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plus-iconElektrifizierte Straße

Induktives Laden auf der A6: Laden E-Auto-Fahrer bald kontaktlos?

Die Elektromobilität macht regelmäßig Fortschritte. Jetzt wollen Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität in Nürnberg das Laden von E-Fahrzeugen revolutionieren. Per Induktionsspulen soll die Straße selbst zur Ladestation werden.

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Ein Test-Lkw von Elektreon auf der Teststrecke für induktives Laden auf der A6 bei Amberg.

Foto: FAU/Harald Sippel

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Lesedauer: 12 Min.


In Kürze:

  • Die Testphase für das induktive Laden auf der A6 mit Testfahrzeugen ist inzwischen beendet.
  • Prof. Risch von der Uni Nürnberg verrät zahlreiche Details zum Projekt, das die Reichweite von E-Fahrzeugen erhöhen soll.
  • Das Projekt E|MPOWER ist nicht das erste seiner Art.
  • Es stellt sich die Frage, ob das Projekt einen Meilenstein darstellt oder floppt wie die Oberleitungs-Lkw.

 
Mit dem E-Auto 500 Kilometer oder mehr am Stück ohne zeitraubende Ladepause zurücklegen? Das ist für die meisten heutigen batteriebetriebenen Modelle unmöglich. Wenn Autofahrer eine längere Distanz mit ihnen zurücklegen wollen, ist oft eine sorgfältige Routenplanung nötig.
Wo befinden sich öffentliche Ladesäulen? Wann ist der erste Stopp fällig, wann bei Bedarf weitere? Wie sind die Tarife an den ausgewählten Ladestationen? All diese Fragen gilt es im Vorfeld zu klären.
Forscher vom Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS) der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg wollen das ändern. Ihre Vision: In Zukunft sollen E-Fahrzeuge während der Fahrt ihre Akkus nachladen können. Das soll in Zukunft deren Reichweite deutlich erhöhen.

Elektrisierende Fahrbahn

Dazu hat der FAPS in Kooperation mit unter anderem der Autobahn GmbH des Bundes das Projekt E|MPOWER auf der A6 ins Leben gerufen. Das ist eine rund 1 Kilometer lange Teststrecke auf der Autobahn A6 zwischen den Anschlussstellen Amberg-West und Sulzbach-Rosenberg in Richtung Nürnberg.
„Das Verbundprojekt lief über drei Jahre“, teilte Prof. Dr.-Ing. Florian Risch vom FAPS der Epoch Times mit. „Die Testphase ist aktuell abgeschlossen, Folgeprojekte sind in der Beantragung.“ Damals hat es das Bundeswirtschaftsministerium mit rund 6,5 Millionen Euro gefördert. Das Forscherteam habe viele Daten und Erkenntnisse gesammelt und sei aktuell damit beschäftigt, diese auszuwerten und zu ordnen.
Nach Aussage des Professors für Montagetechnologien für elektrische Energiespeicher erlaubte die Autobahn GmbH den Forschern, die Spulen während einer bestehenden Autobahnbaustelle mit in die Fahrbahn einzubauen. Die Baustelle endete im Juni. Die ersten Testfahrten hätten noch auf der für den Straßenverkehr abgesperrten Baustelle kurz vor der Öffnung für den Straßenverkehr stattgefunden. Laut Risch war es wichtig gewesen, die Tests in den Sommermonaten, also ohne Frost, durchzuführen.
Äußerlich sieht die Fahrbahn aus wie jede andere. Versteckt unter dem Fahrbahnbelag befinden sich allerdings mehrere Spulenkörper. Diese können über ein Magnetfeld Strom an eine Empfängerspule in einem darüberfahrenden Fahrzeug abgeben. Durch dieses induktive Laden soll sich die Batterie des E-Fahrzeugs aufladen.
Induktives Laden ist auf wenigen Straßen Europas im Test.

Offene Gegenspule an einem Test-Lkw des Elektrofahrzeugherstellers Electreon (o.l.) und Verlegung der Ladespulen (o.r.). Der Ladevorgang beginnt erst, wenn das Lademanagement der Straße ein autorisiertes Fahrzeug erkennt (unten).

Foto: FAU/Harald Sippel (Lkw)/Electreon (Straße)/E|MPOWER (Schema); Collage: ts/Epoch Times

Kein Pionierprojekt

Dabei ist das Projekt E|MPOWER auf der A6 nicht das erste seiner Art. Wie der Professor schilderte, gibt es „eine ganze Reihe an internationalen Projekten“ zum induktiven Laden auf der Straße. Hierbei erwähnte er eine 1,5 Kilometer lange Teststrecke in Frankreich in der Nähe von Paris, wo ebenfalls Testfahrten stattgefunden haben.
In Frankreich fand der landeseigene Startschuss für das dortige Projekt „Electric Road System“ (Elektrisches Straßensystem) vor rund fünf Jahren statt.
Ebenso gibt es ein solches Testprojekt in den USA. Dort soll es die erste Ladestrecke mit 200 Kilowatt (kW) Ladeleistung geben. Ein ähnliches Projekt, ebenfalls in den USA, ist das ASPIRE Research Center.

Welcher Bodenabstand ist nötig?

Der Ansatz, dass sich die Batterien während der Fahrt aufladen könnten, klingt zunächst vielversprechend. Aus technischer Sicht stehen jedoch einige Fragen im Raum. Eine bezieht sich auf den Bodenabstand. Vom Induktionsherd ist bekannt, dass der Topf direkt auf dem Herd stehen muss, damit die Energie optimal übertragen wird. Je weiter der Topf über der Herdplatte positioniert ist, desto schwächer die Erwärmung.
Beim Projekt E|MPOWER liegt allein die Straßenspule bereits 12 Zentimeter (cm) unter der Fahrbahndecke. Zudem muss der nötige Bodenabstand des Fahrzeugs von mindestens 11 cm eingehalten werden. Je nach Fahrzeugtyp hat die Empfängerspule auch einen deutlich höheren Bodenabstand.
Das System auf der A6 ist nach Angabe von Risch für Bodenfreiheiten von 15 bis 20 cm ausgelegt. In diesem Bereich muss sich die Fahrzeugspule befinden. „Somit haben wir einen magnetischen Abstand (Kupfer zu Kupfer) von 27 bis 32 cm“, erklärte der Wissenschaftler.
Findet hier überhaupt noch eine passable Energieübertragung statt? Hierzu sagte Risch: „Für diesen Luftspalt erreichen moderne resonante Gleichstrom-Induktivsysteme Übertragungswirkungsgrade im Stand über 90 Prozent und in der Bewegung über 80 Prozent.“ Ein Kernelement der Messkampagnen auf der A6 sei eben diese Ermittlung der Wirkungsgrade unter realen Bedingungen gewesen.
Induktives Laden

Die Testfahrzeugflotte des Projektes E|MPOWER.

Foto: FAU/Harald Sippel

Geschwindigkeit beeinflusst Ladeleistung nicht

Mit welcher Geschwindigkeit die Fahrzeuge über die Teststrecke flitzen, beeinflusst laut Risch die Ladeleistung nicht. Allerdings wirkt sie sich primär auf die Energiemenge pro Kilometer aus.
„Bei höheren Geschwindigkeiten verkürzt sich logischerweise die Zeit über den aktivierten Spulen“, erklärte Risch. Je schneller das Fahrzeug, desto kürzer also die Ladezeit und somit die induzierte Strommenge.
Die Fahrt eines Spulenfahrzeugs mit 80 Kilometern pro Stunde über die 1-Kilometer-Strecke ist bereits nach 45 Sekunden beendet. Somit ist die Lademenge auch nur minimal. Wenn über einer solchen Ladestrecke jedoch Stau herrscht, kommt das immerhin dem Batteriestand zugute.
Die Strommenge ist laut Risch zudem abhängig vom Fahrzeugkonzept und dessen Anzahl der Pickups, also der Empfängerspulen. Während ein Pkw in der Regel nur eine Spule mitführen kann, hat der viel längere Lkw Platz für drei Spulen oder noch mehr. „Der umgerüstete Versuchs-Lkw hat auf der französischen Teststrecke A10 eine Ladeleistung von über 250 kW gezeigt“, sagte Risch.

Flop-Risiko wie beim Oberleitungs-Lkw?

Manche denken bei der Teststrecke an die Oberleitungsteststrecken, die sich inzwischen teilweise wieder im Abbau befinden. Auch hier hat der Bund mehrere Millionen Euro investiert. Letztlich hat sich diese Variante, E-Fahrzeuge während der Fahrt aufzuladen, als Flop herausgestellt.
Risch ist jedoch optimistisch, dass sich das induktive Laden durchsetzen kann. „Autonome Fahrzeugkonzepte entwickeln sich weiter, die von einer automatisierten Ladeschnittstelle profitieren“, sagte er. Hinzu kämen fortlaufende Ideen zur Verbesserung der Komponenten. Im Laufe der Tests habe das Forscherteam bereits die Spulenform optimiert und mit anderen Materialien – beispielsweise mit Aluminium statt mit Kupfer – gute Erfahrungen gesammelt, so Risch.
„Allgemein wächst das Bewusstsein für die durch Electric Road Systems mögliche Reduktion der Importabhängigkeit von Batteriesystemen und Batterierohstoffen aus Asien“, sagte er. Das fördere das Projekt zusätzlich. „Induktive Systeme (als Variante eines Electric Road Systems) sind dabei weniger störanfällig, für Pkw wie Lkw nutzbar und eignen sich auch für eine selektive Elektrifizierung bautechnisch komplexer Abschnitte.“

Stromversorgung über öffentliches Stromnetz

Dabei beobachte Risch auch mögliche Vorteile für das Energienetz, wenn viele E-Fahrzeuge über dem Spulensystem fahren. „Die Energieversorgung erfolgt über neben der Fahrbahn platzierte Schaltschränke, die an das reguläre Stromnetz angebunden sind“, erklärte der Professor.
Es fließe erst dann Strom, wenn eines der bisher drei autorisierten Fahrzeuge über die Spulen fährt. „Ein durchgehender öffentlicher Ladebetrieb besteht damit nicht, sondern der Betrieb ist auf definierte Testfahrzeuge und Testfahrten beschränkt.“
Bei Stromüberschuss, wenn also Windkraft und Photovoltaik viel Strom in die Netze einspeisen, kann jedes dieser E-Fahrzeuge mit einer solchen Spule das Stromsystem entlasten. Umgekehrt jedoch, wenn diese wetterabhängigen „Erneuerbaren“ zu wenig Strom erzeugen und Strommangel herrscht, könnte die Ladestraße jedoch das Stromsystem zusätzlich strapazieren.

Was kostet eine Ladestraße?

Stattet man die Straßen mit Ladespulen aus, entstehen zwangsläufig Zusatzkosten. „Mit aktuellen Systemen liegen die Systemkosten noch über einer Million Euro pro Spurkilometer“, verriet Risch. Mittelfristiges Ziel sei es, durch Weiterentwicklungen die Kosten noch etwas zu senken. Hierbei ist jedoch zu erwähnen, dass ein Autobahnkilometer meist aus vier oder sechs Spuren besteht. Sollten alle elektrifiziert werden, würden sich die Kosten auch in etwa vervielfachen.
Beim Vergleich mit den Baukosten einer gewöhnlichen Autobahn erscheinen diese zusätzlichen Millionen mitunter moderat. Denn die Kosten pro Autobahnkilometer lagen nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums vor über zehn Jahren bei 6 bis 20 Millionen Euro. Bei aufwendigeren Projekten können sie auch 100 Millionen Euro erreichen.
Diese Summe übertraf der inzwischen fertiggestellte 3,2 Kilometer lange 16. Abschnitt der Berliner Stadtautobahn A100. Die Kosten lagen letztlich bei rund 721 Millionen Euro, das bedeutet rund 225 Millionen Euro pro Kilometer. 6 Millionen zusätzlich würden hier Mehrkosten von unter 3 Prozent bedeuten.
Wie viel ein E-Auto-Fahrer in Zukunft für das induktive Laden für die Kilowattstunde bezahlen muss, ist noch nicht bekannt. „Forschungsprojekte zur Abrechnungslogik laufen parallel in anderen Konsorten und werden derzeit außerhalb des Verbundprojektes E|MPower entwickelt“, erklärte Risch hierzu.

Welche Fahrzeuge könnten die Spulen bekommen?

Falls sich diese Ladevariante durchsetzen sollte, haben die Forscher bereits einen Plan, wer sie als Erstes bekommen wird. „In einem ersten Schritt sollen mit dieser Technologie Flotten adressiert werden“, teilte Risch mit. Damit sind Fahrzeugflotten von Unternehmen gemeint. „Perspektivisch werden die Systeme durch Skaleneffekte deutlich günstiger.“
Laut dem Professor kämen diese Technologien im Bereich der Fabrikautomatisierung bereits heute im nichtöffentlichen Bereich zum Serieneinsatz.
Bis zum Einsatz in privaten E-Autos dürfte es also auch nach Projektabschluss noch einige Jahre dauern. Da zudem eine Nachrüstung der Ladespule bei einem Pkw wohl nicht so leicht möglich ist, müssen die Autofahrer darauf warten, dass die Autohersteller entsprechende Modelle anbieten – und hoffen, dass bis dahin deutlich mehr Ladespuren als der bestehende 1-Kilometer-Testabschnitt auf der A6 existieren.
Dies könnte einerseits die Zahl der Baustellen auf deutschen Autobahnen in die Höhe treiben. Andererseits würden selbst 250 kW Ladeleistung bei 80 Kilometern pro Stunde nur etwa 6,5 Kilometer Reichweitengewinn bedeuten. Passen weniger Ladespulen unters Auto oder fährt es schneller, sinkt die gewonnene Reichweite entsprechend.
Das Fachgebiet von Maurice Forgeng beinhaltet Themen rund um die Energiewende. Er hat sich im Bereich der erneuerbaren Energien und Klima spezialisiert und verfügt über einen Hintergrund im Bereich der Energie- und Gebäudetechnik.

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