem verstorbene Gerhard Löwenthal im „ZDF-Magazin“ wechselseitig die Verfehlungen des Kommunismus und des Kapitalismus erklärten. Von der Missachtung der Menschenrechte durch das kommunistische DDR-Regime sprach Moderator Löwenthal damals, und er beschrieb mit drastischen Worten den entbehrungsreichen Alltag unserer ostdeutschen Landsleute unter der postsowjetischen Knute. Da er jedoch so gebetsmühlenartig oft davon sprach, wich die anfängliche Empörung einiger Zuschauer gefährlichem Gleichmut. „Es war noch viel schlimmer, als Löwenthal es beschrieb“, entgegnete mir mein Sitznachbar, ein Ex-Ost-Berliner, bei der Tagung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung zum Thema „Das wundersame Weiterleben der SED – ein aktuelles Problem“ in der vollbesetzten Aula des Christianeum-Gymnasiums in Hamburg-Othmarschen am vorletzen Dienstag.

Diese Einschätzung teilt auch der Vortragende dieser Tagung, Hubertus Knabe. In seinem Referat spricht der Leiter der Stasi-Knast-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen über die Erinnerungskultur im Kontext der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit und über das Überleben alter SED-Machtstrukturen in der neuen „Linkspartei“, die aus der SED/PDS hervorging.

„Täterschutz vor Opferschutz“

Der Historiker Knabe zieht knapp zwei Jahrzehnte nach der friedlichen Revolution in der DDR und dem Sturz des SED-Regimes eine kritische Bilanz über den Umgang mit der DDR-Vergangenheit. Er beschreibt die mangelnde strafrechtliche Verfolgung der Täter und deren Reorganisation in schlagkräftigen Vereinigungen. Auch wurden wiederholt geschichtsinteressierte Bürger auf der Suche nach der Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen von Anwohnern des als Hochburg für PDS-Wähler geltenden Stadtteils in Unkenntnis gelassen: „Einen Stasi-Knast hat es hier nie gegeben.“ Mit zunehmendem Selbstbewusstsein organisieren sich Ex-MfS-Offiziere und alte SED-Kader und verhöhnen öffentlich ehemalige politische Häftlinge des DDR-Repressionsapparates, denn die Opfer seien ja nach den Gesetzen der DDR „Straftäter, die nach Recht und Gesetz zu verurteilen waren.“ Dies belegt gegenwärtig der Fall eines Pastors aus dem Vogtland, der zu DDR-Zeiten jahrelang von einem Stasi-Spitzel drangsaliert und ausspioniert wurde. Dem Kirchenmann wurde nun gerichtlich untersagt, den Klarnamen seines Peinigers in einer Ausstellung über Oppositionelle in der DDR zu zeigen. So werde plastisch dargestellt, wie Täterschutz auch heute noch vor Opferschutz rangiert, führte Knabe aus. Er stellte dar, wie die SED durch Umbenennung und geschicktes Taktieren nicht nur ihr Überleben in der Demokratie sicherte, sondern auch ihr milliardenschweres Vermögen, das nach der deutschen Wiedervereinigung eigentlich ihren Opfern zugute kommen sollte, retten konnte. Anschließend schilderte er die Lage Tausender SED-Opfer, die unzureichend entschädigt wurden und deren Kampf für Freiheit und Demokratie kaum mehr öffentliche Wertschätzung erfährt. So wurde das in der deutschen Geschichte einzigartige Ereignis der unblutigen Revolution in der DDR im Jahre 1989 als „Wende“ verklärt und zu wenig gewürdigt.

Da es in Deutschland zwar hunderte Straßennamen nach kommunistischen „Vorbildern“ aus DDR-Zeiten gibt, aber keinen, der an die Leistung der friedlichen Revolution erinnert, stellte der streitbare Historiker beim Berliner Magistrat einen Antrag auf Umbenennung einer Straße. Dort war jedoch kurz zuvor entschieden worden, dass Straßen künftig nur noch weibliche Namen erhalten dürfen.

„Kommunistische Diktatur verharmlost“

Jüngst zeigte eine Umfrage unter Studenten der Berliner Humboldt-Universität eine erschreckende Unkenntnis über die Fakten und die Zustände in der DDR. Die kommunistische Diktatur werde im Gegensatz zur NS-Diktatur zunehmend verharmlost und schön geredet, befand Knabe.

Anspielend auf die Äußerung des SPD-Politikers Hans-Jochen Vogel beim letzten SPD-Parteitag in Hamburg im Oktober 2007, bei dem die SPD ebenso wie die SED-Nachfolgepartei PDS/Die Linke den „demokratischen Sozialismus“ für sich propagiert und dieser laut Vogel in der DDR nur falsch angewandt wurde, schloss Dr. Knabe seinen Vortrag mit dem Zitat „Der Kampf des Menschen um die Macht ist der Kampf des Gedächtnisses gegen das Vergessen.“

Zwar konnten seinerzeit die Kontrollfreaks vom MfS die friedliche Revolution des Volkes der DDR nicht verhindern, aus heutiger Sicht drängt sich manchem Betrachter jedoch die Frage auf, wie sich eine kommunistische Diktatur in der aufgeklärten ostdeutschen Gesellschaft immerhin 44 Jahre halten konnte.

Mein Ex-Ostberliner Sitznachbar war damals Mitarbeiter beim Fernsehen der DDR und produzierte die DDR-Satire-Show „Ein Kessel Buntes“. Da er sich weigerte, regimekritische Äußerungen des Moderators Gunther Emmerlich herauszuschneiden, wurde er unter Aufsicht eines MfS-Mitarbeiters gestellt. Er sagt: „Wenn ich nicht geschnitten hätte, hätte ich meinen Job verloren, und ein anderer hätte diese Tätigkeit übernommen.“

Eine Situation, die in unserer heutigen freiheitlich demokratischen Grundordnung sicher nicht passieren kann. Oder?

1) Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, kommunistische Staatspartei der DDR, seit 1990 PDS, heute „Die Linke“
2) Ministerium für Staatssicherheit, DDR Geheimpolizei und ausführendes Organ der SED.

Über den Autor:
Thilo Gehrke, 41, ist Journalist, Fotograf und freier Autor in Hamburg. Er hat die deutsche Wiedervereinigung unter sozialen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Aspekten medial begleitet und ist Mitglied im Wissenschaftlichen Forum für Internationale Sicherheit an der Führungsakademie der Bundeswehr.



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