Es droht massiver Lehrermangel in Deutschland

Keine Lehrer, falsche Zahlen: Der Verband Bildung und Erziehung wirft der Kultusministerkonferenz vor, mit unsoliden Zahlen für die Zukunft zu agieren.
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Eine Schulklasse. Symbolbild.Foto: iStock
Von 6. April 2022

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Der Verband Bildung und Erziehung wirft der Kultusministerkonferenz vor, mit unseriösen Zahlen zu agieren. Die Anzahl der zukünftig benötigten Lehrkräfte sei viel höher als behauptet. Die Politik verschleiere erneut den tatsächlichen Bedarf.

Bis zum Jahr 2035 erwartet die Kultusministerkonferenz, dass 477.600 Lehrkräfte neu ausgebildet werden. Insgesamt würden 501.400 Lehrkräfte benötigt, was einen Mangel von 23.800 Lehrern ergibt.

Bildungsforscher rechnet nach

Nach Veröffentlichung der Zahlen beauftragte der Verband den Bildungsforscher Prof. i.R. Dr. Klaus Klemm, den tatsächlichen Lehrkräftebedarf und das tatsächliche Angebote an Lehrkräften zu errechnen. Seiner Berechnung zufolge werden 532.600 neue Lehrkräfte bis zum Jahr 2035 benötigt. 

Der Bildungsforscher bezog die Anzahl des benötigen Lehrpersonals bei einem Ausbau der Ganztagsangebote in Grundschulen, der Inklusion und die Unterstützung von Kindern in herausfordernden sozialen Lagen ein. Ohne diese Reformmaßnahmen liegt der Lehrkräftebedarf basierend auf seinen Zahlen bei 459.600. 

Der tatsächliche Bedarf wird demnach um ein Vielfaches höher ausfallen als von der Kultusministerkonferenz prognostiziert, erklärt Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung, kurz VBE. 

„Die Zeiten der Schönrechnerei und das weitere Verschleppen dringend gebotener umfänglicher Maßnahmen zur Lehrkräftegewinnung und -bindung sind vorbei“, sagt Beckmann, „Stand die Uhr vor der Pandemie noch auf kurz vor zwölf, ist es jetzt bereits 5 nach zwölf!“

Nur wenn man sich die Situation nicht länger schönrechne, werde man bereit sein, die notwendigen Investitionen vorzunehmen. Die Politik könne sich nicht mehr aus der Verantwortung stehlen und sagen, sie hätte es nicht besser gewusst.

Es gibt viel weniger Lehramtsstudenten

Während einerseits die Parameter der Modellrechnung der Kultusministerkonferenz nicht offengelegt werden und damit nicht nachvollziehbar sind, bezweifelt der Verband Bildung und Erziehung andererseits auch die Zahl von dann 477.600 neu ausgebildeten Lehrkräften. 

Das sei unrealistisch. „Weder sind die Annahmen der KMK durch jüngste Entwicklungen bei den Studierendenzahlen im Lehramtsstudium gedeckt noch durch die Zahl der Schulabsolventinnen und -absolventen in den kommenden Jahren“, sagt Beckmann. Prof. Klemm habe bis 2035 ein Angebot von 374.300 Lehrkräften ermittelt.

Werden beide Berechnungen verglichen, ergibt sich ein Defizit von 137.100 Lehrkräften (501.400 minus 364.300). Wird der höhere Bedarf an Lehrkräften wegen der drei großen politisch gesetzten Reformvorhaben (Ganztag, Inklusion, Unterstützung von Kindern in herausfordernden sozialen Lagen) einbezogen, erhöht sich der Lehrkräftemangel auf 158.700.

Die KMK weist jedoch bis 2035 nur einen Lehrkräftemangel von lediglich 23.800 Lehrkräfte aus.

„Die Aussagekraft der KMK-Prognose als Grundlage für dringend benötigte Maßnahmen zur Lehrkräftegewinnung und -bindung löst sich damit abermals in Luft auf.“ Udo Beckmann erklärt weiter: „Die KMK muss sich endlich auf seriöse, verbindliche und methodisch abgestimmte Standards bei der Erstellung zukünftiger Bedarfs- und Angebotsprognosen durch die Länder verständigen, die die notwendige Grundlage für eine belastbare Gesamtprognose für Deutschland darstellen.“

Es sei nicht hinnehmbar und fatal, wenn die Politik den Handlungsdruck kaschiere und seriöse Berechnungen ignoriere. Mehrbedarf durch die Auswirkungen der Flüchtlingsbewegungen und die Corona-Zeit seien nicht mit berücksichtigt wurden.

Prof. Klemm weist darauf hin, dass für bestimmte Unterrichtsfächer in den Schulen der Lehrkräftemangel „ein dramatisches Ausmaß“ annehmen wird: „Eine Analyse für Nordrhein-Westfalen, die auf die übrigen Bundesländer tendenziell übertragbar ist, hat gezeigt, dass schon 2030 nur für ein Drittel der Stellen für MINT-Lehrkräfte, die dann neu besetzt werden müssen, neu ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stehen werden.“ Als MINT-Fächer gelten Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.

Die Politik muss endlich Antworten liefern

Unabhängig von den Zahlen sollten schnell konkrete Maßnahmen ergriffen werden, um den Lehrkräftemangel zu beseitigen, verlangt Beckmann. Der Verband Bildung und Erziehung fordert, eine bundesweite Fachkräfteoffensive zu beginnen. Die Lehramtsausbildung benötigt dringende Verbesserungen in der Planung und Durchführung, die Anzahl der Studienplätze sollte bei deutlich besseren Studienbedingungen erhöht werden. 

Lehrer bräuchten neben mehr Anerkennung überall die gleiche Bezahlung, unabhängig von Schulform und -stufe sowie eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen an den Schulen. Um die ländlichen Regionen weiterhin mit Schulen zu versorgen, seien „weitere, kreative und die Bedürfnisse junger Menschen“ wahrnehmende Maßnahmen erforderlich.

Der VBE fragt sich zudem: Wie ernst meint die Politik die Maßnahmen wie Ganztag, Inklusion, Integration und Unterstützung von Kindern in herausfordernden sozialen Lagen? Sollten diese Maßnahmen bedarfsgerecht umgesetzt werden, wird ein Zwei-Pädagogen-System benötigt, erklärt der Verband Bildung und Erziehung: „Hier muss die Politik endlich Antworten liefern, wie sie dies bewältigen will.“

Auf eine Anfrage der Epoch Times reagierte die Kultusministerkonferenz bisher nicht.



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