„Nur der Vatikan und Ungarn bleiben im Friedenslager“ – Orbáns Prognosen für 2023

Wenn 2022 das schwierigste Jahr war, dann wird 2023 das gefährlichste Jahr seit dem Fall des Kommunismus sein, sagte der ungarische Ministerpräsident in seiner jährlichen Rede. Die Bedrohung ist vielschichtig: Neben der Migration sind zwei neue Feinde aufgetaucht.
Titelbild
Viktor Orbán bei seiner jährlichen Bilanzrede in Budapest am 18.02.2023.Foto: Szilárd Koszticsák / MTI
Von 21. Februar 2023

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

1999 trat Viktor Orbán zum ersten Mal vor die Öffentlichkeit, um eine jährliche Bilanzrede zu halten. Seitdem hat er das jedes Jahr getan, ob als Ministerpräsident oder in der Opposition. In diesem Jahr wurde die Rede angesichts des Krieges in der Ukraine und der wirtschaftlichen Herausforderungen besonders sehnsüchtig erwartet.

Es lohne sich, auf seine Worte zu achten, denn „er fasst für uns zusammen, was seine aktuellen Aufgaben sind, was seine Pläne sind, kurz gesagt, wir können mit ihm, durch ihn, in das aktuelle politische Programm des Fidesz (Regierungspartei Ungarns) schauen“, schrieb einer der bekanntesten Journalisten Ungarns, László Zöldi Szentesi.

Die Ungarn sind sowohl in ihrer Einstellung zum Krieg als auch in ihrer Regierungspolitik auf einem anderen Weg als die meisten EU-Mitgliedstaaten. Was Orbán und sie im Jahr 2023 zu tun gedenken, wurde jetzt enthüllt.

„Europa rutscht in den Krieg“

Orbán hält die Behauptung, Russland sei eine Bedrohung für die Sicherheit Ungarns oder Europas, einfach nicht für realistisch. Das gelte allenfalls für Atomwaffen; das Risiko ihres Einsatzes wird durch den Krieg in der Ukraine erhöht, nicht verringert, betonte Orbán. Seine Regierung trete immer für den Frieden ein und berücksichtige dabei die nationalen Interessen. Der Ministerpräsident ermutigte andere, das Gleiche zu tun.

In seiner Rede machte er auch Aussagen darüber, wie das russische Militär in Europa wahrgenommen wird. Laut Orbán habe der Krieg in der Ukraine gezeigt, dass Russland keine Chance gegen die NATO hat: „Die ganze Welt hat gesehen, dass die russischen Streitkräfte nicht in der Lage sind, die NATO anzugreifen, und es auch für lange Zeit nicht sein werden.“

Was er jedoch klarstellen wollte, war, dass die NATO ein Verteidigungs- und kein Kriegsbündnis ist. Die Mitgliedschaft in der NATO bedeutet keine Verpflichtung, die über die gemeinsame Verteidigung hinausgeht, „und die Mitgliedsstaaten können nicht erwarten, dass sie gemeinsam ein drittes Land für ein gemeinsames Kriegsziel angreifen“.

Wenn einige NATO-Mitglieder oder eine Gruppe von ihnen Kriegshandlungen außerhalb des Territoriums der Mitgliedsstaaten durchführen wollen, müssen sie dies außerhalb der NATO tun. Wer gehen will, der geht, wer nicht gehen will, der geht nicht.“

Auch Ungarn will eine souveräne Ukraine

Orbán warnte vor dem Prozess, durch den Europa konkret in einen Krieg hineingezogen wird. Indem sie die Ukraine unterstützen, befinden sich einige Regierungen und die EU in einem indirekten Krieg: „Es begann mit Helmen. Es ging weiter mit der Lieferung von Ausrüstung, die nicht in der Lage ist, Menschen zu töten. Jetzt schicken wir Panzer. Wir sprechen bereits von Kampfflugzeugen und wir werden bald von sogenannten Friedenstruppen hören.“

Obwohl es viele Unterschiede in der Art und Weise gebe, wie die Ungarn im Vergleich zum Großteil der EU auf den Krieg reagieren, betonte Orbán, dass es volle Übereinstimmung bei den strategischen Zielen gibt.

Die Ungarn wollen, dass Russland keine Bedrohung für Europa ist, und sie wollen eine souveräne Ukraine. Der Unterschied liegt in den Mitteln.

„Die Kriegsbefürworter denken, dass dies durch einen Sieg über Russland erreicht werden kann, wir denken, dass es durch einen sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen erreicht werden kann.“ Die Rettung einer großen Anzahl von Menschenleben habe oberste Priorität, sagte Orbán, und es müsse sofort gehandelt werden.

Verschwörung der Linken Kräfte

Im Jahr 2022 fand die größte Kampagne der Opposition aller Zeiten gegen die konservative Führung von Viktor Orbán statt. Im Vorfeld der Wahl arbeiteten die Linken sowohl national als auch international härter als je zuvor und setzten mehr finanzielle Mittel ein als früher. Orbán erklärte dazu, dass der Wahlsieg mit einer Zweidrittelmehrheit zum vierten Mal in Folge zeigt, dass das ungarische Volk die Ergebnisse der konservativen Politik zu schätzen weiß.

Das Publikum hört Viktor Orbáns jährlicher Bilanzrede in Budapest am 18.02.2023 zu. Foto: Szilárd Koszticsák / MTI

Der Staatschef meint, seine Regierung habe einen Weg durch die „Trümmerhaufen“ gebahnt, die von den im Jahr 2010 gestürzten sozialistischen Regierungen hinterlassen wurden: „Wir haben vieles überwunden, so die Arbeitslosigkeit; die schrumpfende Wirtschaft; die Fremdwährungskredite; den Neid, uns vor dem Westen auf den Bauch zu schlagen; die himmelhohen Stromrechnungen; die Almosen, das Leben von der Sozialhilfe.“

Der Ministerpräsident sprach auch offen über eine Verschwörung der linken Kräfte: „Brüssel hat versucht, die Staatskasse auszutrocknen, und Onkel Gyuri und seine Bande [gemeint sind die ungarischen Linken; Anm. d. Red.] hat vier Milliarden Forint aus Amerika herbeigeschafft, um auf uns schießen zu können.“

Der ungarische Sieg der Konservativen habe eine Botschaft für die Welt. Zum einen rechnet Orbán mit den US-Wahlen 2024, bei denen er einen Erdrutschsieg für seine „republikanischen Freunde“ wünscht. Auch für Europa hat er klare Erwartungen:

Ich erwarte auch, dass die Demokratie in Europa ihre Stärke zeigen wird, dass die öffentliche Meinung zunehmend für den Frieden eintritt und Waffenstillstände, Friedensgespräche, mehr Vernunft und, wenn nötig, neue Regierungen fordert.“

Ob dieser Weg leicht sein wird? Daran lässt Orbán wenig Zweifel: „Es wird kein Spaziergang sein, aber die glatteren und bequemeren Wege führen alle in den Krieg.“

Aus Brüssel: Sanktionen statt Hilfe

Die Schwierigkeiten, die im vergangenen Jahr aufgetreten sind, wie Inflation und Energiekrise, seien laut Orbán eindeutig die Schuld von Brüssel. Dem ungarischen Erfolgsrezept, mit dem die Regierung hofft, die Krise im Jahr 2023 zu lösen, widmete der Ministerpräsident ebenfalls einige Worte. Die Erfahrung zeige, dass sie von Brüssel keine Hilfe erwarten können, „nur Sanktionen“, sagte Orbán. Der Erfolg werde Eingriffe in die Wirtschaft erfordern.

Er wies darauf hin, dass in Ungarn einige Lebensmittelpreise eingefroren sind und eine durchschnittliche Familie durch die Preissenkungen 181.000 Forint (465 Euro) pro Monat spart. Geplant ist außerdem, die Zinssätze gegen die Inflation einzufrieren. Ermäßigte Abonnements sollen künftig den öffentlichen Nahverkehr unterstützen.

Ungarn habe jetzt – trotz linker Erwartungen – eine höhere Beschäftigung als je zuvor, Devisenreserven in Rekordhöhe und der Forint hat sich beruhigt. Orbán versprach, auch die Inflation bis Ende des Jahres auf eine einstellige Zahl zu senken. Und: „Wir werden uns aus dem Krieg heraushalten, Ungarn wird eine Insel des Friedens und der Sicherheit bleiben und wir werden auch die Inflation senken.“

Ungarns Kinderschutzsystem

Ungarn ist auch wegen seiner strengen Kinderschutzpolitik schon einmal ins Fadenkreuz der EU geraten. Orbán lässt keine LGBTQ-Propaganda in Schulen zu, es gibt keine „Regenbogen-Kampagnen“. Vor kurzem sind in einer Budapester Schule Probleme wegen Pädophilie aufgetaucht. Daher erklärte Orbán in seiner jährlichen Bilanzrede, dass die Regierung die Stärkung des Kinderschutzes zu einer Priorität machen wird.

„Es ist uns egal, dass die Welt verrückt geworden ist, dass manche Menschen einigen abstoßenden Marotten frönen. Es ist uns egal, was Brüssel benutzt, um das Unerklärliche zu entschuldigen und zu erklären. Wir sind hier in Ungarn, und hier muss das strengste Kinderschutzsystem in Europa gelten“, betonte der Ministerpräsident.

Die notwendigen Gesetze seien schon vorhanden, die fehlenden Gesetze und Mittel würden gefunden werden. Er rief die ganze Gesellschaft auf, ihn in dieser Angelegenheit zu unterstützen. Orbán erwartet Unterstützung auch von den Eltern, Großeltern, Lehrern und Erziehern.

„Denn Gender-Propaganda ist nicht nur ein lustiger, regenbogenfarbener Scherz, sie ist die ernsthafteste Bedrohung für unsere Kinder. Wir wollen, dass unsere Kinder in Ruhe gelassen werden, denn so etwas hat in Ungarn keinen Platz, schon gar nicht in unseren Schulen“, fügte er am Ende seiner Rede hinzu.

Gegenwind

Orbáns Rede war ein großer Erfolg bei den Konservativen, da sie ihnen Hoffnung und Perspektiven bot. Aber es gibt auch diejenigen, die diese Haltung nicht teilen. Kommentare kamen von linken Parteien und von den extremen Rändern der Rechten, berichtet „24.hu“.

Die Partei „DK“ (Demokratische Koalition) zum Beispiel, die Orbán als linken „Erzfeind“ betrachtet, erklärte: „Die Wahrheit ist, dass Orbán in den letzten 12 Jahren alles verloren hat und der einsamste Regierungschef Europas geworden ist.“ Damit bezogen sie sich auf den kürzlichen Entzug der finanziellen Unterstützung der EU für Ungarn, wo dem Land Gelder vorenthalten werden. In der Erklärung der Partei wird Orbán auch für die niedrigen Löhne und die hohe Inflation kritisiert.

Auf der liberalen Seite meldete sich auch ein Vertreter der „Momentum-Bewegung“ zu Wort, der Orbán einen „Populisten mit blindem Blick“ nannte und ihn der Lüge bezichtigte.

Auf der rechten Seite erklärte der Vertreter der Bewegung „Mi Hazánk“ (Unsere Heimat), dass die Regierung „sklavisch den multinationalen Konzernen“ im Land diene, und machte auf den massiven Rückgang der ungarischen Bevölkerung aufmerksam: „Nach den vorläufigen Ergebnissen der Volkszählung 2022 ist die Bevölkerung auf 9 Millionen 604.000 Menschen gesunken. Das könnte das Ende Ungarns bedeuten“, schreiben sie.

Der wichtigste der konstruktiven Vorschläge von den Politikern war „Mi Hazánk“ zufolge die „Schaffung einer auf der Lebensmittelindustrie basierenden Volkswirtschaft“, die unter anderem dazu beitragen würde, die Inflation zu stoppen.

Einige Mitglieder der „Jobbik“-Partei (gemäßigt rechts) äußerten die Befürchtung, dass „Orbán Ungarn raus aus der EU führen könnte“.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion