Studie legt Gründe für Mobbing offen

Ausgrenzung hat viele Gesichter. Dass dahinter nicht unbedingt ein böswilliger Gedanke steckt, zeigt eine neue Studie.
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Von 7. Juni 2023

Rückzug, Depression, Suizidgedanken. Wer einmal in seinem Leben ausgegrenzt wurde, weiß um die verheerenden Auswirkungen und die psychische Belastung, die damit einhergeht. Doch warum schließen Menschen andere aus? Dieser Frage ging die Sozialpädagogin Selma C. Rudert, Juniorprofessorin von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau, gemeinsam mit Forschern der Universität Basel nach.

Mit zwei Umfragestudien und fünf Experimenten, an denen insgesamt 2.394 Personen teilnahmen, suchte das Forscherteam nach den Ursachen von Ausgrenzungen. Hierzu wurden die Teilnehmer nicht nur nach drastischen, sondern auch alltäglichen Situationen befragt, in denen sie früher andere Personen ausgegrenzt haben oder selbst ausgegrenzt wurden. Wichtig war für die Forscher zu erfahren, ob die Entscheidung zur Ausgrenzung auf einer Normverletzung und/oder die Einschätzung zurückzuführen ist, dass diese Person „entbehrlich“ ist.

Von einer „wahrgenommenen Normverletzung“ war dann die Rede, wenn eine Person ausgegrenzt und/oder ignoriert wurde, weil sie sich nicht so verhalten hat, wie man sich in der Situation verhalten sollte, oder weil die Teilnehmer mit einem derartigen Verhalten rechneten. Von einer „wahrgenommenen Entbehrlichkeit“ sprechen die Forscher, wenn die Person nicht über die in der jeweiligen Situation erforderlichen Fähigkeiten verfügte oder dies zu erwarten sei. „Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass die Person zu wenig leistet, zu langsam ist oder zu viel Unterstützung benötigt“, heißt es in der Studie.

Beispiele für Ausgrenzung

Rund 60 Prozent von knapp 200 befragten Teilnehmern im Rahmen der ersten Umfrage führten ihre Entscheidung zur Ausgrenzung auf das Verhalten der Person zurück. Ein Mitarbeiter eines Krankenhaus-Transportdienstes berichtete über einen besonders beleidigenden Patienten. Er hatte sich gegenüber der Fahrzeugbesatzung sowohl unhöflich als auch streitsüchtig verhalten.

Nachdem ich versucht hatte, mit ihm zu kommunizieren und die Situation zu entschärfen, war klar, dass es keine andere Möglichkeit gab, als ihn völlig zu ignorieren. Auf diese Weise gab es keinen Grund, auf Konfrontation zu gehen“, erklärte der Teilnehmer.

13 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen die ausgegrenzte Person entbehrlich erschien. Ein passionierter Fahrradfahrer beschrieb, dass sein ursprünglicher Fahrradpartner nach jahrelangen regelmäßigen Ausflügen nicht verfügbar war. Daher schloss er sich einer Gruppe an, die „viel wettbewerbsfähiger“ war, was ihm viel Spaß bereitete. „Als sie mich letztes Wochenende gefragt haben, ob ich mitfahren möchte, habe ich [den ehemaligen Radpartner] absichtlich nicht eingeladen. Er würde erwarten, dass ich mit ihm in der Gruppe fahre, und er wäre langsamer und würde mich aufhalten“, schilderte der Teilnehmer.

Die zweite Umfrage im Rahmen der Studie untersuchte den Zusammenhang der Häufigkeit der Ausgrenzungserfahrungen mit der Tendenz zur Verletzung allgemeiner sozialer Normen und der selbst eingeschätzten Entbehrlichkeit. Die Forscher fanden dabei heraus, dass die wahrgenommene Entbehrlichkeit der ausgegrenzten Person eine größere Rolle spielt als deren Verhalten.

Fehlverhalten ist schlimmer als Leistungsdefizit

„In realen Situationen wirken Normverletzung und wahrgenommene Entbehrlichkeit wahrscheinlich zusammen, sodass Personen, die gegen Normen verstoßen, als entbehrlich und schädlich für die Leistung angesehen werden können“, schreiben die Forscher. Darüber hinaus könne eine Person, die eine relevante Fähigkeit nicht beherrsche und daher entbehrlich sei, die (Leistungs-)Normen der Gruppe verletzen. – „Insbesondere, wenn die Gruppenmitglieder glauben, dass die Zielperson sich einfach nicht genug anstrengt.“

Wie aus der Studie ersichtlich ist, haben schon frühere Forschungen gezeigt, dass Personen mit unterdurchschnittlichen Leistungen damit rechnen, ausgegrenzt zu werden. Wer Gruppen ausbremst, wird demnach als lästig empfunden und tatsächlich ausgegrenzt. Das ist selbst dann der Fall, wenn andere Faktoren vorliegen wie beispielsweise eine instabile Internetverbindung.

Geringe Produktivität und weniger erbrachte Leistung werden allerdings als Ausgrenzungsaspekt weniger von Dritten toleriert. Dies treffe hauptsächlich zu, wenn Personen mit Defiziten betroffen sind, die in der Gesellschaft als schutz- und unterstützungsbedürftig angesehen werden. „Zwar könne eine Ausgrenzung für die Gruppenleistung vorteilhaft erscheinen, aber die Gruppe läuft Gefahr, als kalt und herzlos zu erscheinen.“

Teamplayern wird leichter verziehen

In manchen Situationen könnten laut Forschern auch beide Faktoren gleichermaßen relevant sein. Als Beispiel führten sie Projekte an, die einem hohen Risiko unterliegen, bei denen sowohl Spitzenleistungen als auch ein hohes Maß an Kooperation erforderlich sind, um erfolgreich zu sein.

Wenn ein guter Gruppenzusammenhalt wichtig ist, beobachteten sie das Phänomen, dass kleinere Normverstöße einer hoch qualifizierten Person in Kontexten mit hoher Leistung übersehen werden. Das Gleiche gilt für das Verzeihen kleinerer Fehler einer Person, die ansonsten ein freundlicher, unterstützender Teamplayer ist.

Zusammenfassend könne man laut Forschern davon ausgehen, dass Gruppenmitglieder sich vorwiegend dann für die Ausgrenzung anderer entscheiden, wenn sie meinen, einen triftigen Grund dafür zu haben und erwarten, dass andere ihre Entscheidung teilen.

Hingegen würden es Menschen vorziehen, mit anderen zu interagieren, die als warmherzig und kompetent angesehen werden.



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