Beratungen zum Sondierungspapier: „Es geht darum, das Leben einfacher zu machen“

Aktuell wird von rund 300 Politikern aus SPD, Grünen und FDP in 22 Arbeitsgruppen über die Zukunft Deutschlands verhandelt. Ein Blick in das 12-seitige Sondierungspapier.
Titelbild
Am 20. Oktober in Berlin - die Koalitionsverhandlungen laufen.Foto: Jens Schlueter/Getty Images)
Von 28. Oktober 2021

Das Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP wurde erarbeitet, um die Richtung der Koalitionsverhandlungen zu bestimmen. Gemeinsam erklärten sie den Umbau Deutschland zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft zur Hauptaufgabe der Zukunft.

Die künftige Koalitionspartner sehen die Chancen in der anstehenden Veränderung. Ein Ansatz ist: „Wir wollen eine Regierung auch für diejenigen sein, die uns bei dieser Bundestagswahl ihre Stimme nicht gegeben haben. Es geht um unser Land, nicht um die Profilierung einzelner Akteure. Wir sehen keine kleinen und großen Parteien, sondern gleichberechtigte Partner auf Augenhöhe. Wir überwinden inhaltliche Differenzen in einem respektvollen Austausch, der sich neugierig und offen für das Argument der anderen zeigt.“

Das Sondierungspapier ist in zehn Themenkomplexe gegliedert:

1. Moderner Staat und digitaler Aufbruch
2. Klimaschutz in einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft
3. Respekt und Chancen in der modernen Arbeitswelt
4. Soziale Sicherheit bürgerfreundlich gestalten
5. Chancen für Kinder, starke Familien und beste Bildung ein Leben lang
6. Innovation fördern und neue Wettbewerbsfähigkeit erreichen
7. Offensive für bezahlbares und nachhaltiges Bauen und Wohnen
8. Freiheit und Sicherheit, Gleichstellung und Vielfalt in der modernen Demokratie
9. Zukunftsinvestitionen und nachhaltige Staatsfinanzen
10. Deutschlands Verantwortung für Europa und die Welt

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Einiges aus den Inhalten: Ein „vorausschauender Staat“

Eine agilere, digitale Verwaltung, Entbürokratisierung – der moderne Staat wird in diese Richtung arbeiten: „Wir wollen einen grundlegenden Wandel hin zu einem ermöglichenden, lernenden und digitalen Staat, der vorausschauend für die Bürgerinnen und Bürger arbeitet. Es geht darum, das Leben einfacher zu machen.“

Die Grünen konnten sich in den bisherigen Vorverhandlungen durchsetzen und schreiben unter dem zweiten Punkt: „Der menschengemachte Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Wir müssen die Klimakrise gemeinsam bewältigen.“ Und weiter: „Wir sehen es als unsere zentrale gemeinsame Aufgabe, Deutschland auf den 1,5 Grad Pfad zu bringen, so wie es der Pariser Klimavertrag und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorgeben.“

Im Jahr 2022 soll ein Klimaschutz-Sofortprogramm mit allen notwendigen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen begonnen werden. Angestrebt wird ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung bis zum Jahr 2030 statt bis 2038. Dazu zählt auch, wie SPD und Grüne zuvor verlangten, dass alle geeigneten Dachflächen künftig für die Solarenergie genutzt werden: „Bei gewerblichen Neubauten soll dies verpflichtend, bei privaten Neubauten soll es die Regel werden.“

Um die Energieversorgung zu sichern, sollen neben dem massiven Ausbau der Erneuerbaren Energie moderne Gaskraftwerke errichtet werden. Ab 2035 sind nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zuzulassen, zwei Prozent der Landfläche sollen für Windkraft ausgewiesen werden.

Leistung soll anerkannt werden

„Wir wollen, dass Leistung anerkannt wird. Das heißt: Wer gut arbeitet, muss auch gut bezahlt werden“, stellen die Autoren im 3. Punkt klar. Plädiert wird für flexiblere Arbeitszeiten und eine einmalige Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde. Gleichzeitig wird die Grenze für Midijobs von 1.300 auf 1.600 Euro und die für Minijobs (10 Stunden pro Woche) von 450 auf 520 Euro erhöht.

Der Sozialstaat soll verlässlich und aktivierend Bürger „in den Stationen ihres Lebens unterstützen, Teilhabe ermöglichen, vor Armut schützen und Lebensrisiken absichern“ (Punkt 4). Rentenkürzungen sind ausgeschlossen, auch das Renteneintrittsalter soll nicht angehoben werden. Gleichzeitig wird die bisherige Grundsicherung (Hartz IV) zum „Bürgergeld“ weiterentwickelt und ein eigenes Kindergrundsicherungsmodell entstehen.

Modernes Einwanderungsland

„Deutschland ist ein modernes Einwanderungsland“, heißt es im 8. Punkt. Die Rechtsordnung soll der gesellschaftlichen Realität angepasst werden, verändert werden sollen explizit das Staatsangehörigkeitsrecht, das Familienrecht sowie das Abstammungsrecht. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll praktikabler und ein Punktesystem für Fachkräfte (nach dem Vorbild Kanadas) eingeführt werden.

Ein Demokratiefördergesetz ist geplant. Gegen Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus, Islamismus, Linksextremismus, Queer-Feindlichkeit und jede andere Form der Menschenfeindlichkeit wird vorgegangen. Das Selbstbestimmungsrecht von Frauen wird gestärkt und die eigenständige Existenzsicherung gefördert. Das Wahlalter wird auf 16 Jahre abgesenkt.

Keine neuen Steuern

Nach all diesen Vorhaben wird auf die Staatsfinanzen eingegangen. Für die nächsten zehn Jahre sind 500 Milliarden Euro Investitionen allein für Klimaschutz, Digitalisierung und Ausbau der Infrastruktur vorgesehen. 

SPD, Grüne und FDP einigten sich auf die Einhaltung der Schuldenbremse und versprechen: „Wir werden keine neuen Substanzsteuern einführen und Steuern wie zum Beispiel die Einkommen-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer nicht erhöhen.“

Wie sollen die Vorhaben jedoch finanziert werden? Im Papier heißt es: „Wir wollen mehr privates Kapital für Transformationsprojekte aktivieren. Dazu prüfen wir auch, welche Beiträge öffentliche Förderbanken zur Risikoabsicherung leisten können. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) soll stärker als Innovations- und Investitionsagentur wirken.“

International setzen die Parteien auf die Stärkung der EU, der Green Deal soll konsequent umgesetzt werden. Außenpolitisch bekennt sich die künftige Koalition unter anderem zur NATO, zur Verbesserung der Bundeswehr, zur Erstellung einer Nationalen Sicherheitsstrategie und die multilaterale Kooperation in der Welt – in enger Verbindung mit den Staaten, die „unsere demokratischen Werte teilen“. Parallel „geht es auch um den Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und Diktaturen“.

Fazit: Ein Katalog ohne Preisangabe

Das Sondierungspapier ist in vielen Punkten konkret („Kein Tempolimit 130“, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr) – außer in einem Punkt, der Finanzierung. 

Die größte Frage bleibt offen: Wie sollen die Vorhaben finanziert werden? Was könnte die KfW leisten? Die Schuldenbremse erlaubt dem Bund neue Kredite bis zu einer maximalen Höhe von 0,35 Prozent des BIP, das entspricht 15 Milliarden Euro im Jahr. 

Diese Regelung des Grundgesetzes erneut auszusetzen ist kaum begründbar, da die konjunkturelle Lage gut ist und die Steuereinnahmen fließen. Eine Änderung der Schuldenbremse wäre nur mittels Zwei-Drittel-Mehrheit möglich, d.h., CDU/CSU müssten zustimmen, was nicht wahrscheinlich ist.

Damit ist abzusehen, dass ein Schattenhaushalt außerhalb des Bundeshaushaltes droht. Fonds oder Zweckgesellschaften bieten sich dafür an. In der vorherigen Regierung liefen diese meist unter dem Begriff „Sondervermögen“, um den Etat nicht zu belasten. Auch diese Kredite, die derzeit zum Null-Zins zu bekommen sind, müssen eines Tages getilgt werden – was den kommenden Generationen und geburtenschwachen Jahrgängen überlassen wird. Ob das das Vertrauen in die staatlichen Institutionen fördert, bleibt fraglich.

Ein Koalitionsvertrag ist rechtlich nicht verbindlich und hat keine juristischen Konsequenzen. Es handelt sich lediglich um eine Absichtserklärung. Vom Koalitionsvertrag der GroKo 2018 wurden von 300 Versprechen rund 80 Prozent umgesetzt.

Das Sondierungspapier kann hier im Original nachgelesen werden: Sondierungspapier SPD – Grüne – FDP 2021



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