Weniger Erneuerbare, noch mehr Kernenergie: Frankreich definiert Energiestrategie neu

Frankreich ist bekannt für seine vielen Kernkraftwerke. Mit einer Reform in der Energiestrategie stellt das Nachbarland nun die Erneuerbaren regelrecht ins Abseits.
Au revoir „Erneuerbare“: Frankreich setzt jetzt voll auf Kernkraft
Frankreich ändert seine Energiestrategie und legt den Fokus noch stärker auf Kernkraft.Foto: iStock
Von 19. Januar 2024

„Frankreichs Weg ist ein ganz anderer als der deutsche.“ Das sagte Victor Warhem, Energieexperte am Centre de Politique Européenne in Paris, zur Energiestrategie beider Länder. Obwohl beide Nationen die Dekarbonisierung bei der Stromerzeugung zum Ziel haben, ist deren Vorgehensweise jetzt noch unterschiedlicher.

Denn unser Nachbarland hat seine Strategie erneut überarbeitet. Das Land mit 58 Reaktoren und 18 Kernkraftwerken will künftig noch stärker auf diese Energiequelle setzen.

Deutlicher Ausbau der Kernenergie

Die Regierung in Paris beschloss kürzlich, den Gesetzentwurf zur „Energiesouveränität“ abzuändern, wie das französische Nachrichtenmagazin „L’Express“ berichtete. Besonders ausgeprägt sind hierbei Abschwächungen bei den Klimazielen und der Auswahl der bevorzugten Energiequellen. Damit will sich der Superminister Bruno Le Maire, der neben Wirtschaft und Finanzen nun auch für das Ressort Energie zuständig ist, für weiterführende Gespräche „mehr Zeit nehmen“.

Das Dokument mit der offiziellen Bezeichnung „Projet de loi relatif à la souveraineté énergétique“ (Gesetzentwurf über die Energiesouveränität) definiert Frankreichs Energieprioritäten bis zum Jahr 2030. Auf lange Sicht soll dort die Kernkraft laut der „Welt“, wie es schon heute der Fall ist, einen Anteil von 60 bis 70 Prozent des Strommixes ausmachen.

Bisher plante Frankreich, seine bestehenden Reaktoren in den kommenden Jahren um sechs neue zu erweitern. Laut dem neuen Strategieentwurf sollen künftig 14 dazu kommen – acht mehr als zuvor geplant. Die französische Regierung denkt mit ihrer Neuausrichtung auch an industriepolitische Ziele.

Le Maire war laut „Table.Media“  schon immer ein Befürworter der Kernenergie. Der Tageszeitung „Le Figaro“ sagte er:

Die Verantwortung für Energie zu haben, bedeutet, die Reindustrialisierung des Landes und die Umsetzung des französischen Atomprogramms beschleunigen zu können.“

In der Reform sind auch neue Ziele für die Reduzierung der Treibhausgase und die Energieeinsparung in Frankreich verankert. Die neuen Bedingungen sind jedoch weitaus weniger verbindlich als bisher. Laut der Formulierung soll das Land diese Ziele künftig nur noch „anstreben“. Die Vorgaben in diesen Punkten hat die französische Regierung also deutlich gelockert.

Erneuerbare verlieren ihre Priorität

Erneuerbare Energiequellen aus Windkraft, Wasserkraft und Solarenergie haben künftig das Nachsehen. Sie spielen laut dem neuen Entwurf bei der französischen Energiewende nur noch eine Nebenrolle.

Viele Akteure im Energie- und Umweltbereich reagierten mehr als enttäuscht auf die neue französische Strategie. Denn sie enthält keine quantifizierten Ziele und Quoten für Solar- und Windenergie, die bislang im Gesetz verankert waren. Stattdessen erwähnt der Gesetzesentwurf schon im ersten Artikel, dass alle Quoten für Erneuerbare aus dem entsprechenden Gesetz herausgenommen werden sollen.

Die Novelle ist auch SER, ein Verband für erneuerbare Energien, ein Dorn im Auge. „Atomkraft und erneuerbare Energien dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden“, teilte SER als Reaktion mit, laut „Welt“. Der Verband kritisierte die Regierung scharf. Diese müsse zur Vernunft kommen und die Erneuerbaren priorisieren. Diese sollten in Frankreich nach Ansicht von SER langfristig zu 45 Prozent zur Energieerzeugung beitragen.

Renaissance der Kernkraft

Von den großen Industrienationen ist Deutschland eines der wenigen, das sich von der Kernkraft distanziert hat. Im April letzten Jahres hat die Bundesregierung die letzten drei Meiler stillgelegt. In den meisten anderen Industrieländern erlebt die Kernkraft aber derzeit eine Renaissance. Weltweit sollen in den kommenden Jahren viele neue Reaktoren gebaut werden.

So haben erst im Dezember bei der Klimakonferenz in Dubai insgesamt über 20 Länder auf vier Kontinenten eine „Erklärung zur Verdreifachung der Kernenergie“ unterzeichnet. Neben Ghana, der Mongolei und Marokko sind vorwiegend große westliche Industriestaaten wie die USA oder Großbritannien mit dabei. Dazu kommen mehrere EU-Mitgliedsländer, Kanada, Südkorea und der Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate.

Auch Frankreich möchte sich an diesem globalen Trend beteiligen und mitverdienen. Dafür muss das Nachbarland an der Atlantikküste allerdings viel Geld in die Hand nehmen. Denn zuletzt baute Frankreich in den 90er-Jahren ein neues Kernkraftwerk.

Selbst das ostafrikanische Land Ruanda hat im September 2023 mit dem Bau eines „experimentellen“ zivilen Kernreaktors begonnen. Dieser soll eine erhebliche Weiterentwicklung üblicher Kernkraftwerke sein. Zusammen mit einem deutsch-kanadischen Start-up forschen sie an dem sogenannten Dual-Fluid-Reaktor, welcher Atommüll aus herkömmlichen Kernkraftwerken als Brenn- und Wertstoff verwendet.



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