SPD für Vermögenssteuer, FDP dagegen – wer hat Recht? Eine Analyse der Argumente

Der Haushaltsstreit in der Ampelkoalition erhält neue Nahrung. Bundestagspräsidentin Bas will einen neuen Anlauf für eine Vermögensabgabe unternehmen.
Ampel-Streit: SPD für Vermögensabgabe – FDP sieht fatale Entwicklung
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) will einen erneuten Anlauf für eine Vermögensabgabe wagen.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 20. März 2023

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Der erneute Anlauf der SPD für eine Vermögensabgabe könnte den Haushaltsstreit in der Ampelkoalition verschärfen. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hat gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gefordert, „jetzt“ die Debatte über eine solche Maßnahme zu führen.

„Auch wenn es der Finanzminister nicht hören möchte“, wäre eine Vermögensabgabe für „besonders reiche Menschen“ eine Option. Sie könnte „ein Weg sein, um ohne neue Schulden für zukünftige Generationen die Menschen heute entlasten zu können“. Zudem würde sie dazu beitragen, „unser Bildungssystem zu stärken oder in unsere Infrastruktur zu investieren“.

Vermögensabgabe in der SPD unumstritten – Detailvorstellungen aber variieren

Erst im Oktober hatte SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken einen Vorstoß zur Einführung einer Vermögensabgabe unternommen. Neben der „Finanzierung eines handlungsfähigen, solidarischen Staates“ sollte diese auch dem Wiederaufbau der Ukraine dienen. Reaktionen auf diese Initiative in sozialen Medien veranlassten Esken in weiterer Folge, ihren Twitter-Account stillzulegen.

Bereits 2021 hatte die SPD ein Konzept für eine Vermögenssteuer vorgestellt. Diese solle ein Prozent betragen und ab einem Privatvermögen von zwei Millionen Euro greifen. Der Lübecker Abgeordnete Tim Klüssendorf sprach hingegen im Vorjahr davon, dass zehn Prozent „ein ganz guter Wert“ sein könne. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte bereits mehrfach seine grundsätzliche Sympathie für eine einmalige Abgabe zum Ausdruck gebracht.

Vermögen der reichsten Haushalte stärker gestiegen

Neben den Herausforderungen der vergangenen Jahre wie Corona und Energiekrise weisen Befürworter einer solchen Maßnahme auch auf eine steigende Vermögensungleichheit in Deutschland hin. Im Jahr 2017 wies die Hans-Böckler-Stiftung auf einen Gini-Koeffizienten für Vermögen von 0,761 im Jahr 2014 hin. Dieser liegt zwischen 0 und 1, und je näher er bei 1 liegt, umso ungleicher sind Vermögen verteilt.

Für Haushaltseinkommen lag der Koeffizient gleichzeitig bei 0,292. Dies bedeutet, dass die Haushaltseinkommen in Deutschland sehr gleich, die Vermögen jedoch sehr ungleich verteilt sind. Einer Studie der Bundesbank zufolge hat sich das Ungleichgewicht insgesamt zwischen 2009 und 2021 wieder etwas verringert. Die reichsten zehn Prozent der Haushalte besaßen im Jahr 2021 dennoch etwa die Hälfte des gesamten Nettovermögens.

Allerdings stieg im gleichen Zeitraum das mittlere Nettovermögen pro Haushalt von 51.000 Euro auf 74.000 Euro an. Insgesamt hat es demnach in allen Einkommensgruppen Zuwächse gegeben, allerdings in den reichsten Haushalten überdurchschnittliche.

Lindner weist auf bürokratischen Aufwand hin

Die Bundesbank führt dies auch auf unvorteilhaftes Anlageverhalten zurück. So bestehe das Vermögen der Haushalte in der unteren Hälfte der Vermögensverteilung zu einem Großteil aus risikoarmen und liquiden Anlagen. Diese dienten als Puffer für unerwartete Einkommensschwankungen. Demgegenüber werfen die Anlagen der wohlhabenderen Bürger höhere Renditen ab. Es handele sich dabei häufiger um Wertpapiere, Immobilien, aber auch Betriebsvermögen.

Auch deshalb gibt es innerhalb der Ampelkoalition starken Widerstand gegen eine Vermögensabgabe – vor allem aus der FDP. Im November 2022 machte Bundesfinanzminister Christian Lindner deutlich, dass in der aktuellen Lage neue Belastungen nicht vertretbar seien.

Die hart erarbeitete Kaufkraft der breiten Mitte der Gesellschaft sinke, viele kleine und mittelständische Betriebe stünden vor existenziellen Nöten. Dies erfordere vielmehr Entlastungen, wie etwa das Ende der kalten Progression. Neben grundsätzlichen Bedenken bezüglich der Sinnhaftigkeit weist Lindner auch auf die schwierige Umsetzung einer solchen Maßnahme hin:

Es ist kein Zufall, dass keine Bundesregierung – egal welcher politischen Farbe – die seit 1997 ausgesetzte Vermögensteuer wieder eingeführt hat. Damals war es nicht möglich, die Bewertung unterschiedlicher Vermögensarten zu regeln. Die Erhebungskosten machten rund ein Drittel des Aufkommens aus. Für beide Probleme gibt es keine überzeugende Lösung.“

Vermögensabgabe „gefährdet Ruf des deutschen Wirtschaftsstandorts“

Ob eine Vermögensabgabe vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hätte, ist ebenfalls ungewiss. Immerhin wurden die Vermögen aus Einkünften aufgebaut, die bereits versteuert worden waren. Die hohen Energiekosten und die Inflation verhinderten zudem bereits jetzt Investitionen und Innovationen. Zahlreiche Unternehmen haben ihre Produktion aus Deutschland verlagert oder spielen mit dem Gedanken, dies zeitnah zu tun.

Lindner betont, eine Vermögensabgabe treffe „nicht in erster Linie den Fußballprofi oder den DAX-Vorstand“. Das Vermögen in Deutschland sei zu weiten Teilen das betriebliche Vermögen der mittelständischen Betriebe. Eine höhere Steuerlast ohne gleichzeitige höhere Liquidität werde auf Kosten der Rendite der Unternehmen gehen. Dadurch blieben Investitionen aus und gingen Arbeitsplätze verloren, zudem büße Deutschland seine Reputation als Wirtschaftsstandort ein:

Fallen Gewinne nun ganz aus oder schrumpfen erheblich, wird aus einer Steuer, die nicht am Ertrag, sondern am Bestand ansetzt, sehr schnell eine existenzbedrohende Gefahr.“

Nur wenige Länder setzen noch auf diese Form der Besteuerung

In der EU hatten im Laufe der vergangenen 50 Jahre Frankreich, Spanien und Italien Abgaben auf Immobilienvermögen, Finanzvermögen oder Privatvermögen insgesamt eingeführt. In vielen Fällen waren sie temporär und auf Krisenzeiten beschränkt. Norwegen hat seit 1892 eine jährliche Vermögenssteuer von 0,85 Prozent auf das Nettovermögen über einem Freibetrag von etwa 150.000 Euro.

In der Schweiz erheben einzelne Kantone eine jährliche Steuer auf das Nettovermögen von Privatpersonen. Im Schnitt liegt diese bei 0,3 Prozent. Allerdings ist die Steuerlast dort insgesamt deutlich geringer als in Deutschland.



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