Wie realistisch sind interstellare Reisen für den Menschen?

Reisen mit Lichtgeschwindigkeit sind keine Science-Fiction mehr. Physiker haben jüngst ein bereits 1960 erdachtes Antriebssystem für Raumschiffe mit Lichtgeschwindigkeit überprüft – und seine Funktionsweise bestätigt. Für Menschen ist es dennoch wortwörtlich „eine Nummer zu groß“.
Science-Fiction: Wie realistisch sind interstellare Reisen für den Menschen?
Symbolbild.Foto: iStock
Von 13. Februar 2022

Star Wars und Co lassen auch nach Jahrzehnten die Herzen der Science-Fiction-Fans höher schlagen. Mit ihren Raumschiffen fliegen die galaktischen Helden in Warp-Geschwindigkeit durch das Universum. Doch wie realistisch ist die Vorstellung von interstellarer Raumfahrt wirklich?

Dieser Frage nähern sich Wissenschaftler weltweit im Rahmen ihrer Weltraumforschungen an. Wie so oft gehen dabei die Meinungen auseinander. Für den österreichischen Physiker Peter Schattschneider bleibt das interstellare Reisen doch nur ein Traum, da dem Menschen die nötige Technologie und Durchführungsmöglichkeit fehle. Wesentlich zuversichtlicher zeigen sich dagegen die beiden amerikanischen Professoren Philip Lubin und Joel Rothman. Für sie sind Weltraumreisen keine unerreichbare Zukunftsmusik.

Science-Fiction: Ein Traum für Wiener Physiker

Für Peter Schattschneider gibt es in den Science-Fiction-Geschichten über den Kontakt mit außerirdischen Zivilisationen ein grundlegendes Problem: die Antriebstechnik. So stellt sich die Frage, welches Antriebssystem die enormen Entfernungen zwischen den Sternen in einem Menschenleben überbrücken könnte. Mit gewöhnlichen Raketen, wie sie für Reisen zum Mond oder Mars verwendet werden, ist dies nicht möglich.

Daher gibt es allerlei mehr oder weniger spekulative Ideen dazu: Eine davon ist der „Ramjet-Antrieb“. Dabei sollen Protonen im interstellaren Raum eingefangen und dann für einen Kernfusionsreaktor verwendet werden.

Peter Schattschneider, Physiker an der TU Wien und Science-Fiction-Autor, hat dieses Konzept zusammen mit seinem Kollegen Albert Jackson aus den USA genauer analysiert. Das Ergebnis ist für Fans interstellarer Reisen zwiegespalten. So wie Robert Bussard, der Erfinder dieses Antriebssystems, es sich 1960 ausgedacht hat, kann es funktionieren, so die Forscher in ihrer Studie.¹ Die Menschheit habe jedoch nicht die Mittel, die nötigen technischen Mittel.

„Die Idee ist es wert, untersucht zu werden“, sagt Prof. Peter Schattschneider in einer Pressemitteilung. „Im interstellaren Raum gibt es hochverdünntes Gas, hauptsächlich Wasserstoff. […] Wenn man [dieses] mit Hilfe gewaltiger Magnetfelder vor dem Bug eines Raumschiffs wie in einem magnetischen Trichter einsammeln würde, dann könnte man damit einen Fusionsreaktor betreiben, um das Raumfahrzeug zu beschleunigen.“

Gewaltige Dimensionen notwendig

Im Jahr 1960 publizierte Robert Bussard eine wissenschaftliche Arbeit dazu. Neun Jahre später beschrieben Wissenschaftler ein solches Magnetfeld erstmals theoretisch. „Seither hat die Idee nicht nur Science-Fiction-Fans begeistert, sondern auch in der technisch-wissenschaftlichen Astronautik-Community für großes Interesse gesorgt“, so der Physiker. Schattschneider und sein Kollege nahmen die Gleichungen nun nach einem halben Jahrhundert genauer unter die Lupe.

Eine an der Technischen Universität Wien entwickelte Software stellte sich dabei unerwarteterweise als äußerst hilfreich heraus. So konnten die Physiker damit zeigen, dass das Grundprinzip des magnetischen Teilchen-Einfangs tatsächlich funktioniert. In dem vorgeschlagenen Magnetfeld lassen sich Teilchen aufsammeln und in einen Fusionsreaktor leiten. Damit kann eine beträchtliche Beschleunigung erzielt werden – bis in den Bereich der Lichtgeschwindigkeit.

Wenn man allerdings die Größe des magnetischen Trichters berechnet, schwindet die Hoffnung auf einen Besuch in der Nachbargalaxie schnell. Um einen Schub von 10 Millionen Newton zu erzielen – das entspricht zweimal dem Hauptantrieb eines Spaceshuttles – müsste der Trichter einen Durchmesser von knapp 4.000 Kilometer haben. Eine technisch weit fortgeschrittene Zivilisation könnte so etwas vielleicht bauen. Das größere Problem ist jedoch die notwendige Länge der Magnetfelder: Der Trichter müsste rund 150 Millionen Kilometer lang sein. Dies entspricht dem Abstand zwischen Sonne und Erde.

Für Schattschneider ist der Ramjet-Antrieb zwar eine interessante Idee, jedoch bleibt er für ihn auch in Zukunft nur Teil der wissenschaftlich fundierten Science-Fiction-Literatur. Wenn der Mensch eines Tages seine kosmischen Nachbarn besuchen möchten, muss er sich wohl etwas anderes einfallen lassen.

Licht von der Erde als Treibstoff im All

Diese andere Idee liefern der experimentelle Kosmologe Philip Lubin und Joel Rothman, Professor für Biotechnologie, von der Universität von Kalifornien in Santa Barbara. Rothman und sein Kollege überlegten dafür, was der Mensch auf seiner weiten Reise durch die Galaxien benötigt. Die größte Herausforderung für interstellare Reisen in menschlichem Maßstab ist die enorme Entfernung zwischen der Erde und den nächstgelegenen Sternen.

Zwar bewiesen die Voyager-Missionen bereits, dass Objekte knapp 20 Milliarden Kilometer weit und bis an den Rand unserer Galaxie geschickt werden konnten, jedoch waren die autogroßen Sonden trotz einer Geschwindigkeit von mehr als 55.000 Kilometer pro Stunde insgesamt 40 Jahre unterwegs. Dies ist allerdings nur ein Bruchteil der Entfernung bis zum nächsten Stern. Möchte man diesen erreichen, bräuchte man mit der derzeitigen Technologie über 80.000 Jahre. Dieses Defizit zu beheben, steht im Mittelpunkt von Lubins Arbeit.

Der herkömmliche chemische Antrieb an Bord von Raketen scheidet aus, da er nicht genug Energie liefern kann. Außerdem sind das Gewicht und die derzeitigen Antriebssysteme nicht tragfähig genug, um ansatzweise Lichtgeschwindigkeit erreichen zu können. Es werden also neue Antriebstechnologien benötigt: Zum Beispiel gebündeltes Licht, dass als „Treibstoff“ verwendet wird.

Hierfür sieht das Physikerteam die Nutzung von Robotern und der Photonik vor. So sollen kleine, mit allen möglichen Instrumenten ausgestattete Sonden durch einen Laserarray in den Weltraum „geschossen“ werden. Diese Laserarrays können auf der Erde oder dem Mond stationiert sein und die mit Licht „betankten“ Sonden auf bis zu 20 bis 30 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen.

„Das bedeutet, dass das primäre Antriebssystem ‚zu Hause‘ bleibt, während die Raumfahrzeuge mit relativistischen Geschwindigkeiten ‚hinausgeschossen‘ werden. Der Hauptantriebslaser wird für eine kurze Zeit eingeschaltet und dann wird die nächste Sonde für den Start vorbereitet“, so die Forscher in ihrer Studie

Erste Lebewesen auf Galaxie-Reise wären nicht die Menschen

Die Sonde wäre dabei mit allerlei Schutz vor kosmischer Strahlung und dem Staubbombardement auf ihrem Weg durch das Universum ausgestattet. Zudem wäre sie zu Beginn nur wenige Gramm schwer und „wahrscheinlich so groß wie eine Hand“. Mit der Weiterentwicklung des Programms forschen die Wissenschaftler an größeren und leistungsfähigeren Raumfahrzeugen. So kann die Kerntechnologie in abgewandelter Form auch dazu verwendet werden, größere Raumfahrzeuge mit geringerer Geschwindigkeit anzutreiben. Dies ermögliche eine Reise zum Mars in nur einem Monat.

Bei Geschwindigkeiten von etwa 160 Millionen Kilometer pro Stunde könne man das nächste Sonnensystem, Proxima Centauri, innerhalb von 20 Jahren erreichen. Doch dafür bedarf es kontinuierliche Innovationen und Verbesserungen in vielen wissenschaftlichen Bereichen. Weiterhin sieht Rothman die Möglichkeit, die kleinen Raumfahrzeuge mit lebenden Passagieren auszustatten.

Dabei könnte es sich – zunächst – um Kreaturen namens C. elegans handeln, die Rothman seit Jahrzehnten erforscht. „Diese intensiv erforschten Spulwürmer mögen klein und unscheinbar sein, aber sie sind sehr bemerkenswerte Lebewesen“, so Rothman. Diese winzigen Lebewesen sind bereits Veteranen der Raumfahrt, da sie schon lange auf Raumstationen erforscht werden. Außerdem überlebten sie im Gegensatz zu den sieben menschlichen Besatzungsmitgliedern den tragischen Absturz der Raumfähre Columbia im Jahr 2003.

Zu den besonderen Fähigkeiten der Tierchen gehört, dass sie in einen Schwebezustand versetzt werden können. Dabei kommen praktisch alle Stoffwechselfunktionen zum Erliegen. Tausende dieser winzigen Lebewesen könnten also in einen Scheintod versetzt und in diesem Zustand bis zum gewünschten Zielort geflogen werden. Dort angekommen werden sie „aufgeweckt“ und genau beobachtet, ob sich die interstellare Reise auf ihre Biologie ausgewirkt hat. Per photonischer Kommunikation gelangen diese Informationen schließlich zu uns auf die Erde. Die Auswirkungen solch langer Odysseen auf die Biologie der Tiere ermöglicht den Wissenschaftlern dann, auch auf mögliche Auswirkungen auf den Menschen schließen zu können.

Reise ohne Rückfahrticket

Die Forscher geben zu, dass interstellares Reisen für den Menschen grundsätzlich möglich sein könnte, allerdings die Realität noch ein weit entfernter Traum ist. Gleichzeitig betonen sie, dass künftig vielleicht geeignetere Lebensformen oder Mensch-Maschinen-Hybride geschaffen werden, die widerstandsfähiger und somit besser für derartige Reisen geeignet wären. Zudem wäre eine derartige Reise nach bisherigen Stand eine Reise ohne Wiederkehr (und Happy End).

So erklären die Forscher, dass die Sonden bei einem Eintritt in die Atmosphäre eines anderen Planeten verglühen oder bei einem Aufprall auf dessen Oberfläche zerstört würden. Außerdem fliegen sie nur in eine Richtung, weshalb es keine Möglichkeit gäbe, zur Erde zurückzukehren. Ein weiterer Punkt, in dem die Science-Fiction-Protagonisten uns einen Schritt voraus sind.

Bis dahin muss die Frage offen bleiben, ob innerhalb oder außerhalb unserer Galaxie Leben, wie wir es kennen, existiert oder wie es weit entfernt von unserer Galaxie aussieht. „Einige Menschen haben bereits über Ideen wie ‚ist das Universum ein Laborexperiment einer fortgeschrittenen Zivilisation‘ nachgedacht und Arbeiten dazu veröffentlicht“, so Lubin. „Die Menschen sind also durchaus bereit, über fortgeschrittene Zivilisationen nachzudenken.“

Weiterhin wird derzeit in der breiteren Weltraumforschungsgemeinschaft eine ethische Frage diskutiert. Ist es ethisch vertretbar, Menschen zum Mars oder anderen weit entfernten Orten zu schicken, obwohl man weiß, dass sie vielleicht nie wieder zurückkommen? Was ist mit dem Aussenden von kleinen Mikroorganismen oder menschlicher DNA? Auch dafür hat Rothman eine Antwort: „Ich denke, wir sollten und werden die Entdeckungslust, die unserer Natur innewohnt, nicht unterdrücken.“

Quellen:

(1) Schattschneider, Jackson (2022); doi.org/10.1016/j.actaastro.2021.10.039

(2) Lantin et al. (2022); doi.org/10.1016/j.actaastro.2021.10.009

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 31, vom 12. Februar 2022.



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