Kritik am Verhalten Österreichs wächst – „Wir können sie nicht aufhalten. Sie wollen alle nach Deutschland“

Epoch Times26. Oktober 2015
Plötzlich drängen Hunderte Flüchtlinge von der österreichischen Seite auf die deutschen Beamten bei Passau zu. Es wird unübersichtlich, die Lage auf der schmalen Straße droht zu eskalieren, die Beamten aus Österreich schauen tatenlos zu.

Schließlich platzt dem Einsatzleiter der Bundespolizei auf deutscher Seite der Kragen. Über den Lautsprecher seines Einsatzwagens wendet er sich an die Kollegen aus dem Nachbarland. „Ich bitte Sie höflichst, die Einreisewilligen auf den Bürgersteig zu verbringen.“

Etwa 700 Flüchtlinge werden aus Österreich am Montag mit Bussen zum Grenzübergang bei Passau gebracht. Das Österreichische Rote Kreuz versorgt sie mit Wasser, Tee, Bananen und Müsliriegeln. Dann müssen die Migranten auf die Weiterfahrt nach Deutschland warten. Als die Busse schließlich kommen, laufen rund 500 Menschen los. Die Beamten aus Österreich schreiten nicht ein. Auf der engen Grenzstraße herrscht Chaos.

Nicht nur beim Empfang der Flüchtlinge, sondern auch bei deren Unterbringung haben die bayerischen Behörden immer größere Mühe. Die Schreckensvision obdachlos in der Kälte frierender Flüchtlinge könnte in Ostbayern Realität werden. „Die Möglichkeiten sind erschöpft“, sagt Ministerpräsident Horst Seehofer, den am Sonntagabend Hilferufe aus Niederbayern erreichten. Nach Angaben der Stadt Passau standen in der Nacht plötzlich überraschend 2000 Flüchtlinge vor der Tür, die von den österreichischen Behörden nicht angekündigt worden waren.

Landrat Meyer erneuerte am Montag seine Kritik am Vorgehen der österreichischen Behörden. Entgegen aller Absprachen hätten diese ohne Vorankündigung Tausende Flüchtlinge bis unmittelbar an die bayerische Grenze gebracht, betont er. Dies hätte „die Lage am Wochenende beinahe außer Kontrolle geraten“ lassen. Das habe nichts mit einem partnerschaftlichen Europa zu tun, betont Meyer.

„Abgesprochen ist, dass immer nur 50 Menschen von österreichischer Seite durchgelassen werden, um einen geordneten Ablauf zu gewährleisten“, sagt der Sprecher der Bundespolizeiinspektion Freyung, Heinrich Onstein. Es sollen erst wieder Flüchtlinge von der Grenze nach Passau gebracht werden, wenn die Notunterkünfte wieder Kapazitäten haben. Daran halten sich die Kollegen aus Österreich aber nicht.

„Was sollen wir machen? Die Menschen gehen einfach selbst los. Wir können sie nicht aufhalten. Sie wollen alle nach Deutschland“, sagt der sichtlich resignierte österreichische Einsatzleiter. Er rechnete zunächst mit 14 voll besetzten Bussen für Montag. „Es können aber auch 30 oder mehr werden. Wir werden erst kurzfristig informiert.“ Am Sonntag waren gar 62 Busse mit 3400 Menschen an diesen Grenzübergang gebracht worden. In der kalten Nacht hatten die Menschen auf dem Radweg mehrere Feuer gemacht, um sich aufzuwärmen.

Dabei finden die Flüchtlinge hier nur gute Worte für Österreich und Deutschland. „Hier werden wir seit der Flucht das erste Mal menschlich behandelt. In der Türkei, Griechenland, Mazedonien und Serbien wurden wir wie Tiere behandelt“, sagt der 28 Jahre alte Ahmid aus Syrien. Drei Tage habe er aus Angst um seine beiden kleinen Kinder nicht geschlafen. In Österreich hat die Familie auch erstmals wieder ein Dach über dem Kopf gehabt.

Burhan (38) aus Syrien steht mit seiner Frau und den drei Kindern ganz vorne in der Schlange nur wenige Meter vor dem alten Grenzstein nach Deutschland. Die Familie hat auf der Flucht auf dem Meer ihre gesamte Kleidung verloren. Jetzt haben sie zwei große Plastiksäcke voll Anziehsachen dabei – Spenden aus Österreich. Auch die Kuscheltiere für die Kinder haben sie geschenkt bekommen.

Als die Polizisten aus Österreich und Deutschland die Lage an der schmalen Straße wieder im Griff haben, darf Burhan mit seiner Familie die letzten 200 Meter zu Fuß nach Deutschland gehen. Der Bus, der die Flüchtlinge in die Erstaufnahmeeinrichtungen und Notquartiere bringt, wartet an einem Gasthof. Dieser heißt, als wollte er den Endpunkt der gefährlichen Flucht dokumentieren: „Gasthaus Zur Freiheit“.

(dpa)

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