Habeck lehnt individuelle CO₂-Grenze ab

Wirtschaftsminister will statt Wohlstandsverbot höhere Steuern. Klimaforscher Schellnhuber fordert hingegen Limit von drei Tonnen pro Person.
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Wer umsichtig am PC arbeitet, kann CO₂ sparen.Foto: iStock/Treibhausgas
Von 13. Januar 2023

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lehnt eine individuelle CO₂-Obergrenze ab. „Ich konzentriere mich jetzt nicht auf die Frage eines individuellen Budgets“, sagte er dem ARD-Politikmagazin „Panorama“. Eine solche Obergrenze schlägt der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber vor. Ein individuelles Budget soll den CO₂-Ausstoß pro Person begrenzen und gleichzeitig einen privaten Handel mit CO₂-Rechten ermöglichen.

Klima mit „radikaler Klarheit“ stabilisieren

„Jeder Mensch kriegt drei Tonnen CO₂ pro Jahr, aber wer mehr braucht, muss es sich eben einkaufen“, sagte der emeritierte Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Und zwar von anderen, die weniger verursachen. Schellnhuber fügte hinzu, dass man endlich eine „radikale Klarheit“ brauche, was jeder Einzelne beizutragen habe, um das Klima zu stabilisieren. Wenn man das wirklich ernstnehme und die Erderwärmung bei unter zwei Grad stoppen wolle, dann stünde jedem Erdenbürger bis Mitte des Jahrhunderts nur noch ein Budget von jährlich drei Tonnen CO₂ zur Verfügung. Schellnhuber ist auch Agenda-Mitarbeiter beim World Economic Forum (WEF). Dort hat er Beiträge zum Thema Klima veröffentlicht.

Bis Mitte des Jahrhunderts null CO₂-Ausstoß

Um im Schnitt die drei Tonnen CO₂-Ausstoß jährlich zu erreichen, müsse niemand diese Grenze sofort einhalten. Die individuellen Emissionen müssten aber ab jetzt schnell sinken. Und zwar zunächst auf die drei Tonnen bis etwa 2030, dann weiter auf null bis Mitte des Jahrhunderts. Habeck will dagegen die Menge der Treibhausgase durch die bereits eingeleiteten Maßnahmen wie etwa den Ausbau erneuerbarer Energien oder Gebäudesanierungen reduzieren. Zudem müssten Produkte, die klimaschädlich hergestellt würden, teurer werden, so Habeck. Falls nötig, müsse man sie auch verbieten. Er sei der Meinung, dass die Klimaschutzziele ohne eine „individuelle Klima-Kontrolle“ besser zu erreichen seien.

Gutachten: Ziele für 2030 werden verfehlt

Doch selbst der von der Bundesregierung eingesetzte Expertenrat für Klimafragen kommt zu der Einschätzung, dass der Ausstoß von Treibhausgasen zu langsam sinkt. Die Ziele für das Jahr 2030 würden voraussichtlich „signifikant verfehlt“, heißt es in einem aktuellen Gutachten. Das Gremium empfiehlt deshalb, nicht mehr nur weiche Minderungsziele zu formulieren, sondern eine „harte Begrenzung zulässiger Emissionsmengen“ einzuführen. Von den geforderten jährlichen drei Tonnen CO₂ pro Person sind die Menschen in Deutschland noch weit entfernt. Aktuell verursacht jeder Einzelne hierzulande im Schnitt etwa zehn Tonnen CO₂ pro Jahr.

Reiche verursachen viel mehr Treibhausgase

Menschen mit größeren Vermögen verursachen sogar noch deutlich größere Mengen an Treibhausgasen. Viele Millionäre in Deutschland kommen nach Daten des Pariser „World Inequality Lab“ auf jährlich mehr als 100 Tonnen CO₂ pro Person. Und weltweit verursachen mehrere Hunderttausend sogenannte „Superreiche“ demnach pro Kopf sogar mehr als 2.000 Tonnen CO₂ jährlich. Das „World Inequality Lab“ gehört zur „Paris School of Economics“ und wird unter anderem von der EU sowie von den Vereinten Nationen finanziert.

Fundamentales Gerechtigkeitsprinzip

Ein privater Emissionshandel mit einem begrenzten individuellen CO₂-Budget würde einem „fundamentalen Gerechtigkeitsprinzip“ folgen, so Schellnhuber. Jeder Mensch habe den gleichen Anspruch auf die Nutzung der Erdatmosphäre. Habeck räumte ein, dass es einen Zusammenhang zwischen Reichtum und globaler Erwärmung gebe. Das Thema Energie sei nicht mehr nur eine soziale, sondern inzwischen auch eine ökologische Gerechtigkeitsfrage, so der Minister. Ein individuelles CO₂-Budget lehnt der Grünen-Politiker dennoch ab: „Die Gerechtigkeitsfrage lösen wir in allen sozialen Gesellschaften nicht über das Verbot von Wohlstand oder Arbeit oder Reichtumserwerb, sondern über die Besteuerung.“

Fact-Sheet der „Aachener Stiftung“

Der Ruf nach individuellen Klimakonten für jeden Erdbewohner ist indes nicht neu. So forderte der Wirtschaftsingenieur und Buchautor Klaus Dosch („Mehr Mut beim Klimaschutz. Plädoyer für einen persönlichen Emissionshandel“) bereits 2011, dass jeder Bundesbürger mit zwei Tonnen CO₂-Emissionen pro Jahr auskommen solle. Verbrauchen die Menschen mehr, müssen sie CO₂-Zertifikate kaufen. Dosch arbeitete damals für die „Aachener Stiftung“. Diese hatte ein Factsheet mit dem Titel „Einführung einer handelbaren individuellen CO₂-Emissionsquote“ veröffentlicht. Das 16-seitige Papier ist zwar undatiert, die Inhalte lassen aber auf eine Ausarbeitung aus dem Jahr 2008 schließen. Auch fehlen die Namen der Autoren. Als Befürworter einer „konsequenten CO₂-Minderungspolitik“ werden die damalige Bundeskanzlerin Angela Merke und der frühere Bundespräsident Horst Köhler (beide CDU) genannt.

Wirtschaft sprach von Klima-Hysterie

Widerstände seien aus der Industrie zu erwarten. So zitiert das Fact-Sheet den damaligen Präsidenten der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Dieter Ameling: „Es gibt eine regelrechte Klima-Hysterie, die uns nicht weiterhilft“, sagt dieser 2007. „Das Thema Kohlendioxid ist nun hinreichend platt getreten in der Öffentlichkeit, die Gesellschaft wird in einigen Wochen wieder auf den Boden der Realität zurückkehren“, sagte ebenfalls Rupert Stadler in seiner damaligen Funktion als Vorstandsvorsitzender des Autoherstellers Audi.

Einrichtung einer globalen CO₂-Behörde problematisch

Eine Reihe von Problemen sieht das „Aachener Institut“ auch bei der Errichtung einer „Welt-CO2-Behörde“. Deren Aufgabe wäre die Koordination „nationaler Handelsschemen aller Länder der Welt“.  Die Behörde müsste dafür sorgen, dass die mit der Produktion von gehandelten Gütern verbundenen CO₂-Emissionen erfasst und entsprechend zugerechnet würden. Allerdings könne es „Jahrzehnte“ dauern, bis diese Koordinationsstelle auf Ebene der Vereinten Nationen (UN) eingerichtet wäre. „Die Zeit dafür steht ganz offensichtlich aus klimatologischen Gründen nicht zur Verfügung“, lautet das Fazit.

„Big Points“ beim Sparen

Doch auch ohne eine globale Koordination sind individuelle CO₂-Konten omnipräsent. So bietet beispielsweise das Auktionsportal „Ebay“ seit November 2022 einen „individuellen CO₂-Ausgleich zu jedem Einkauf“ an. Geldinstitute werben mit „nachhaltigen Konten“, die App der „Deutschen Bank“ zeigt den Kunden den CO₂-Ausstoß „auf einen Blick“.  Über die „Big Points“ beim sparen von CO₂ informiert das Umweltbundesamt. Passend dazu bietet die Behörde einen 44-seitigen Ratgeber mit dem Titel „Freiwillige CO₂-Kompensation durch Klimaschutzprojekte“ an.

Fernseher an, Computer aus

Und weil das Arbeiten an Computern und das Surfen im Internet natürlich auch reichlich CO₂ produziert, hat das Amt auch noch Tipps zum Reduzieren des Datenvolumens parat. So solle man das Streamen von Videos möglichst meiden und dafür den Fernseher einschalten. Wer doch gerne auf die Mediatheken oder diverse Plattformen zurückgreifen möchte, dem empfiehlt das Amt, Beiträge in geringerer Bildauflösung zu schauen. Dasselbe gilt für das Versenden von eigenen Videos oder Fotos. Das Versenden von Links statt großer Dateien verringert den CO₂-Ausstoß angeblich ebenfalls.

Ein gesamtgesellschaftliches Problem

Von einem PR-Trick, der von den eigentlichen Machern des Klimawandels ablenkt, spricht ein Artikel des Nachrichtenportals „telepolis“. Darin wird erinnert, wie der Ölkonzern BP im Jahr 2006 von seinem „gigantischen Ausstoß“ an Treibhausgasen ablenkte, in dem er „uns alle“ an „unsere Verantwortung erinnerte. Mithilfe der PR-Agentur Ogilvy & Partner erklärte der Konzern die Umweltbelastung zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem.

Wir alle retten das Klima

Dieser Technik bedienen sich aktuell nun staatliche und gesellschaftliche Institutionen. Dazu propagieren sie den persönlichen „CO₂-Fußabdruck“. Internetseiten der Europäischen Union oder des bereits erwähnten Umweltbundesamtes bieten entsprechende Rechner. Ebenso verfahren von Unternehmen aus der Energie- und Wasserwirtschaft, der Finanzbranche, von Industrie- und Handelskammern, von Verbänden und vielen Initiativen und Nichtregierungsorganisationen wie WWF oder Greenpeace. Auch heute retten „wir alle“ das Klima, wenn wir unseren Ausstoß an Treibhausgasen reduzieren. „Otto Normalverbraucher“ steht so wieder in einer Reihe mit Emittenten wie Industrie, Energiekonzernen, Handel und Verkehr, Landwirtschaft sowie den sie „flankierenden Staaten“.



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