„Beyond Growth“: EU will los vom „Wachstumszwang“ – und der „weißen Vorherrschaft“

Neben mehr als 4.000 Gästen begrüßten auch führende EU-Politiker die „Beyond Growth 2023“-Konferenz im EU-Parlament. Der „Wachstumszwang“ wurde zum einigenden Feindbild.
Eine Demonstration der Bewegung «Fridays for Future» in Hannover.
Die „Fridays for Future“-Bewegung gehört zu den namhaftesten Protagonisten der jährlichen „Beyond Growth“-Konferenz.Foto: Ole Spata/dpa
Von 23. Juni 2023

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Namhafte Spitzenvertreter der EU hatten sich angesagt, als im Mai die diesjährige Konferenz „Beyond Growth“ („Jenseits des Wachstums“) im Gebäude des Europäischen Parlaments stattfand. Organisiert hatten die Konferenz 20 Mitglieder des EU-Parlaments. Unterstützung fand sie allerdings auch bei Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. Neben ihr und mehr als 4.000 weiteren Gästen war auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen selbst mit von der Partie.

„Beyond Growth“ will „Wachstumszwang“ insgesamt infrage stellen

Diese erklärte in einem Redebeitrag das „fossile Wachstumsmodell“ für „schlichtweg obsolet“. Wie „Euronews“ berichtete, gehen die Ambitionen von „Beyond Growth“ jedoch noch weit darüber hinaus.

Drei Tage lang ging es um ein Ende des „Wachstumszwangs“ als solchem – und die EU solle auf diesem Weg den Vorreiter spielen. Eine von „Euronews“ selbst organisierte Debatte und ihre Teilnehmer machten dabei exemplarisch deutlich, wohin die Reise gehen soll.

Die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende im EU-Parlament, Marie Touissant, beklagt den Klimawandel, die Zerstörung der Artenvielfalt, giftige Substanzen und das „Wasserproblem“. Angeheizt hätte all dies „das Streben nach Profit, dieses Wachstumsdogma, das angeblich alles Glück der Welt bringen soll“.

Unternehmen und Politik würden diesem hinterherjagen – dabei sei doch zu sehen, dass „das nicht funktioniert“. Stattdessen gefährde es „das Überleben der Menschheit und vieler anderer Arten“, und das Problem der sozialen Ungleichheit löse es auch nicht.

Dissonanzen zwischen europäischen und deutschen Gewerkschaften

Ludovic Veut vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) umreißt demgegenüber ein neues Selbstverständnis der Gewerkschaften. Ihre Rolle habe immer darin bestanden, „menschliche Grenzen zu setzen“, um die Rechte der Arbeitnehmer zu schützen. Nun gehe es auch darum, „die Grenzen des Planeten zu setzen“ – und dabei einen „gerechten Übergang“ zu finden, der für die Arbeitnehmer akzeptabel sei. Dies widerspreche „natürlich […] der Logik des schnellen Profits“.

Veuts Tonlage unterscheidet sich dabei nicht unerheblich von jener der Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi. Diese hatte zuletzt mehrfach vor Deindustrialisierung unter dem Banner des Klimaschutzes gewarnt. Es wäre „ökonomischer Selbstmord“, so die Gewerkschafterin, sich „quasi vom Exportland zum Importland zu wandeln“, äußerte sie in diesem Zusammenhang.

Sie wies Forderungen zurück, „dass wir uns über einen industriellen Rückbau ökologisch gesundschrumpfen“. Stattdessen trat sie für eine Ausweitung von Investitionen und qualitatives Wachstum ein.

Gleichheit am besten durch politisch gesteuerte „Schrumpfung“ zu erreichen

Noch radikaler als grüne Politiker formulierten Vertreter der NGOs ihre Vorstellungen zum Ende des „Wachstumszwangs“. Junge Menschen seien, so die belgische „Fridays for Future“-Aktivistin Anuna De Wever, „nicht wirklich vom Wachstum besessen“. Man sehe, dass dieses Konzept „viel mehr Schaden als Nutzen angerichtet“ habe. Wachstum sei also etwas, „das wir aktiv bekämpfen“. Zudem sei, wenn es um die Herstellung von Gleichheit gehe, „Schrumpfung ein grundlegendes Element davon“.

Der französische Schriftsteller Timothée Parrique erklärt auch gleich die Idee eines „grünen Wachstums“ für gescheitert. Dies solle auch der IPCC-Bericht „als Tatsache anerkennen“. Es sei an der Zeit, eine „demokratisch geplante Reduzierung von Produktion und Konsum“ in reichen Ländern zu organisieren. Diese müsse man „gerecht gestalten“.

Kritische Stimmen waren nicht zu verzeichnen. Zwar gibt es reichlich empirische Nachweise dafür, dass freie und marktwirtschaftliche Länder eine ungleich bessere Ökobilanz aufweisen als totalitäre Kommandowirtschaften. Einzig war das Interesse von Organisatoren und Besuchern der „Beyond Growth“-Konferenz daran, dies zur Kenntnis zu nehmen, enden wollend.

EU zwingt Afrika den Verzicht auf „Wachstumszwang“ gegen dessen Willen auf

Stattdessen zählte NGO-Aktivistin De Wever zu den Stars der Konferenz und erhielt tosenden Beifall, als sie die „Umverteilung des Wohlstandes“ und die Begleichung der „Klimaschuld“ einforderte. Diese stellt nach Auffassung radikaler Klimaschutz-Bewegungen die Konsequenz aus der Industrialisierung des Nordens dar. Statt den Ländern auf der Südhalbkugel die Chance zu eröffnen, sich selbst Wohlstand zu schaffen, soll dem Norden etwas von seinem genommen werden.

Ein „universelles Grundeinkommen“ solle die Folgen von Härten des „ökologischen Umbaus“ der Welt ausgleichen. Dies alles, so De Wever, sei „natürlich nur dann möglich, wenn wir die weiße Vorherrschaft zerstören“.

Im Regelfall ist es eher so, dass der weiße reiche Kontinent Europa Mitentscheidungsbefugnis bei der Wirtschaftsentwicklung afrikanischer, asiatischer oder lateinamerikanischer Länder beansprucht. Sehr zum Leidwesen zahlreicher Entscheidungsträger vor Ort, die Öl und Gas als erforderlichen Bestandteil einer wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung betrachten.

Die EU hatte sogar mehrfach versucht, proaktiv Entwicklungsprojekte in Afrika zu verhindern, weil diese auf Öl und Gas setzten. Unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine wollte man hingegen selbst Gas aus Afrika beziehen.

NGOs als bestimmende Kraft in Brüssel

Die „Beyond Growth“-Konferenz ist mitnichten nur eine Echokammer-Veranstaltung radikaler Öko-Ideologen. Dass EU-Spitzenpolitiker wie von der Leyen oder Metsola ihr im Gebäude des EU-Parlaments die Aufwartung machen, unterstreicht deren Bedeutung. Obwohl die Grünen als Partei auch im EU-Durchschnitt kaum mehr als zehn Prozent der Bevölkerung vertreten, ist deren Deutungshoheit intakt.

Dies ist auch eine Konsequenz der Macht, die sogenannte NGOs in Brüssel haben. Deren Narrativ lautet regelmäßig, sie müssten dem vermeintlich hohen Einfluss traditioneller Wirtschaftslobbys entgegenwirken. Tatsächlich sind sie in vielen Fällen selbst die Lobbyisten, die alle Register ziehen, um der Politik ihre Agenda aufzuzwingen. Die EU als elitäres Top-Down-Projekt eignet sich dafür auch augenscheinlich gut.

Im Jahr 2011 hat der Senior Fellow des US-amerikanischen Thinktanks Hudson Institute, John Fonte, dies auch als einen wesentlichen Unterschied zu Ländern wie den USA ausgemacht. In seinem Buch „Sovereignty or Submission: Will Americans Rule Themselves or be Ruled by Others?” erklärt er die Funktion von NGOs. Diese seien eine treibende Kraft bei der Entmachtung souveräner Staaten und ihrer demokratischen Ordnungen zugunsten nicht kontrollierbarer supranationaler Institutionen.

Im Regelfall, so Fonte, regierten „Nichtregierungsorganisationen“ deshalb nicht, weil ihre Agenda zu extrem sei, auf nationaler Ebene demokratische Mehrheiten zu erzielen. Deshalb blieben ihnen nur Druck über die Medien und Lobbyismus in supranationalen Organisationen als Einflussoptionen.



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