Viel Geld, eine Mission: Physiker-Familie will „Blackout stoppen“– mit Kernenergie

Die Schweizer Familie Aegerter hat eine Vision – und viel Geld. Sie widmen ihr Leben voll der Kernenergie, um gegen eine mögliche künftige Stromknappheit zu kämpfen.
Titelbild
Das Kernkraftwerk Beznau in der Schweiz.Foto: Alessandro Della Bella/dpa
Von 6. Februar 2024

Irene Aegerter ist überzeugt: „Mit der Kernenergie kann man die Welt retten.“ Die 83-Jährige könnte sich eigentlich – ebenso wie ihr 85-jähriger Mann Simon Aegerter – zurücklehnen und ihren Lebensabend genießen. Geld haben sie reichlich.

Doch die Schweizer Physiker-Familie mit zwei Söhnen hat eine Vision: eine Welt mit sicherer, stets zur Verfügung stehender und klimafreundlicher Kernenergie.

Engagiert bewerben sie diese Energiequelle in der Schweizer Gesellschaft. Im Sommer 2022 gründeten sie die Volksinitiative „Jederzeit Strom für alle – Blackout stoppen“. Hierfür investierten sie laut NZZ einen siebenstelligen Betrag. Die Initiatoren schreiben darin, dass das Alpenland nicht in der Lage sei, seine Stromversorgung jederzeit sicherzustellen. Auf der Website warnen sie:

Wir steuern direkt auf eine Strommangellage zu. Es droht der Blackout. Ohne Strom stehen Gesellschaft und Wirtschaft still.“

Bereits in den 1990er-Jahren baute Irene Aegerter die Atomorganisation „Women in Nuclear“ mit auf. Das ist ein internationales Netzwerk für Frauen in der Kernindustrie. Damals war sie noch Kommunikationschefin des Verbandes Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen. Ihr Mann war Chefphysiker bei den Atomschutztruppen der Armee. Er leitete vor seiner Selbstständigkeit als Unternehmer das Technorama-Wissenschaftsmuseum in Winterthur.

Ohne Kernkraft zur Stromknappheit?

Doch wozu diese eifrigen Bemühungen? Hintergrund ist die Zustimmung der Schweizer zum Energiegesetz im Jahr 2017, das einen langfristigen Ausstieg aus der Atomenergie vorsieht.

Das Gesetz erlaubt, anders als in Deutschland, den Weiterbetrieb der letzten drei der einst fünf Kernkraftwerke, solange diese noch sicher sind. Der Bau neuer Kraftwerke ist aber verboten, Nuklearforschung darf jedoch weitergehen. Anlass dafür war die Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima im Jahr 2011.

Die Sorge der Familie Aegerter vor einem Blackout scheint nicht unbegründet zu sein. Immerhin stammten im Jahr 2022 laut „Statista“ 36,4 Prozent des in der Schweiz erzeugten Stroms aus Kernenergie. Hauptstromquelle in der Schweiz ist die Wasserkraft mit einem Anteil von über 50 Prozent. Drittgrößter Stromlieferant ist die Biomasse. Wind- und Solaranlagen machen nur einen geringen Anteil im Strommix aus, ebenso die fossilen Kraftwerke.

Besonders im Winter hatte die Schweiz schon häufig ein Defizit in der Stromversorgung. Hier halfen nur Importe aus dem Ausland. Die Zunahme von Wärmepumpen und der Elektromobilität verschärft das Problem, wie „Swissinfo“ mitteilte. Das deutsche Atom-Aus könnte für die Aegerters womöglich ein weiteres Argument liefern, ihre Bemühungen fortzusetzen. Denn seitdem wandelte sich Deutschland vom Nettostromexporteur zum -importeur.

Daher fordern die Aegerters mit der Volksinitiative „dringend eine sichere, eigenständige und umwelt- und klimaschonende Stromversorgung“. Über die Plattform planen sie die Vorgehensweise gegen ihre Gegner, um das Neubauverbot für Kernkraftwerke irgendwie zu kippen.

Kleine Reaktoren für die Städte

Die Aegerters liebäugeln besonders mit Mini-KKW wie dem Siedewasserreaktor BWRX-300; das ist momentan ihre größte Hoffnung. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Small Modular Reactor (SMR), der sicherer und billiger sein soll. Die Aegerters möchten die Stromversorgung mit solchen Kleinreaktoren sicherstellen. Derzeit befindet sich allerdings weltweit noch keine einzige derartige Anlage in Betrieb.

Dabei haben sie bereits eine klare Vorstellung, wie sich diese kleinen Reaktoren künftig in das Stadtbild einfügen, und zwar so wie heute Photovoltaikanlagen auf Hausdächern.

„Wir werden aber auch große Kernkraftwerke schnell bauen müssen“, sagte Simon Aegerter der NZZ, und meint ähnlich große wie die Barakah-Anlage in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Rückhalt in der Bevölkerung

Rückhalt bekommen die Aegerters aus weiten Teilen der Schweizer Bevölkerung. Das zeigte im vergangenen Jahr eine Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo, wie die Schweizer Zeitung „Blick“ berichtete. Demnach sind 55 Prozent der Befragten der Ansicht, dass KKW eine wichtige Rolle bei der Behebung des Stromengpasses in der Schweiz spielen.

Für die Kernkraft spricht, dass sie kontinuierlich weiterentwickelt wird. So entwickelt das afrikanische Land Ruanda derzeit mit deutschen und kanadischen Forschern einen sogenannten Dual-Fluid-Reaktor. Laut dem Betreiber ist Atommüll aus herkömmlichen Kernkraftwerken für den Dual-Fluid-Reaktor ein Wertstoff.

Wer das CO₂-Klima-Narrativ vertritt, kann sich über die nahezu CO₂-freie Stromversorgung der Reaktoren freuen. Weltweit setzen derzeit etliche Länder auf einen raschen Ausbau der Kernkraft. Seit dem Ja zum Energiegesetz 2017 beschreitet die Schweiz momentan den Weg des Ausstiegs. Irene Aegerter bezeichnete das Gesetz damals schon als eine Gefahr für die Versorgungssicherheit der Schweiz.

Söhne ebenfalls auf Atomkurs

Irene und Simon Aegerter erfahren bei ihren Atomplänen Unterstützung von ihren beiden Söhnen. Auf der Website ihrer „Blackout stoppen“-Initiative ist unter anderem der 54-jährige Sohn und Unternehmer Daniel Aegerter aufgeführt. Sein Bruder, der 51-jährige Christof Aegerter, orientierte sich bei seiner Karriere ganz an den Eltern. Als Physikprofessor engagiert er sich für Kernkraft.

Daniel Aegerter studierte als einziger der vierköpfigen Familie nicht Physik. Er bevorzugte stattdessen eine Banklehre und legte eine beeindruckende Karriere an den Tag. Als einer der reichsten Schweizer unterstützt er den Atom-Aktivismus der Eltern.

Mit seinem milliardenschweren Vermögen finanziert Daniel Aegerter auch Start-ups wie die amerikanische Firma Oklo. Diese entwickelt Kleinreaktoren. Er habe aber weniger die Rendite im Blick. Vielmehr treibe ihn ein Idealismus an. Dazu sagte er: „Ich helfe mit, Firmen aufzubauen, die zu einer Welt beitragen, in der ich leben möchte.“

„Ich will nicht zurück in die Steinzeit“

Die Aegerters befürworten die Energiewende. „Ich war einer der Ersten in Europa, die ein Elektroauto fuhren“, sagte Simon Aegerter der NZZ. Bereits 2002 haben er und seine Frau ein sogenanntes Minergiehaus inklusive Wärmepumpe gebaut. Minergiehaus ist ein in der Schweiz entwickelter Baustandard, der niedrigen Energieverbrauch mit Wohnkomfort und ökologischen Elementen vereint. Auf diese Art verabschiedeten sie sich von ihrer alten Ölheizung.

„Zurück in die Steinzeit will ich aber nicht, sondern Energie im Überfluss“, sagte der 85-Jährige. Damit spielte er auf die wetterabhängigen erneuerbaren Energien an. Diese können nicht durchgehend Energie bereitstellen. Im Gegensatz zu Photovoltaikanlagen liefere die Kernkraft rund um die Uhr bei Tag und Nacht Strom.

„Die Leute wollen einfach nicht einsehen, dass die Sonne jeden Abend untergeht“, merkte Simon Aegerter an. Und man müsste erst noch viele Speicher bauen und Stromleitungen verlegen. „Was da für eine Materialschlacht bevorsteht“, sagt Irene Aegerter.



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