Forscher der University of Pennsylvania gehen noch einen Schritt weiter. Sie sehen in genetischen Daten ein großes Potenzial, sowohl hinsichtlich der Möglichkeiten als auch der Gefahren. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie bereits Mitte Dezember im
„Journal of Marketing“.
Einerseits verbanden sie in ihrer Studie Wissen aus der Verhaltensgenetik mit bestehenden Theorien des Konsumentenverhaltens, um genetische Einflüsse und ihren potenziellen Nutzen für Marketingfirmen zu ermitteln. Andererseits
äußern sie Bedenken hinsichtlich „signifikanter ethischer Herausforderungen“. Diese ergeben sich aus den einzigartigen Eigenschaften genetischer Daten.
Genetische Daten für super-personalisierte Werbung
Die Entwicklung kostengünstiger Techniken zur Vermessung des menschlichen Genoms habe in den letzten zwei Jahrzehnten zu einem exponentiellen Wachstum privater Gentests geführt. Die Forscher schätzen, dass bereits über 30 Millionen Menschen einen privaten DNA-Test gemacht haben. Sei es, um ihre Vorfahren zurückzuverfolgen, um Krankheiten zu erkennen oder einfach aus Interesse.
Mehrere globale Firmen, darunter Airbnb und Spotify, sind bereits auf den Zug aufgesprungen und haben sich mit den Anbietern von Gentests zusammengeschlossen. Ziel der Zusammenarbeit ist die Entwicklung von Strategien, die genetische Daten für Marketingzwecke nutzen.
Potenzielle Anwendungen sind unter anderem die Nutzung genetischer Maße zur Identifizierung und Ansprache von Teilgruppen von Kunden mit ähnlichen Bedürfnissen. Ein Ansatz, so die Forscher, der sich besonders effektiv für die Vermarktung von Gesundheits-, Ernährungs- und Schönheitsprodukten erweisen dürfte. Auch Reisen und das nächste Auto lassen sich so mitunter gezielter an den Mann oder die Frau bringen.
Kaufempfehlungen keineswegs durch Wissenschaft gestützt
Während es verlockend sein mag, die potenziellen Vorteile zu sehen, weisen die Autoren auch auf Herausforderungen hin. Hauptautor Remi Daviet merkt an: „Die Nutzung von genetischen Daten durch Vermarkter findet bereits statt und wir haben Bedenken bezüglich dieses Trends, aufgrund der einzigartigen Eigenschaften genetischer Daten.“ Besondere Kopfschmerzen bereiten ihm vier Punkte:
- Individuen können leicht durch einen kleinen Teil ihrer genetischen Daten identifiziert werden.
- Genetische Daten enthalten auch Informationen über die Verwandten.
- Sie sind bis zu einem gewissen Grad prädiktiv für fast alle menschlichen Eigenschaften; und
- sie sind unveränderlich.
Co-Autor Gideon Nave fügt hinzu: „Aufgrund dieser einzigartigen Eigenschaften kann die Verwendung von genetischen Daten durch Vermarkter eine
Gefahr für die Autonomie und die Privatsphäre der Verbraucher darstellen. Es besteht auch ein Potenzial für Fehlinformationen. Die Wahrnehmung der Verbraucher über Genetik könnte sie zu der Annahme verleiten, dass genetisch basierte Empfehlungen immer durch solide Wissenschaft gestützt werden. Das ist nicht immer der Fall.“
Praktisch jede Marketinganwendung möglich
Die Autoren geben weiterhin zu bedenken, dass diese Punkte „kaum, wenn überhaupt“, von den aktuellen Vorschriften berücksichtigt werden. In den USA hängt die Erlaubnis, genetische Daten für Marketingzwecke zu nutzen und weiterzugeben, von den Datenschutzrichtlinien jedes einzelnen Unternehmens ab. Viele dieser Firmen lassen ihren Kunden jedoch keine Informationen zum Datenschutz zukommen, bevor sie Gentest-Kits kaufen.
Die Richtlinien vieler anderer weisen darauf hin, dass sie genetische Daten für andere Zwecke als die Bereitstellung von Abstammungs- und Gesundheitsberichten verwenden dürfen. Nach geltendem europäischen Recht muss man der Verarbeitung solcher Daten ausdrücklich zustimmen. Dafür müsste man die Information aber vorher ausführlich gelesen haben.
In der Praxis „könnte es jedoch passieren“, dass die Verbraucher der Gewinnung ihrer genetischen Daten zustimmen, ohne die rechtlichen Bestimmungen zu lesen. Ihre (unwissentliche) Zustimmung macht dann praktisch jede Marketinganwendung möglich.
(Mit Material der University of Pennsylvania)