Mehr Schaden als Nutzen – Richterbund stellt sich gegen Cannabisgesetz

Das Cannabisgesetz kommt, wenn es nach Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geht. Heftige Kritik gibt es aus den Reihen der Richter.
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Das geplante Cannabisgesetz stößt vielfach auf Kritik.Foto: iStock
Von 12. August 2023

„Ungeachtet der gesellschaftspolitischen Frage, ob und in welchem Umfang der kontrollierte Umgang mit Cannabis unter Aspekten des Gesundheitsschutzes sinnvoll ist, hat der Deutsche Richterbund erhebliche Bedenken gegen den vorgelegten Referentenentwurf zum Cannabisgesetz“, heißt es im Tenor einer 13-seitigen Stellungnahme, die der Epoch Times vorliegt.

Schon die dem Entwurf zugrunde liegende Einschätzung, mit dem neuen Cannabisgesetz gehe eine ganz erhebliche Entlastung der Justiz einher, sei unzutreffend. Denn auch wenn das Gesetz beschlossen würde, gebe es Handlungen, die unter Strafe stehen.

Beschuldigte besitzen oftmals unterschiedliche Betäubungsmittel – etwa die Kombination von Cannabis als beruhigendes Betäubungsmittel mit einem aufputschenden Betäubungsmittel wie Kokain, erklären die Richter. Allein die Straflosigkeit des Cannabisbesitzes würde solche Ermittlungen daher nicht nennenswert entlasten.

Darüber hinaus schaffe das Gesetz aber auch neue Straftatbestände, „die mit erheblichem Ermittlungsaufwand im Einzelfall verbunden sein werden“.

Schon heute liege der Schwerpunkt der Ermittlungen nicht im Bereich des Eigenbesitzes von Kleinstmengen Cannabis, sondern bei grenzüberschreitenden Ermittlungen, die als Schwerkriminalität eingestuft werden. „Solche aufwändigen Ermittlungen und Strafverfahren wird es unverändert auch im Falle eines Inkrafttretens des Cannabisgesetzes geben, wobei dessen Regelungen die Ermittlungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden erheblich einzuschränken drohen“, so der Richterbund.

Neue Anreize für Cannabishändler

Wenn Cannabis aufgrund der Legalisierung aus dem Betäubungsmittelgesetz herausgenommen wird und die Vorschriften in der Strafprozessordnung nicht entsprechend angepasst werden, entfallen laut Richterbund „maßgebliche Ermittlungsmaßnahmen im Bereich der Rauschgiftkriminalität“, darunter Telefonüberwachung, Online-Durchsuchung, Abhörmaßnahmen innerhalb und außerhalb des Wohnraums, Erhebung von Verkehrsdaten sowie technische Ermittlungen zum Mobiltelefon. Zufallsfunde wären auch nicht mehr verwertbar.

Derartige Einschränkungen seien für die Ermittlungsbehörden nicht hinnehmbar, zumal diese für alle Fälle im Zusammenhang mit Cannabisdelikten gelten, egal wie groß die betroffene Rauschgiftmenge sei.

Weiter sieht der Richterbund in dem Gesetz einen erheblichen Anreiz für Cannabishändler, die den wachsenden illegalen Markt bedienen. Sie hätten keine ernsthaften polizeilichen Ermittlungen und damit auch keine Strafverfolgung mehr zu befürchten, sodass kriminelle Händler ihr Einzugsgebiet nach Deutschland verlegen könnten. In der Stellungnahme des Richterbundes heißt es:

Es ist zumindest nicht auszuschließen, dass dies Kriminalitätsphänomene mit sich bringen wird, die üblicherweise im Zusammenhang mit der organisierten Rauschgiftkriminalität einhergehen (Konkurrenzkämpfe, Revierkämpfe, gewaltsame Auseinandersetzungen), wodurch das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung ganz erheblich beeinträchtigt wird.“

Stärkung des Schwarzmarktes

Nach Angabe der Richter ist damit zu rechnen, dass das Cannabisgesetz entgegen der gesetzgeberischen Zielsetzung zu einem Missbrauch von Anbauvereinigungen und zu einer „ganz erheblichen Stärkung des Schwarzmarktes“ beitragen werde.

„Inwieweit hierdurch zu einer Verbesserung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung beigetragen werden kann, ist mehr als fraglich“, so die Richter weiter.

Festzustellen sei bereits jetzt, dass Kinder- und Jugendschutz durch das Cannabisgesetz nicht verbessert, sondern geschwächt werde, „weil der künftig herabgesetzte Strafrahmen für eine (gewerbsmäßige) Abgabe von Cannabis an Minderjährige oder Kinder für Dealer weniger abschreckend wirken wird“.

Gleichzeitig erwartet der Richterbund, dass fehlende staatliche Sanktionen zu einem stark erhöhten Cannabiskonsum bei Jugendlichen führen wird.

Kaum Einsparungen im Bereich der Kriminaltechnik

Auch weiteren Aussagen in dem Gesetzentwurf treten die Richter vehement entgegen. So heißt es, dass der Besitz und Erwerb von Cannabis erst bei Überschreiten der Menge von 25 Gramm strafbar ist und dieser Ansatz „sachgerecht“ sei. Damit würden die Strafverfolgungsbehörden entlastet sowie aufwändige und unverhältnismäßige labortechnische Untersuchungen vermieden werden.

Der Gesetzentwurf verkenne die Realität, so die Richter, denn Mengen von bis zu 25 Gramm Cannabis würden derzeit nicht untersucht – es sei denn, es bestehe der Verdacht der Beifügung eines anderen Stoffes.

Durch die Neuregelungen des Cannabisgesetzes wird es daher erwartbar keinerlei Einsparungen im Bereich der Kriminaltechnik geben“, stellt der Richterbund klar.

Mehraufwand für Bundeszentral-/Erziehungsregister

Die Richter gehen hingegen von einem ganz erheblichen Mehraufwand für Staatsanwaltschaften aus, da Eintragungen mit Cannabisbezug aus dem Bundeszentral- und Erziehungsregister gestrichen werden sollen. Demnach ist bereits jetzt absehbar, dass der durch die Prüfung der Tilgungsfähigkeit einer Eintragung verursachte Mehraufwand die zu erwartende Entlastung bei Weitem übersteige.

Weiter kritisiert der Richterbund die in § 46 Cannabisgesetz vorgesehene Klausel, wonach zur Tilgung eine eidesstattliche Versicherung der verurteilten Person ausreiche, wenn keine Akte mehr vorhanden sei. Das sei „lebensfremd“.

„Zudem blendet der Referentenentwurf den zu erwartenden Mehraufwand im Bereich der Rechtsmittelinstanz gegen eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft gänzlich aus“, heißt es weiter in der richterlichen Bewertung des geplanten Cannabisgesetzes. Hier würden zusätzliche Aufgaben bei Generalstaatsanwaltschaften und Oberlandesgerichten anfallen, die überhaupt nicht berücksichtigt wurden. Auch wie mit laufenden Strafvollstreckungen umgegangen werden soll, lasse der Gesetzentwurf offen.

Unterm Strich kann der Richterbund dem Gesetzentwurf weder etwas Positives abgewinnen noch die darin genannten Einsparungen von über einer Milliarde Euro pro Jahr in Justiz und Polizei überhaupt nachvollziehen. Etwaige minimale Entlastungen dürften durch die Arbeit der Ordnungsbehörden, die mit Genehmigung und Kontrolle von Anbauvereinigungen beschäftigt sein werden, mehr als aufgezehrt werden.

Wann im Bundestag über das Cannabisgesetz abgestimmt werden soll, ist noch unbekannt. Lauterbach hatte am 9. August angekündigt, dass sich das Bundeskabinett voraussichtlich in der nächsten Woche zur Cannabislegalisierung beraten werde.



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