Feldversuch eHighway „komplett gescheitert“? – Erste Strecke kurz vor dem Abbau

Es war ein Versuch vom Bund und einigen Ländern, die Dekarbonisierung im Lkw-Verkehr voranzubringen: der eHighway für Trucks. Doch nach fast fünfjähriger Versuchsphase deutet vieles auf ein Scheitern des Projekts hin – alles auf Kosten des Steuerzahlers.
Feldversuch eHighway „komplett gescheitert“? – Erste Strecke kurz vor dem Abbau
Ein LKW mit Oberleitungsantrieb fährt in Templin auf der „eHighway“-Teststrecke von Siemens.Foto: Bernd Settnik/dpa
Von 29. August 2023

Man hat sie nur selten zu sehen bekommen, wenn überhaupt: Lkws, die an eine Oberleitung andocken, und dadurch Energie tanken. Und wahrscheinlich wird es bei diesem Seltenheitswert bleiben. Denn offenbar entpuppt sich der Feldversuch eHighway im Zuge der Mobilitätswende als kompletter Misserfolg – auf Kosten der Steuerzahler.

Derzeit gibt es drei solche Anlagen, bei denen über Autobahnen beziehungsweise einer Bundesstraße Oberleitungen über eine Fahrstrecke gespannt ist. An der A5 zwischen Frankfurt am Main und Darmstadt, an der A1 zwischen Lübeck und Reinfeld (Schleswig-Holstein) und an der B462 im Murgtal bei Rastatt (Baden-Württemberg). Diese Oberleitungen ziehen sich jeweils über mehrere Kilometer hin.

E-Lkw sind Hybride

Wenn die E-Lastwagen einen Streckenabschnitt mit Oberleitungen anfahren, klappen sie während des Fahrens ihre Stromabnehmer aus, um an die Leitungen anzudocken. Im Optimalfall sollen die Fahrzeuge dann mit Strom aus „erneuerbaren“ Energiequellen statt mit Dieselantrieb fahren, wie „Focus“ berichtet. Den Diesel brauchen sie wieder, sobald sie die Strecke verlassen. Die Hybrid-Fahrzeuge sind, verglichen mit normalen Elektroloks oder Straßenbahnen, technisch deutlich komplexer. Der einzige Zweck der Technologie ist die – theoretisch – bessere CO₂-Bilanz durch den eingesparten Dieselkraftstoff.

Kritik an dem Projekt gab es bereits von Anfang an von vielen Fachleuten. So äußerte etwa Daimler-Truck-Chef Martin Daum im Oktober 2021 seine Bedenken. „Oberleitungen bräuchten eine flächendeckende, europaweite Infrastruktur über abertausende Kilometer. Die damit verbundenen Planungsverfahren wären hochkomplex, langwierig und mit großer Unsicherheit behaftet. Damit ist diese Technologie praktisch nicht realisierbar.“

Bereits im Jahr 2019 kritisierte der Bund der Steuerzahler das Konzept. Demnach sei die Idee der Oberleitungs-Lkw technisch nicht ausgereift und bringe zudem nicht den gewünschten Treibstoffeinsparungseffekt.

Erste Strecke wird 2024 wieder abgebaut

Derzeit sind keine weiteren eHighway in Planung oder im Bau, im Gegenteil. Die erste der drei Oberleitungen soll im kommenden Jahr abgebaut werden, nämlich der eWayBW in Baden-Württemberg. Das bestätigte das Ministerium für Verkehr in Baden-Württemberg auf Anfrage der Epoch Times. Der eWayBW. Dabei sollen die Versuchsfahrzeuge dort regelmäßig Testfahrten absolvieren – bis zu 60 pro Kalendertag, teilte der Pressesprecher Edgar Neumann mit.

Die Betreiber des Projekts hätten dadurch diverse Erkenntnisse bezüglich Planung, baulicher Umsetzung der Oberleitungsinfrastruktur und zum Betrieb der Versuchsfahrzeuge sammeln können. Genaueres konnte Neumann allerdings nicht verraten. Die detaillierten Projektergebnisse würden zu gegebener Zeit auf der Projektwebsite veröffentlicht.

Der Rückbau der Anlage soll ab dem vierten Quartal 2024 beginnen. Allerdings sei der Rückbau seit Projektbeginn an vorgesehen gewesen. Daher könne er laut dem Ministerium „nicht als Grund eines Projektscheiterns aufgefasst werden“. Die Behörden zeigen sich offen für „weiteren Projekte im Bereich der klimafreundlichen Mobilität“, um den „Straßengüterverkehr zu dekarbonisieren“, so Neumann.

Bereits 190 Millionen Euro versenkt

Das Konzept scheint aufgrund des Rückbaus der ersten Anlage und der Bewertung vieler Fachleute als ein vergeblicher Versuch im Rahmen der Mobilitätswende zu sein. Der Feldtest-Flop der eHighway hat bisher 190 Millionen Euro verschlungen.

BGL-Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhard machte einen interessanten Vergleich: „Für die Summe, die die Versuche gekostet haben, hätte man fast 2.000 moderne Diesel-LKW der neuesten Abgasnorm kaufen können.“ Zudem gibt es längst umweltschonendere Kraftstoffe für Verbrennungsmotoren, wie etwa der HVO-Diesel, E-Fuels oder synthetisches Benzin.

Das Ministerium für Verkehr in Baden-Württemberg teilte mit, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) das Projekt und die Demontage des eWayBW größtenteils finanziert. „Das Land Baden-Württemberg bringt einen Eigenanteil ein“, erklärte Neumann. Da also Bund und Land die Kosten tragen, handelt es sich um Steuergelder.

FDPler: „Der eWayBW ist komplett gescheitert“

Anders als das Landesministerium in Stuttgart bewertet der FDP-Landtagskandidat Patrick Wilczek das Projekt. Er beobachtet dieses bereits seit der Planungsphase und erklärt den eWayBW auf unsere Anfrage hin für „komplett gescheitert“.

„Wir haben uns als FDP-Stadtverband Gaggenau stets auf allen politischen Ebenen gegen die Realisierung des Projekts ausgesprochen.“ Das betreffe die Zusammenarbeit mit dem Betreuungsabgeordneten Christian Jung, dem verkehrspolitischen Sprecher der FDP/DVP-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg.

Für Wilczek war es nicht verwunderlich, „dass das Projekt schon aus bautechnischer Sicht nicht wie geplant umgesetzt“ werden konnte. Durch die steilen Abhänge entlang der B462 auf der Höhe von Gaggenau hätten hier niemals Oberleitungen installiert werden können. „Deshalb war es für uns schon zu erwarten, dass das Projekt nur ohne den geplanten Abschnitt auf der Höhe von Gaggenau zu realisieren ist.“ Der eWayBW hat tatsächlich eine Lücke von mehreren hundert Metern und besteht aus einem Abschnitt mit 2,6 Kilometern und einem weiteren mit 750 Metern.

Die zwei Abschnitte des eWayBW auf der B462 Foto: Bildschirmfoto, Website des Ministeriums für Verkehr BW

Wilczek sagte weiter: „Die Oberleitungs-Technologie ist für uns keine Technologie, die für die Mobilitätswende geeignet oder relevant wäre.“ Die Leitungen seien zu anfällig für Störungen. Diese gab es in den vergangenen Jahren häufig. Ebenso sei „der Erhalt der Oberleitungen als Infrastruktur aus volkswirtschaftlicher Sicht viel zu teuer, um ihn auf Staatskosten zu betreiben.“ Als weitere Probleme nannte der FDP-Kandidat Kollisionsgefahr für Vögeln oder eine Verhinderung von Landungen von Rettungshubschraubern.

Wilczek ist der Ansicht, dass das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg (VM) doch vom Scheitern des Projektes ausgehe. Denn: „jede Information, etwa über Störungen der Anlage, müssen mühsam und umständlich durch Presse- oder parlamentarische Anfragen erfragt werden.“

Auch die Anzahl der Testfahrten relativiert der FDPler. „Aus einer früheren parlamentarischen Anfrage Anfang 2022 ging hervor, dass nur etwa 1.028 Fahrten innerhalb von etwa einem halben Jahr durchgeführt wurden.“ Geplant waren ursprünglich etwa 44.000 Fahrten pro Jahr.

Viele Störungen und Probleme

Nicht nur der eWayBW machte immer wieder wegen Problemen Schlagzeilen. Auch die anderen beiden Teststrecken hatten Probleme.

Der eHighway bei Frankfurt am Main etwa hatte neben absehbaren Anfangsproblemen auch überraschende Schwierigkeiten und dauerhaft technische Probleme, wie die „Tagesschau“ berichtete. Demnach mussten bereits Isolatoren an den Masten getauscht werden. Die Übertragung der Daten von den Lastern zur wissenschaftlichen Auswertung klappte lange nicht zuverlässig.

Darüber hinaus ist die Wartung von Oberleitung und Lastern aufwändig. Auf den Teststrecken fahren die Wagen oft ohne Oberleitungsstrom. Weil die GPS- Steuerung ungenau ist, werden die Stromabnehmer zu spät automatisch ausgefahren und zu früh eingeholt.

Nach verzögerter Erweiterung der Teststrecke, langwieriger Abnahme und zuletzt Kabelschaden durch einen Bagger ist der Strom auf der hessischen Strecke in einer Richtung seit Jahresanfang abgestellt, in der anderen seit April. Die Strecke kann daher nicht mehr die Aufgaben erfüllen, wofür sie gedacht war.



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