Entdeckung nahe Pompeji: Villa des ersten Kaisers und Hinweise auf Platons Grab

79 nach Christus fegte eine heiße Gas- und Aschewolke über die römischen Städte Pompeji und Herculaneum und löschte alles Leben aus. Deren Spuren graben noch heute Archäologen in einer Tiefe von bis zu 15 Metern aus – darunter die Villa des ersten römischen Kaisers und Platons Grab.
Titelbild
Römische Villen, wie diese aus Pompeji, sind immer mit kunstvollen Fresken und Mosaiken verziert.Foto: Symbolbild, Valerio Bonaretti/iStock
Von 24. Mai 2024

In den 1890er-Jahren gingen die Bewohner von Somma Vesuviana am Nordrand des geschichtsträchtigen Vulkans Vesuv ihrer Arbeit auf den umliegenden Feldern nach. Doch dabei störte sie irgendwann das gebogene Ziegelmauerwerk, dass sich auf ihren Ländereien befand. Der Besitzer des Ackers griff deshalb kurzerhand zu Dynamit und sprengte das unbeliebte Hindernis, um seine Arbeit wiederaufzunehmen und ungestört fortsetzen zu können.

Was der Landbesitzer nicht wusste: Dieses Mauerwerk war nicht der Rest von irgendeinem alten Bauernhaus, sondern das einer kaiserlichen Villa. Mit ihrem zweiten Entdecker – ebenfalls ein italienischer Bauer – hatte die historische Villa mehr Glück. Denn als der Landwirt 1929 durch Zufall auf das im Feld vergrabene Teil der Villa stieß, wurden die örtlichen geschichtskundigen Fachleute gerufen.

Anschließende Ausgrabungen offenbarten eine extravagante Villa, die sofort dem ersten Kaiser des Römischen Reiches zugeschrieben wurde. Doch lebte hier wirklich einer der berühmtesten Römer?

Villa von Augustus

Ein Archäologe steht neben einer Säule, die die Ausmaße der antiken Villa zeigt. Foto: Institute for Advanced Global Studies, CC-BY-ND

Nachdem Archäologen in den frühen 1930er-Jahren erstmals die historische Stätte untersucht hatten, wurde es jedoch erneut still um die Villa. Die damalige finanzielle Situation ließ keine weiteren Forschungen zu.

Villa in 15 Metern Tiefe

Dies änderte sich 2002, als die Universität Tokio in Zusammenarbeit mit lokalen Archäologen ein interdisziplinäres Projekt zur vollständigen Ausgrabung der Villa startete. Seitdem legten die Archäologen zahlreiche römische Gegenstände, wunderschöne Marmorstatuen sowie ein großes Gebäude mit verschiedenen Räumen, Wandmalereien, Stuckreliefs und Mosaiken frei.

In der Villa gefundene Marmorstatue

Ein gespenstischer Anblick in der archäologischen Stätte: Das Gesicht einer Statue des Gottes Dionysos, das in mühsamer Kleinarbeit von Jahrtausende alten Ablagerungen befreit wird. Foto: Institute for Advanced Global Studies, CC-BY-ND

„Seit dem 18. Jahrhundert werden Ausgrabungen rund um den Vesuv durchgeführt. Es war bekannt, dass unter der Asche und dem Schutt des größten Ausbruchs im Jahr 79 n. Chr. verschiedene römische Artefakte begraben lagen“, sagte Kohei Sugiyama, Archäologe an der Universität Tokio.

Doch leicht zu finden oder zu bergen waren sie nicht. Bei ihren Ausgrabungen mussten die Archäologen auch schwere Maschinen einsetzen, um bis zu 15 Meter tief zu graben und große Felsbrocken bewegen zu können.

Amphoren in der Villa

Amphoren, die durch den Vulkanausbruch begraben wurden, geben Aufschluss über das Ausmaß der vulkanischen Schäden an der Villa. Foto: Institute for Advanced Global Studies, CC-BY-ND

Doch wer wohnte nun in dieser reichen Villa? War es wirklich Gaius Octavius (63 v. Chr. – 14 n. Chr.), der zum ersten römischen Kaiser wurde und fortan den Namen Augustus trug? Zumindest passen die Bauzeit und Ausstattung der Villa sehr gut zu Augustus.

So entdeckten die japanischen Forscher kürzlich einen Teil der römischen Villa, der deutlich vor der Mitte des ersten Jahrhunderts gebaut wurde. Zudem decken sich spezielle, in der Villa gefundene Artefakte mit jenen, die in zeitgenössischen Schriften bekannter römischer Schriftsteller wie Tacitus oder Sueton erwähnt werden.

Der „Augustus von Primaporta“ ist eine überlebensgroße Marmorstatue des ersten römischen Kaisers. Foto: Hein Nouwens/iStock

Viel Asche, wo keine sein sollte

Diese Ausgrabung ist auch deshalb von Bedeutung, weil Historiker bislang davon ausgingen, dass nur die Gebiete südlich des Vesuvs vom Vulkanausbruch betroffen waren.

Jene stark beschädigten antiken römische Städte sind heute weltberühmt: Pompeji und Herculaneum. Da die Villa aber nördlich des Vesuv im Tal der Somma Vesuviana liegt, hätte sie nach bisherigem Wissensstand nicht betroffen sein sollen.

Die Villa wurde beim Ausbruch des Vesuv beschädigt

Karte vom Ausbruch des Vesuv im Jahr 79 nach Christus. Foto: kms/Epoch Times, nach PeterHermesFurian/iStock

„Die meisten Forschungen im Zusammenhang mit dem Vulkanausbruch konzentrieren sich auf die Regionen südlich des Vesuvs, da dort die meisten Auswürfe niedergingen und Schäden verursacht wurden“, sagte Sugiyama. Weiter sagte er:

„Dank Radiokarbondatierungen und der Hilfe von Vulkanologen, die zusätzliche Analysen durchführten, konnten wir feststellen, dass die neu entdeckten Abschnitte der Villa ebenfalls unter vulkanischem Material aus der Eruption von 79 n. Chr. begraben sind.“

So entdeckten die Archäologen erhebliche Zerstörungen auch im nördlichen Bereich des Vesuvs, darunter Schäden durch Lavaströme und des pyroklastischen Stroms. Letzterer entsteht, wenn die mit Gasen angereicherte Aschesäule des Vulkans kollabiert und wie eine Tausende Grad heiße Druckwelle über den Boden fegt. Selbst der schnellste Läufer – oder das schnellste Auto – kann nicht entkommen und verbrennt sofort.

Ausgeworfenes Vulkangestein das in der Villa gefunden wurde

Ausgeworfenes Vulkangestein vom Ausbruch des Vesuvs 79 n. Chr. Foto: Institute for Advanced Global Studies, CC-BY-ND

Villa nach Ausbruch wieder aufgebaut

Bei den Ausgrabungen im Jahr 2002 stellten die Forscher fest, dass die oberen Stockwerke der Villa in der Mitte des zweiten Jahrhunderts errichtet wurden. Außerdem scheinen einige Bereiche der Villa teilweise über den verdeckten Vorgängerbauten gebaut worden zu sein.

Dies zeigt die Widerstandsfähigkeit und die Bemühungen der Menschen zum Wiederaufbau  nach der Katastrophe von 79 n. Chr. Ein ganz anderes Bild zeigt sich dagegen im südlich gelegenen Pompeji. Hier überdeckten dicke Schichten von Vulkanasche und Gesteinsauswürfe für viele Jahrhunderte die Stadt und ließen sie verlassen zurück.

Die Überreste der antiken Stadt Pompeji sind heute ein Touristenmagnet. Foto: RomanBabakin/iStock

„Diese Art der Untersuchung ist aus mehreren Gründen wichtig“, so Sugiyama. „Sie bringt nicht nur Artefakte mit Augustus in Verbindung, der hauptsächlich aus historischen Schriften bekannt ist, sondern gibt auch Aufschluss über die lokale Wirtschaft und Gesellschaft in dieser Region zu jener Zeit, die möglicherweise wohlhabender und bedeutender war als bisher angenommen.“

Zudem glauben die Forscher, dass wir heute von der Vergangenheit lernen können. „Das Wissen darüber, wie sich die Menschen in der Antike von Katastrophen erholten, könnte uns bei der Planung solcher Ereignisse heute helfen“, so die Forscher.

Schriftrolle überlebte Ausbruch

Und auch in einem weiteren Punkt kann das Wissen der antiken Menschen – festgehalten auf Papyrus – heutigen Forschern helfen: beispielsweise beim Aufspüren weiterer historischer Stätten.

Normalerweise zersetzt sich Papier binnen zwei bis sechs Wochen vollständig, sodass alle darauf geschriebenen Informationen ebenfalls verloren gehen. In diesem Fall war der Vulkanausbruch des Vesuvs ein Glücksfall für einen Papyrus in Herculaneum. Dieses ist zwar verkohlt, doch neueste technologische Verfahren machten ein Lesen der Schriftrolle wieder möglich.

So konnten die Forscher der Universität Pisa mehr als 1.000 Wörter rekonstruieren, dennoch machen diese lediglich 30 Prozent des gesamten Textes aus, welcher die Geschichte der Akademie des Philodemos von Gadara (110 – nach 40 v. Chr.) enthält. Neben der Geschichte der Akademie umfasst der Text auch viele exklusive Informationen über bekannte philosophische Persönlichkeiten wie Platon.

Im Zentrum von Raffaels „Die Schule von Athen“ stehen die Philosophen Platon (links) und Aristoteles (rechts). Foto: Gemeinfrei

Zu den wichtigsten neuen Erkenntnissen gehört, dass Platon in dem für ihn reservierten Garten der Platonischen Akademie in Athen begraben wurde. Bislang war nur bekannt, dass er allgemein in der Akademie begraben wurde.

Außerdem ist nun über Platon bekannt, dass er vielleicht schon 404 v. Chr. – als die Spartaner die Insel eroberten – oder aber 399 v. Chr. – unmittelbar nach dem Tod von Sokrates – als Sklave auf die Insel Ägina verkauft wurde. Bisher gingen Historiker davon aus, dass Platon 387 v. Chr. während seines Aufenthalts in Sizilien am Hof von Dionysios I. von Syrakus versklavt wurde.



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