„Größter Ausbau der Kernenergie seit 70 Jahren“: Großbritannien setzt auf Energiesicherheit

Die Kernkraft ist für viele Länder die Allzweckwaffe, um die Energieprobleme von heute und morgen zu lösen. Jetzt stellt auch Großbritannien seine Pläne für einen massiven Ausbau dieser in Deutschland verbannten Energieform vor.
Großbritannien
Großbritannien will in den kommenden Jahren weitere Kernkraftwerke bauen.Foto: iStock
Von 22. Januar 2024

Neben Frankreich setzt künftig auch Großbritannien auf den Ausbau der Kernenergie. Die britische Regierung erwägt den Bau von mindestens einem weiteren großen Kernkraftwerk (KKW). Ebenso sollen viele kleinere, modulare Reaktoren entstehen.

Dazu veröffentlichte die Regierung in London am 11. Januar einen Aktionsplan für den „größten Ausbau der Atomenergie“ im Vereinigten Königreich seit 70 Jahren. Ziel sei es, die Energieunabhängigkeit zu stärken und Ziele zum Einsparen von Treibhausgasen zu erfüllen.

Vervierfachung der Kapazität

Neben dem möglichen Bau eines neuen Kernkraftwerks will London in modernen Kernbrennstoff investieren und auf eine „intelligentere Regulierung“ setzen. Zusammengenommen will die Regierung um Premierminister Rishi Sunak die Produktion von Atomstrom bis 2050 auf 24 Gigawatt ausbauen. Derzeit ist eine Kapazität von rund sechs Gigawatt installiert. Der geplante Ausbau entspricht somit einer Vervierfachung der momentanen Kernenergie in Großbritannien.

Mit dem geplanten Ausbau auf 24 Gigawatt wollen die britischen Entscheidungsträger ein Viertel des britischen Strombedarfs mit dieser Energiequelle abdecken. Derzeit nennt Statista auf der britischen Insel noch Erdgas und Offshore-Windkraft die größten Energiequellen.

Laut dem Aktionsplan sollen im Zeitraum zwischen 2030 und 2044 alle fünf Jahre ein oder zwei neue Reaktoren genehmigt werden, wie „The Guardian“ berichtet. Der Aktionsplan entspricht auch den Plänen des damaligen Premierministers Boris Johnson aus dem Jahr 2022. Er hatte im Sinn, „jedes Jahr einen neuen [Reaktor] zu bauen“, damit sich Großbritannien allmählich von fossilen Brennstoffen zur Stromgewinnung trennen kann.

Sunak nennt Vorteile der Kernenergie

Sunak erklärte, die jüngste Unterstützung der Regierung für die Atomindustrie sei „der nächste Schritt in unserem Engagement für die Kernenergie, der uns auf den richtigen Weg bringt, um bis 2050 auf maßvolle und nachhaltige Weise Netto-Null zu erreichen“.

Weiter teilte Sunak mit, dass die Atomkraft das „perfekte Gegenmittel“ für die Energieprobleme des Landes sei. „Sie ist grün, langfristig billiger und wird Großbritanniens Energiesicherheit sicherstellen.“ Ebenso zählt die Kernkraft zu den grundlastfähigen Energiequellen, was bedeutet, dass sie rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Windkraft und Solarenergie sind hingegen wetterabhängig.

Als weiteren Vorteil der Kernenergie nannte der Premierminister, dass sie „Arbeitsplätze und Qualifikationen schafft, die wir brauchen, um das Land auf Vordermann zu bringen und unsere Wirtschaft wachsen zu lassen“.

Energieministerin Claire Coutinho fügte hinzu, dass Großbritannien bei der Energie nie wieder abhängig von „Tyrannen“ wie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sein wolle. Im Jahr 2022 hatte Großbritannien laut der „Wiener Zeitung“ die Importe von Kohle, Erdöl und Erdgas aus Russland eingestellt. Hintergrund ist der Ukraine-Krieg, bei dem viele westliche Staaten – einschließlich des Inselreiches – Russland als alleinigen Aggressor sehen.

Großbritannien hat derzeit neun betriebsfähige Kernreaktoren; viele nähern sich dem Ende ihrer Laufzeit. Im Land wird mit Hinkley Point C bereits ein neues KKW gebaut. Der Bau eines weiteren KKW, Sizewell C, soll noch in diesem Jahr beginnen. Das jetzt von der Regierung erwogene zusätzliche Atomkraftwerk soll eine ähnliche Größe wie diese beiden Projekte haben.

Großbritannien setzt auf speziellen Kernbrennstoff

Die genauen Kosten und der konkrete Zeitplan der Projekte sind derzeit noch unklar. Eine Zahl für die möglichen Kosten nannte aber das französische Energieversorgungsunternehmen EDF, das Hinkley Point C errichtet hatte.

Demnach liegen die Kosten für Großbritanniens erstes neues Kernkraftwerk seit einer Generation bei 33 Milliarden Pfund (38,5 Milliarden Euro). Das entspricht einem Anstieg von 30 Prozent gegenüber 2015, als die Kosten auf 25 bis 26 Milliarden Pfund geschätzt wurden. Zudem gibt es Befürchtungen, dass sich der Starttermin für Hinkley vom Sommer 2027 auf die frühen 2030er-Jahre verschieben könnte.

Wie die Regierung zudem ankündigte, will sie als erstes europäisches Land in die Herstellung einer speziellen Form von Kernbrennstoff investieren. Dabei handelt es sich um die Produktion von speziell angereichertem Uran vom Typ Haleu (High-Assay Low-Enriched Uranium). Die Regierung will hierfür 300 Millionen Pfund (rund 348,5 Millionen Euro) an staatlichen Mitteln zur Verfügung stellen, wie die „Welt“ berichtet.

Der Haleu-Kernbrennstoff erreicht Anreicherungswerte zwischen fünf und 20 Prozent. Die meisten derzeit aktiven KKW verwenden Uran, das zu rund fünf Prozent angereichert ist. Mit dem Haleu-Kernbrennstoff will das Vereinigte Königreich vor allem Reaktoren der jüngsten Generation betreiben. Das sind insbesondere kleinere, modulare Reaktoren (Small Modular Reactors, SMR).

(Mit Material von AFP)



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