
Von der Niederlage zum Tag der Befreiung
Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht bedingungslos. Dieser Tag markiert das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa. 80 Jahre danach feiern die damaligen Alliierten ihren Sieg über Nazi-Deutschland. Hierzulande gibt es Gedenkstunden, Ausstellungen und Reden. Wie feiern die Sieger und wie gedenken die Besiegten?

Am 2. Mai 2025 in Berlin: Menschen betrachten eine Fotoausstellung vor dem Brandenburger Tor, die Deutschland und Berlin in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs zeigt. Berlin hält vom 2. bis 8. Mai, dem Tag der Kapitulation Nazi-Deutschlands, Gedenkfeiern zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs ab.
Foto: Sean Gallup/Getty Images
Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa – Japan kapitulierte erst am 2. September 1945 – wird je nach Sicht der Betrachter unterschiedlich bezeichnet.
„Tag des Sieges“ heißt er in Russland und fällt zudem auf den 9. Mai, weil die Kapitulation der deutschen Oberkommandierenden von Heer, Marine und Luftwaffe im sowjetischen Hauptquartier in Berlin-Karlshorst nach Moskauer Zeit erst nach Mitternacht in Kraft trat.
Zuvor kapitulierte schon Generaloberst Alfred Jodl als Chef des Wehrmachtführungsstabes am 7. Mai gegenüber den Westalliierten im französischen Reims.
„Victory in Europe“ (VE-Day) nennen diesen Tag die Briten, Amerikaner und Kanadier.
In Frankreich ist vom „Fest des Sieges“ oder vom „Kriegsende“ die Rede, ein Begriff, der lange auch in der BRD verwendet wurde. Hier wurde zudem auch von der „Niederlage Deutschlands“ gesprochen, während in der DDR vom „Tag der Befreiung“ die Rede war.
Diese Begriffsbezeichnung hat nach der Wiedervereinigung Eingang gefunden in den allgemeinen Sprachgebrauch der deutschen Politik und weiten Teilen der deutschen Medien. Wie gestalten sich nun die Siegesfeiern und Gedenktage im Einzelnen?
Tag des Sieges: Drei Tage Frieden?
Für Moskau ist der 9. Mai mehr als nur eine Siegesfeier. Seitdem Wladimir Putin Präsident Russlands geworden ist, avancierte der Gedenktag zum wichtigsten Feiertag des Landes, an dem die militärische Macht zur Schau gestellt wird. Panzer und Raketen rollen in Militärparaden durch die Prachtstraßen von Sankt Petersburg und Moskau.
Putin hat zudem diesmal eine dreitägige Kampfpause für seine Truppen in der Ukraine angeordnet. Zudem wurden mehr als 20 ausländische Staatschefs eingeladen. Darunter der chinesische Staatschef Xi Jinping. Während einige Regierungschefs unter Verweis auf ihren schlechten Gesundheitszustand die Einladung ausschlugen und Indiens Premierminister Narendra Modi darauf verwies, dass er zu Hause im Konflikt mit Pakistan unabkömmlich sei, reist Xi nach Medienangaben bereits am Mittwoch, 7. Mai, zu einem viertägigen Besuch an.
Es sollen am Rande der Feierlichkeiten mehrere Verträge zwischen beiden Ländern unterzeichnet werden. Bei den Gesprächen zwischen Putin und Xi dürfte es aber auch um den Krieg in der Ukraine gehen. China hat sich in dem Konflikt international als neutral präsentiert. Westliche Regierungen und die Ukraine hingegen sind überzeugt, dass Chinas Beziehungen zu Russland Putin entscheidende wirtschaftliche und diplomatische Unterstützung verschafft haben. Der Besuch des chinesischen Machthabers gibt Putin nun am symbolträchtigen „Tag des Sieges“ die Möglichkeit, seinen Landsleuten zu zeigen, dass Russland auf der Weltbühne nicht isoliert ist, genauso wie vor 80 Jahren.
Seit Beginn der Invasion der Ukraine Anfang 2022 erinnert die russische Regierung immer wieder an den Zweiten Weltkrieg und verbreitet das Narrativ: „Wir können es noch einmal tun.“ Ebenso ist das orange-schwarze Sankt-Georgs-Band, das den Sieg im Zweiten Weltkrieg symbolisierte, mittlerweile zu einem der bekanntesten Symbole auch für den Krieg Russlands in der Ukraine geworden und wird von Unterstützern getragen. In Deutschland, in den baltischen Staaten, in Georgien und Moldau ist deshalb das öffentliche Zurschaustellen des Bandes verboten.
Victory in Europe: Britische Ausgelassenheit
Straßenfeste, Paraden, Konzerte und Paradeflüge der Royal Air Force prägen die viertägigen Feierlichkeiten in Großbritannien. Auch König Charles III. sowie die weiteren Mitglieder des Königshauses nehmen teil. In den vier Nächten erstrahlen 2.500 Leuchtfeuer im ganzen Land. Die Briten wurden seitens ihrer Regierung aufgefordert, sich in Straßen, Gärten, Rathäusern, Klubs und Pubs zu versammeln, um den Jahrestag des Kriegsendes ähnlich zu feiern wie die Menschen vor 80 Jahren.
Die Feierlichkeiten wurden offiziell am Montag vor dem Parliament Square im Zentrum Londons eröffnet. Der Tag ist in Großbritannien ein Feiertag. Hier rezitierte der Schauspieler Timothy Spall die berühmte Rede des britischen Premierministers Winston Churchills, der sich am 8. Mai 1945 an seine Landsleute wandte, mit den Worten: „Meine lieben Freunde, dies ist eure Stunde. Dies ist kein Sieg einer Partei oder einer Klasse. Es ist ein Sieg der großen britischen Nation als Ganzes.“

Der britische Premierminister Keir Starmer und seine Frau Victoria Starmer veranstalten am 5. Mai 2025 in der Downing Street eine Straßenparty, um den 80. Jahrestag des VE-Day, auch bekannt als „Victory in Europe“, zu feiern, der das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa markiert.
Foto: Stefan Rousseau/Pool/AFP via Getty Images
Am 8. Mai gibt es im Beisein des Königs in der Westminster Abbey in London einen Gottesdienst, zu dem 1.800 Menschen eingeladen sind. Um 12 Uhr ist für alle Regierungsgebäude eine Schweigeminute angeordnet. Pubs dürfen am 8. Mai zwei Stunden länger geöffnet bleiben, damit die Gäste bis 1:00 Uhr morgens das Ende der viertägigen Feierlichkeiten begehen können.
Frankreich: Fest des Sieges
In Paris wird am 8. Mai der französische Präsident Emmanuel Macron eine inzwischen traditionelle Zeremonie auf den Champs-Élysées leiten, darunter eine Kranzniederlegung. Je nachdem, was für die Medien im Vordergrund steht, wird der Feiertag als „La fête de la victoire“ (Fest des Sieges) oder als „Le jour de la libération“ (Tag der Befreiung) begangen. Im ganzen Land gibt es Paraden und Gottesdienste, und die Ortschaften sind mit Tausenden französischen Nationalfahnen geschmückt.
USA: Kein Feiertag
Die USA begehen den 80. Jahrestag eher nüchtern. In den USA ist der 8. Mai kein Feiertag. Vielmehr wird den Toten beider Weltkriege stets am „Veterans Day“ gedacht. Dieser erinnert jährlich am 11. November an das Ende des Ersten Weltkriegs. Am diesjährigen 8. Mai versammeln sich Veteranen aller Kriege, die die USA seit 1945 geführt haben, sowie Regierungsvertreter am „World War II Memorial“ in Washington, D.C. Dort werden Kränze zum Gedenken an die mehr als 400.000 Amerikaner niedergelegt, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren haben.
Tag der Befreiung: Nicht für die deutschen Frauen
Das Thema Massenvergewaltigung deutscher Mädchen und Frauen durch Soldaten der Siegermächte war lange ein Tabu, berichtete der „Deutschlandfunk“ vor zehn Jahren zum 70. Gedenken an den Zweiten Weltkrieg. In diesem Jahr scheint das Thema der sexuellen Gewalt an deutschen Kindern und Frauen nun doch wieder „tabu“ zu sein. Zumindest gibt es dazu keine bekannten Rückblicke. Die Alliierten befreiten die KZ-Häftlinge und Deutschland als Nation vom Nationalsozialismus, aber sie vergingen sich auch an etwa 900.000 Mädchen und Frauen in den Jahren 1945 und 1946, wie der MDR vor zwei Jahren berichtete.
Vor allem zum Ende des Krieges und in den Wochen nach der „Befreiung“ sind offenbar Vergewaltigungen durch alliierte Soldaten Alltag in deutschen Städten. Vor allem der Sowjetarmee hatte schon die NS-Propaganda nachgesagt, „besonders grausam“ zu sein. In Berlin ist deshalb die Angst der Frauen vor den Sowjetsoldaten so groß, „dass im April 1945 die Selbstmordzahlen mit 3.881 Suiziden einen traurigen Höhepunkt erreichen. Mit fast 100.000 Vergewaltigungen durch Soldaten der Roten Armee allein in Berlin werden die schrecklichen Befürchtungen dann zur bitteren Wahrheit. Viele Frauen werden mehrfach Opfer, manche mehr als ein Dutzend Mal“, berichtet der MDR.

Am 2. Mai 2025 in Berlin: Polnische Veteranen des Zweiten Weltkriegs nehmen an einer Gedenkveranstaltung in Berlin teil. Die 1. Polnische Armee war eine Einheit der sowjetischen Roten Armee, die im April 1945 die deutschen Verteidigungslinien um Berlin durchbrach und die Stadt einnahm.
Foto: Sean Gallup/Getty Images
Gedenken in Berlin: Kränze, Reden
Die deutsche Hauptstadt würdigt den 80. Jahrestag des Kriegsendes mit einem einmaligen Feiertag im Land Berlin und einer Themenwoche vom 2. bis zum 11. Mai mit mehr als hundert Veranstaltungen. Im Mittelpunkt steht die Open-Air-Ausstellung „Endlich Frieden?!“ auf dem Pariser Platz. Sie will einen historischen Eindruck von den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs vermitteln.
Der Berliner Senat lädt zum Gedenken an das Kriegsende keine offiziellen Vertreter anderer Staaten ein. Als Begründung wird der andauernde Krieg in der Ukraine genannt. Es gibt jedoch zahlreiche Kranzniederlegungen, zum Beispiel an den drei sowjetischen Ehrenmalen – im Treptower Park, im Tiergarten und in der Schönholzer Heide.
An der Neuen Wache, der zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland, gibt es eine Zeremonie der Kranzniederlegung durch die Repräsentanten der höchsten Ämter der Bundesrepublik Deutschland mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der Präsidentin des Deutschen Bundestages, Julia Klöckner, des neugewählten Bundeskanzlers Friedrich Merz, der Präsidentin des Bundesrates, Anke Rehlinger, sowie des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth. Die Bundeswehr stellt Ehrenposten vor der Neuen Wache.
Auch der Bundestag erinnert „an das Ende des Zweiten Weltkriegs und die nationalsozialistische Gewaltherrschaft in Europa“, heißt es in einer Pressemitteilung des Deutschen Parlaments. Im Rahmen einer Gedenkstunde im Reichstagsgebäude sprechen unter anderem Klöckner und Steinmeier. Das Parlamentsfernsehen überträgt die Gedenkstunde live auf www.bundestag.de.
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