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Licht in dunkler Zeit

Über die Kraft des Schreibens: Hoffnungsvolle Sehnsucht von Ovid

Der im Exil lebende römische Dichter Ovid zeigte seinen Lesern, welche Kraft geschriebene Worte haben, um aus Leid Hoffnung zu schöpfen.

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Statue des Ovid im italienischen Sulmona.

Foto: Angelo D'Amico/iStock

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Lesedauer: 11 Min.

Sandro Botticellis „Geburt der Venus“ wurde von einem Dichter im Exil inspiriert. Ovid, der gezwungen war, die letzten zehn Jahre seines Lebens fern der Heimat zu verbringen, hat nie aufgehört zu schreiben. Seine Werke aus dem Exil zeigen den Lesern, welche Kraft die Literatur hat, um aus Leid Hoffnung zu schöpfen.

„Geburt der Venus“ von Sandro Botticelli (1445–1510), etwa 1485 entstanden. Tempera auf Leinwand, 172,5 x 279 cm.

Ein Gedicht und ein Fehler

Im Jahr 8 n. Chr. wurde der 50-jährige Publius Ovidius Naso, heute bekannt als Ovid, aus Rom verbannt. Hat er Kaiser Augustus beleidigt, der sein Werk gefördert hat? Hat er ein Verbrechen begangen? Man weiß es nicht.
Ovid sagte, der Grund für seine Verbannung sei „carmen et error“ – „ein Gedicht und ein Fehler“. Möglicherweise bezog er sich auf „Ars amatoria“, eine heitere Lehrrede darüber, wie ein Mann zahlreiche Damen für sich gewinnen kann. Die römischen Behörden interpretierten das Buch vielleicht als Förderung des Ehebruchs, der damals seit Kurzem mit Verbannung bestraft werden konnte.
Büste von Ovid

Büste des römischen Dichters Ovid (43 v. Chr.–17 n. Chr.).

Der römische Dichter versicherte seinen Lesern, dass sein Tun nicht illegal sei, obwohl er sagte, es wiege „schwerwiegender“ als Mord. Gelehrte vermuten, dass er einen unbedeutenden Vorfall ausnutzte, um seine Karriere zu fördern.
Es ist auch möglich, dass Ovid von einer Verschwörung gegen Augustus wusste, dem Kaiser aber nichts davon erzählte. In jedem Fall war der Dichter gezwungen, alles und jeden, den er liebte, zurückzulassen. Im Jahr 2017 hob die Stadt Rom seine Verbannung offiziell auf.

Ovid produktiv im Exil

Ovids berühmtestes Werk sind die „Metamorphosen“ – eine Sammlung von Mythen in Form eines Gedichtes. Laut Paul Barolsky, Professor für Kunst und Literatur an der University of Virginia, ist es nach der Bibel „das am meisten illustrierte Buch der Antike“.
Das Gedicht enthält 250 Erzählungen, die die Geschichte der Welt von ihrer Entstehung bis zur Vergöttlichung Julius Cäsars darstellen. Von Orpheus’ kläglicher Liebe zu der schönen Eurydike bis zum tragischen Ende des selbstverliebten Narziss. Die bedeutendsten Versionen dieser populären Geschichten stammen alle von Ovid.
Die vielleicht größte Metamorphose durchlebte Ovid mit seiner Verbannung. Er wurde in die abgelegene Küstenstadt Tomis, dem heutigen Constanța in Rumänien geschickt, wo er außer dem Schreiben wenig tun konnte.
Gemälde zur Verbannung von Ovid von William Turner

„Antikes Italien – Ovid wird aus Rom verbannt“, gemalt von William Turner (1775–1851).

Verständlicherweise beklagte Ovid seine neue Situation. Seine Frau blieb in Rom, und niemand konnte ihn besuchen. Er musste sich an ein viel kälteres Klima gewöhnen, das seine Einsamkeit noch verstärkte. Er schrieb lebhafte Briefe an Freunde und Feinde, die ihm halfen, die Struktur der Aristokratie im neu entstehenden Römischen Kaiserreich zu erkennen.
„Ibis“, eines der Werke, die er in Tomis schrieb, ist eine bösartige Verleumdung gegen einen ungenannten Feind, von dem Ovid glaubte, er sei für seinen Untergang verantwortlich. Trotz Spott und Zorn enthält die aus seinem Exil hervorgegangene Dichtung auch hoffnungsvolle Aussagen über seine geliebte Frau, seine schmerzlich vermisste Heimat und seine mögliche Rückkehr.

Wunsch nach einer göttlichen Wendung

Das Schreiben half Ovid, sein einsames Leben zu bewältigen. Tomis lag im Königreich Thrakien, einem Klientelstaat des Römischen Reiches. Die Einheimischen sprachen kein Latein. Für einen Dichter, dessen Welt sich um die Sprache drehte, war das ein schwerer Rückschlag. Unfähig, sich zu verständigen, wandte sich Ovid noch intensiver als zuvor dem Schreiben zu. Obwohl er den Niedergang seiner dichterischen Kräfte beklagte, sind die Werke, die er in Tomis schrieb, ebenso lebendig wie seine früheren.
Ovid wusste, dass er kein Held war – dennoch erkannte er sich in Odysseus und Aeneas wieder, zwei Symbolfiguren des Exils und einer langen Reise. In einem Gedicht mit dem Titel „Sturm und Gebet“ kommentiert er das turbulente Leben des Aeneas: „Es gab Hass für Aeneas“. Juno – die Göttin der Liebe und der Ehe – stellte sich gegen den legendären Gründer Roms, indem sie sich mit seinem Feind Turnus verbündete. Dieser versuchte, den Untergang des Aeneas durch die Sabotage seiner Italienreise herbeizuführen.

„Flucht des Aeneas aus Troja“, gemalt von Federico Barocci (1535–1612).

Dasselbe geschah mit Odysseus, den Neptun – der Gott des Meeres – auf seinem Heimweg nach dem Trojanischen Krieg hart bestrafte. Doch Ovid erinnerte die Leser daran, dass Aeneas „durch die Macht der Venus gerettet wurde“ und es ihm so möglich war, Rom zu gründen. Außerdem wurde Odysseus durch Minerva gerettet und schaffte es schließlich nach Hause.
Ovid dachte über diese mythischen Helden und ihre Reisen nach, um seine Hoffnung, wieder nach Hause zurückzukehren, aufrechtzuerhalten: „Und obwohl ich anders bin als sie, wer hindert eine göttliche Macht daran, mir gegen den zornigen Gott zu helfen?“. Ovid wünschte sich, dass eine höhere Macht in sein Leben eingreift, damit er bald in seiner Heimat wieder mit den Liebsten vereint wäre.

Vom Winter zum Frühling

Ovid fand auch Trost in der ungewohnten, aber reizvollen Landschaft von Tomis. In „Frühling in Tomis“ beobachtete er, dass „fröhliche Jungen und Mädchen die Veilchen pflücken, die wild auf den Feldern sprießen, die Wiesen in bunter Blütenpracht erblühen, die schwatzenden Vögel aus ungeschulten Kehlen ein Frühlingslied anstimmen“.
Als der strenge Winter dem sanften Frühlingssprießen Platz machte, nahmen die Seeleute ihre Reisen wieder auf. Ovid fragte sich, wo ihre Fahrten sie hingeführt hatten. „Eifrig laufe ich dem Seemann entgegen, und wenn ich ihn begrüßt habe, frage ich ihn, warum er kommt, wer und von welchem Ort er ist.“
Wenn er „mit griechischer oder römischer Sprache sprechen kann – letztere ist sicher die schönere –, wer auch immer er ist, kann er vielleicht ein Gerücht wahrheitsgetreu erzählen, einen Bericht mitteilen und weitergeben“.
Portrait des jungen Ovid

Modernes Porträt des jungen Ovid als römischer Bürger lange vor seiner Verbannung.

Der Dichter brannte vor Sehnsucht nach Neuigkeiten aus der Heimat. Er betete, „dass nicht hier mein Herd und meine Heimat sein möge, sondern nur die Herberge meiner Strafe“. Ovid benutzte seine Verse, um den Gedanken an die Heimat zu bewahren und so am Leben festzuhalten.
Leider gingen Ovids Wünsche nicht in Erfüllung. Er schaffte es nicht bis nach Rom und starb, ohne seine geliebte Frau je wieder gesehen zu haben. Doch er ließ sich nicht von seiner einsamen, trauernden Sehnsucht überwältigen. Das Schicksal hielt ihn gefangen, aber sein Geist klammerte sich an die Freiheit: „Der Heimat beraubt, deiner und meiner Heimat, all dessen beraubt, was mir genommen werden könnte, ist mein Geist dennoch mein Kamerad und meine Freude.“

Dem Leiden einen Sinn abgewinnen

Ovids Werke aus dem Exil inspirierten viele Menschen, die sein Schicksal teilten. Der umstrittene Philosoph Seneca zum Beispiel schrieb einen tröstenden Brief an seine Mutter Helvia, nachdem Kaiser Claudius ihn nach Korsika verbannt hatte. Seneca erzählte Helvia, dass er die meiste Zeit mit Schreiben, Lesen und Meditieren verbrachte, um seinen Schmerz in Schach zu halten. Wie Ovid berief er sich auf Aeneas und deutete seiner Mutter an, dass jeder Mensch im Exil lebt, da jeder mit der Trennung von Freunden, Familie oder Heimat konfrontiert ist.
Der russische Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn fand einen ähnlichen Trost im Schreiben. Als er in einem Arbeitslager in Ekibastus inhaftiert war, nachdem die Behörden ihn wegen seiner Kritik an Stalin verbannt hatten, schrieb er ein Gedicht, um seine Mitgefangenen zu ermutigen, „ein erleuchtetes Inneres“ zu kultivieren, das seiner Meinung nach „der erhabenste Edelstein aller irdischen Edelsteine“ ist. Wenn es hart auf hart kam, konnte zumindest die Literatur die Seele erhellen.
Wie zahllose andere Schriftsteller hat auch Ovid Gedichte verfasst, um über sein Exil nachzudenken und dessen Folgen zu bewältigen. Ja, er machte oft seinem Zorn über die Mächte Luft, die ihm sein Schicksal diktierten. Aber er bot den Lesern auch ehrliche Einblicke in die Hoffnung, die ihn am Leben hielt. Fern der Heimat, in der Fremde der Liebe beraubt, ließ Ovid seine Fantasie schweifen, während seine Feder ängstlich gegen die Verzweiflung ankämpfte – um das Licht am Brennen zu halten.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „On the Power of Writing: Ovid’s Hopeful Longing“. (redaktionelle Bearbeitung kms)

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