Grüne Minister besuchen bedrohte „Grüne Lunge der Welt“

Habeck und Özdemir machen einen Kurztrip nach Brasilien und Kolumbien. Greenpeace übt heftige Kritik am Freihandelsabkommen Mercosur.
Wirtschaftsminister Robert Habeck und Agrarminister Cem Özdemir (beide Grüne) im brasilianischen Manaus.
Wirtschaftsminister Robert Habeck und Agrarminister Cem Özdemir (beide Grüne) im brasilianischen Manaus.Foto: Britta Pedersen/dpa
Von 17. März 2023

Die Rettung des Regenwaldes war ein Schwerpunkt bei der Südamerika-Reise von Wirtschaftsminister Minister Robert Habeck und Agrarminister Cem Özdemir. Dabei besuchten die Grünen-Politiker Brasilien und Kolumbien.

Eine Stippvisite statteten die Minister dem Dorf Kambeba im brasilianischen Regenwald, 60 Kilometer entfernt von der Metropole Manaus, ab. Die Bewohner versorgen sich seit einiger Zeit mit Solarstrom. Die Energie reicht allerdings nicht für kleinere Unternehmen wie Hotels oder Restaurants. Habeck kündigte an, diese Projekte „zum Schutz des Regenwaldes“ stärker zu fördern, teilen Agenturen mit.

Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte bereits vor einigen Wochen gegenüber Bundeskanzler Olaf Scholz versichert, dass er dem Umwelt- und Klimaschutz eine höhere Priorität einräumen wolle. Dazu gehört auch, dass er die Rodung des Regenwaldes bis 2030 stoppen will. Doch derzeit schreitet die Abholzung noch voran. Dies zeigten Satellitenbilder, die die Zahl von Bränden dokumentierten.

18 Prozent des Regenwaldes bereits verschwunden

Die Zerstörung des Regenwalds sei dramatisch, sagte Roberto Maldonado, Lateinamerika-Experte beim WWF Deutschland. 18 Prozent des Waldes seien bereits gerodet. Experten fürchteten, dass bei einer Zerstörung von 20 bis 25 Prozent ein unumkehrbarer Kipppunkt erreicht sein könnte. Die freigesetzte Menge an CO₂ wäre so groß, dass man das Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad weltweit zu begrenzen, vergessen könnte.

„Der Regenwald ist eine gigantische Klimaanlage, Regenmaschine und eine gewaltige Kohlenstoffsenke“, sagt Maldonado. Wenn es nicht gelinge, den Wald zu retten, werde sich der Süden des Kontinents in eine Art Sahelzone in Lateinamerika verwandeln. „Dann können die Rinderzüchter und Sojabarone ihr Geschäftsmodell vergessen. Ohne Regen ist keine Landwirtschaft möglich. Und das Erreichen der weltweiten Klimaschutzziele ist dann ohnehin eine Illusion.“

Abkommen ein „Albtraum für die Natur“

Das geplante Freihandelsabkommen der EU mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur nehme die Zerstörung des Regenwaldes faktisch in Kauf, sagt Maldonado. „Es reicht nicht, darauf zu verweisen, dass der Vertrag ein Kapitel zu Sozial- und Umweltstandards beinhaltet.“ Was fehlt, seien Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen. Der Kritik schließt sich Greenpeace an. Als „Alptraum für die Natur“ bezeichnet die Umweltorganisation das Abkommen, schreibt die „Berliner Morgenpost“.

Auf ihrer Internetseite sparen die Umweltschützer nicht mit Kritik: „Gift für den Amazonas-Regenwald, Gift fürs Klima, Gift für unsere Limetten. Gestatten: Das EU-Mercosur-Abkommen“, heißt es da. Die geförderten Produkte stünden oft im Zusammenhang mit Naturzerstörung, der Klimakrise, dem Verlust der Artenvielfalt und der Bedrohung menschlicher Gesundheit.

Das Abkommen in seiner jetzigen Form würde die schädlichen Produkte fördern, anstatt ihre Produktion und ihren Verbrauch zu reduzieren.

„Damit steht es im krassen Widerspruch zu umweltpolitischen Errungenschaften der letzten Jahre.“ Dazu gehörten das Pariser Klimaabkommen oder der europäische „Green Deal“. Des Weiteren hat Greenpeace einen Sieben-Punkte-Katalog zusammengestellt, der als Argumentationsgrundlage gegen ein Abkommen dient.

Greenpeace nennt das Abkommen den „Giftvertrag“. Unter anderem, weil Mercosur zu einem weiteren Anstieg beim Verbrauch von Pestiziden in der Landwirtschaft führen werde.

Habeck: Mehr Handel gut, um Regenwald besser zu schützen

Bei seinen Gesprächen in Brasilien habe er eine andere Perspektive wahrgenommen, sagt Habeck im Dorf am Rio Negro. Nämlich, dass das Mercosur-Abkommen und mehr Handel gut seien, um den Regenwald besser zu schützen, heißt es im Bericht der Agenturen weiter.

In Brasilien gebe es eine mächtige und exportstarke Agrarlobby. Man müsse auch mithilfe des Auslands Druck ausüben, sagt Virgilio Viana, Leiter der Stiftung nachhaltiges Amazonien, beim Minister-Besuch am Amazonas.

Und Rios Bürgermeister Eduardo Paes sagt der „Deutschen Presse-Agentur“ (DPA) bei der Eröffnung eines Forschungszentrums zu Klimafragen an der Columbia Universität in Rio, er habe keinen Zweifel, dass das Amazonasgebiet eine wichtige Angelegenheit sei. „Und es ist gut, dass die Leute Brasilien deswegen in die Pflicht nehmen.“

Brasilien habe endlich einen gewissen Zustand der Normalität erreicht, in dem es das Amazonasgebiet als einen Teil des nationalen Staatsgebiets und als brasilianisches Erbe verstehe, das auf diverse Weise genutzt werden könne, aber geschützt werden müsse.

Sorge vor noch mehr Abholzung

Man müsse nun schauen, wie das Ziel Lulas, die illegale Abholzung des Regenwaldes zu stoppen, gesichert werde, sagt Habeck bei den deutsch-brasilianischen Wirtschaftstagen in Belo Horizonte. Das Abkommen dürfe nicht dazu führen, dass ein erweiterter Handel zu einer erhöhten Abholzung des Regenwaldes führe.

Die Regierung Lula habe selbst ein Interesse daran, dass das Abkommen entsprechend wirksam sei. „Jetzt schauen wir uns noch einmal an, welche konkreten Maßnahmen schon in dem Abkommen drinstehen, wie sie weiter ausgedeutet werden können und ob weitere Maßnahmen notwendig sind.“

Kubicki wirft Ministern Heuchelei vor

Kritik am Abstecher auf den südamerikanischen Kontinent kam auch vom Koalitionspartner FDP. Deren stellvertretender Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki warf den grünen Ministern Heuchelei vor: „Schön wäre es aus meiner Sicht gewesen, die beiden Minister hätten bei ihrem Aufenthalt in Kolumbien einen kurzen Abstecher gemacht, um im Namen der Bundesrepublik voll Dankbarkeit die dortigen Kohlegruben zu besichtigen, die wegen der grünen Weigerung, hierzulande weiter auf Kernkraft zu setzen, wohl noch über Jahre von uns stark in Anspruch genommen werden“, schrieb Kubicki auf Facebook.

Des Vizekanzlers „eurozentristischer Blick auf die Welt“

Unmut gab es vor allem wegen der Art des Auftretens von Vizekanzler Habeck. Der hat laut „Welt“ beim Besuch des Dorfes Kambeba die Einwohnerinnen und Einwohner begrüßt, als hätten die noch nie einen Mann aus Europa gesehen. „Ihr fragt euch vielleicht, wer wir sind“, zitiert die „Welt“ Habeck: „Ich bin Robert, das ist Cem und wir sind Minister in der deutschen Regierung – das ist so etwas wie euer Häuptling, aber in einem anderen Land.“ Habeck habe Englisch gesprochen und dabei das Wort „Chief“ verwendet.

„Weder Cem, noch Habeck sind meine Häuptlinge“, schrieb etwa die Linken-Abgeordnete im Europaparlament, Özlem Demirel, auf Twitter. Sie warf den Ministern „Arroganz“ und einen „eurozentristischen Blick auf die Welt“ vor.

Einzelne Nutzer werfen den Ministern auch „kulturelle Aneignung“ vor. Özdemir und Habeck ließen sich bei ihrem Besuch im Amazon von den Einheimischen das Gesicht bemalen.



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