Kraftstoffmangel in Ungarn – die Regierung hat eingegriffen

In Ungarn herrscht Kraftstoffmangel. Die Regierung macht die Brüsseler Sanktionen verantwortlich. Nun wurde der bisher gültige Preisstopp aufgehoben: Wer tanken will, muss mehr bezahlen. Die kleineren, nichtstaatlichen Tankstellen können aufatmen.
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Warteschlangen an ungarischen Tankstellen. Am Morgen gab es noch gute Chancen, im XXI. Bezirk von Budapest Benzin zu finden.Foto: Epoch Times
Von 8. Dezember 2022

Am Dienstagnachmittag fuhr mein Mann tanken – zum Preis von 480 Forint, das sind rund 1,18 Euro pro Liter. Dieser Preis gilt seit November 2021 und wurde von der Regierung festgelegt, um ungarischen Familien zu helfen. Billiges Benzin war in den letzten Tagen nur sehr schwer oder gar nicht mehr zu bekommen.

Nicht nur in meiner Stadt bildeten sich vor den ungarischen Tankstellen lange Schlangen, einige Tankstellen haben wegen Kraftstoffmangel ganz geschlossen. In Budapest griff die Polizei an mehreren Stellen ein, um das Verkehrschaos zu bewältigen. Tankwarte wurden angewiesen, telefonisch Bescheid geben, ob und wann Benzin verfügbar ist.

Die Menschen trafen sich in Facebook-Gruppen, um sich darüber auszutauschen, wann es wo möglich ist, in der Gegend zu tanken. Ein Tankwart sagte mir, dass es Zeiten gab, in denen ein Krankenwagen nur 20 Liter Benzin bekommen konnte. Auch Lkw-Fahrer würden ständig bei den Tankstellen anrufen, um sich zu vergewissern, dass sie genügend Treibstoff hätten für ihre Fahrzeuge, erklärte er.

Wie mir geht es den meisten Ungarn – doch in der Nacht zum 6. Dezember griff die Regierung ein und hob den Preisstopp bei Kraftstoffen auf. Die Preise an den Tankstellen steigen seither.

Wie konnte es so weit kommen?

Wegen einer temporären Einschränkung der Versorgung hatte sich von Mund zu Mund verbreitet: Es kann zu Problemen kommen. Viele versuchten daraufhin in Panik, irgendwo möglichst viel zu tanken.

An mehreren Tankstellen in Budapest war Anfang Dezember Benzin ausverkauft. Diese Tankstellen mussten vorübergehend geschlossen werden. Foto: Epoch Times

Meldungen über die jüngsten Brüsseler Sanktionen und deren möglichen Auswirkungen auf die Benzinpreise dominierten die Berichterstattung. Hinzu kamen weitere Wartungsarbeiten in der Raffinerie „Százhalombatta“, die auch zu einem erheblichen Ausfall in der Produktion von Treibstoff führten. Sie haben zu dem Run auf die Tankstellen beigetragen.

Einem Regierungsbericht zufolge haben die Ungarn in den vergangenen Tagen statt der durchschnittlichen 5 Millionen Liter Benzin pro Tag eine Rekordmenge getankt: etwa 8-10 Millionen Liter, für kurze Zeit sogar 15 Millionen Liter pro Tag. Diese zusätzliche Nachfrage konnte die ungarische Öl- und Gasgesellschaft „MOL“ nicht mehr decken.

Öl- und Gasgesellschaft: „Kraftstoffmangel ist eine direkte Folge der Sanktionen“

Der Vorstandsvorsitzende von MOL, Zsolt Hernádi, sagte, dass es in den mehr als 30 Jahren seines Bestehens noch nie eine solche Knappheit gegeben habe. Ihre Reserven sanken um ein Viertel. Das bedeutete auch, dass es an manchen Tankstellen überhaupt kein Benzin oder Diesel mehr gab.

Am Abend des 6. Dezember traf die Regierung eine Blitzentscheidung. Abends um 22:30 Uhr wurde live im Fernsehen verkündet, dass der Benzinpreisstopp beendet und aufgehoben wurde. Die Regierung könne den Preis nicht länger so niedrig halten, da ungarische Öl- und Gasgesellschaft erklärte, dass es so „nicht mehr weitergehen“ kann.

Zu Beginn der abendlichen Regierungsinfo erklärte Kanzleramtsminister Gergely Gulyás, der Grund für die Aufhebung des Preisstopps seien die Sanktionen gegen Russland, die am Montag, dem 5. Dezember, in Kraft getreten sind:

Ungarn hat vergeblich und effektiv gekämpft. Aber das, was wir befürchtet haben, ist eingetreten. Das Inkrafttreten der Sanktionen führt in Ungarn zu Versorgungsengpässen, die für jeden spürbar sind.“

Der Anstieg der Energiepreise hätte bereits früher eingesetzt, gab der Minister zu. Doch es wäre den Sanktionen und dem Krieg zu verdanken, dass dieser Preisanstieg so anhaltend ist. Ursprünglich ging die Regierung davon aus, den Preisstopp bis Ende des Jahres aufrechterhalten zu können.

Der Vorstandsvorsitzende von MOL nannte die Situation der ungarischen Benzinversorgung kritisch. „MOL ist bis an die Grenze gegangen, aber sie kann nicht mehr, also hat sie der Regierung signalisiert: So kann es nicht weitergehen.“ Es könnte einen oder anderthalb Monate dauern, bis sich die Situation an den Tankstellen wieder normalisiert hat.

Die Duna-Ölraffinerie in Szazhalombatta. Die Duna (Donau) Ölraffinerie in der Nähe von Budapest ist eine der größten Raffinerien in der ostmitteleuropäischen Region, in der russisches Öl nach Ungarn gelangt. Foto: Janos Kummer/Getty Images

Mit der Aufhebung des Preisstopps hoffen sowohl die Regierung als auch die ungarische Öl- und Gasgesellschaft, dass die Konkurrenten von MOL wieder mit dem Import von Treibstoff beginnen. Das würde die Marktprobleme und den Kraftstoffmangel entschärfen.

Kritik von Links: künstlich erzeugte Verknappung

Kritiker bemängeln die Begründung der Regierung. Die G7- und EU-Sanktionen der Ölpreisobergrenzen seien nicht unbedingt der Grund der Treibstoffknappheit. Der linke Politiker und Wirtschaftswissenschaftler Tibor Szanyi sagte in einer Live-Sendung auf dem ungarischen YouTube-Kanal „Ultrahang“:

MOL hat künstlich einen wahnsinnig großen Kraftstoffmangel geschaffen, wodurch die Regierung faktisch erpresst wurde. Nach einer Weile konnte die Regierung nichts mehr dagegen tun.“

MOL habe im vergangenen Jahr nach den veröffentlichten Informationen enorme zusätzliche Gewinne erzielt, so Tibor Szanyi, der auch Abgeordneter des Europäischen Parlaments und Vizepräsident der ungarischen sozialistischen Partei war.

Das bestreitet auch Geschäftsführer Hernádi nicht: „MOL hat in diesem Jahr 2,2 Milliarden Liter Treibstoff verkauft, verglichen mit 1,5 Milliarden im letzten Jahr. Allein in den letzten Tagen wurden mehr als 500 Millionen Liter Kraftstoff verkauft.“

Gleichzeitig erinnerte der ehemalige sozialistische Vizepräsident daran, dass MOL vor einigen Monaten gesagt habe, der Preisstopp könne „auf unbestimmte Zeit“ aufrechterhalten werden. Seiner Ansicht nach handelt es sich bei der jüngsten Verknappung also eindeutig um ein künstlich erzeugtes Phänomen, das sowohl politische als auch wirtschaftliche Gründe haben kann.

Der Vertreter der ungarischen grünen Partei, Antal Csárdi (LMP), reagierte am 7. Dezember in einem Facebook-Post auf die Ereignisse.

Er meint: „Nicht die Sanktionen sind schuld an der Treibstoffknappheit, sondern die völlig fehlgeleitete Politik der Regierung, die mitten in der Energiekrise die Menschen dazu gebracht hat, das Auto statt der öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen, was zu einer unglaublichen Übernachfrage und Kraftstoffmangel geführt hat.“

Orbán macht Ankündigung: Extragewinn wird verstaatlicht

Laut dem jüngsten Facebook-Post von Viktor Orbán vom 7. Dezember wird der ungarische Staat die durch die Abschaffung des Treibstoffpreisstopps gestiegenen Gewinne der MOL in einen „Verbrauchsschutzfonds“ umleiten, um die Stromrechnungen der Familien zu senken. „Sanktionierte Benzinpreise sind jetzt in ganz Europa in Kraft. In Ungarn wird der dadurch erzielte Extragewinn abgezogen und in den Kraftstoffschutzfonds geleitet“, so Orbán.

Das Wirtschaftsportal „Portfolio“ erklärte, dass dieser Schritt bereits zu erwarten war. Eine erhebliche Aufstockung der Haushaltsmittel sei zur Aufrechterhaltung der Familienschutzprogramme notwendig.

Dieser Schritt könnte eine große Erleichterung für die kleineren und mittelgroßen Tankstellen sein, die nach Aufhebung des Preisstopps aufatmen können. Viele mussten jedoch schon früher schließen, weil sie mit dem teilweise in Staatsbesitz befindlichen Riesen MOL nicht mithalten konnten.

Minister: „Keine Gefahr bei den anderen Preisstopps bis auf weiteres“

Die Abschaffung des Preisstopps für Kraftstoffe trat nur eine halbe Stunde nach der abrupten Entscheidung der Regierung in Kraft. Ab 23:00 Uhr stiegen die Preise an den Tankstellen um rund 40 Prozent.

Für uns zumindest bedeutete es, dass wir noch einmal etwas billiger tanken konnten. Da in Ungarn nicht nur die Kraftstoffpreise, sondern auch die Preise für Grundnahrungsmittel eingefroren sind, fragen sich viele meiner Nachbarn nun, ob diese Preisstopps auch in Zukunft beibehalten werden können.

Minister Gulyás überlegt es wohl auch und meinte, dass „jeder Preisstopp sinnvoll ist, solange der Zugang zu dem Produkt gewährleistet ist, und bei den anderen Preisstopps besteht vorläufig keine Gefahr, dass sie auslaufen.“ Warten wir es ab.

 

 

 



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