Gutachten geht über Ministervorschlag hinaus
Rente mit 73? Experten fordern drastische Anhebung des Rentenalters bis 2060
Immer mehr Rentner, immer weniger Beitragszahler: Ein neues Gutachten im Auftrag von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche schlägt Alarm. Um das Rentensystem langfristig zu sichern, fordern Ökonomen eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters – bis auf 73 Jahre.

Forderungen nach einer Rente mit 73 werden lauter.
Foto: Inside Creative House/iStock
In Kürze:
- Neues Gutachten: Renteneintrittsalter soll bis 2060 auf 73 Jahre steigen.
- Ministerin Reiche warnt: Die Anpassung komme 20 Jahre zu spät.
- Die Union unterstützt längeres Arbeiten, SPD spricht von „Rentenkürzung“.
- Experten mahnen wachstumsorientierte Strukturreformen an.
Immer ungünstigere demografische Verhältnisse und zunehmender Finanzierungsbedarf bringen die gesetzliche Rentenversicherung an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Um die Tragfähigkeit des Systems langfristig zu sichern, hatte Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) im Juli eine Erhöhung des Renteneintrittsalters gefordert. Konkret trat sie für eine Anhebung auf 70 Jahre ein.
Aus dem „wissenschaftlichen Beraterkreis“, den die Ministerin eingesetzt hat, kommen mittlerweile sogar noch weitreichendere Forderungen. Wie ein Gutachten erkennen lässt, aus dem mehrere Medien zitieren, rechnet man dort sogar mit einer schrittweisen Anhebung des Renteneintrittsalters auf 73 Jahre bis 2060.
Immer später in Rente? Dänemark ein Vorbild für die Union
Zu den Autoren der Studie gehören namhafte Wirtschaftswissenschaftler wie Justus Haucap von der Universität Düsseldorf oder die „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm. Das entsprechende Gutachten haben die Ökonomen am Montag, 6. Oktober, vorgestellt. Für das von ihnen präsentierte Konzept gibt es auch schon ein konkretes Beispiel aus einem Nachbarland. Dänemark hatte im Mai beschlossen, dass ab 2040 ein Renteneintrittsalter von 70 Jahren gelten soll.
Bereits 2006 hatte Dänemark ein System verabschiedet, das eine Anpassung des Renteneintrittsalters an die allgemeine Lebenserwartung vorsieht. Als Konsequenz daraus soll dieses 2030 auf 68, bis 2035 auf 69 und ab 2040 auf 70 Jahre steigen. Dieses dynamische System ist an die demografischen Verhältnisse im skandinavischen Land angepasst – wo die Renten deutlich höher sind als in Deutschland.
Unter Zugrundelegung der für Dänemark prognostizierten Entwicklung der Lebenserwartung würde das Renteneintrittsalter im Jahr 2060 die Schwelle von 73 Jahren erreichen. In Deutschland könnte eine ähnliche Entwicklung bevorstehen – hier sind die demografischen Voraussetzungen mit Blick auf den Überalterungsgrad im Zweifel noch ungünstiger.
DIW forderte schon vor 20 Jahren Anhebung
In der Studie des Beraterkreises heißt es, man werde „mehr arbeiten müssen, wenn wir den Umfang der Sozialversicherungen bewahren wollen“, wie die „Welt“ zitiert. Das Renteneintrittsalter müsse an die Lebenserwartung gekoppelt werden, heißt es weiter. Andernfalls drohten Lasten, die nachfolgende Generationen möglicherweise nicht mehr bewältigen könnten.
Reiche hatte im Juli erklärt, dass die Anpassung 20 Jahre zu spät komme. Die Bürger arbeiteten nur noch zwei Drittel ihres Lebens und verbrächten ein Drittel in Rente. Dies könne nicht funktionieren, erklärte die Ministerin, und das Thema sei zu lange verdrängt worden:
„Bereits 2005 hat der damalige Präsident des DIW, Klaus Zimmermann, gefordert, die Rente müsse bis spätestens 2025 auf 70 Jahre steigen. Leider verweigern sich zu viele zu lange der demografischen Realität.“
Unionsfraktionschef Jens Spahn pflichtete am Montagabend in der Sendung „Maischberger“ Reiche dem Grunde nach bei. Das Renteneintrittsalter werde auf mehr als 67 steigen müssen. Dies müsse „schrittweise Jahr um Jahr und Monat um Monat weiter steigen“. Allerdings sei der Zeitpunkt für eine Debatte über die „Rente mit 70“ nicht gekommen. Spahn wies darauf hin, dass schon die schrittweise Rente mit 67 erst 2030/31 erreicht werde.
SPD und Sozialverbände sehen Einnahmenpotenzial bei Rente nicht ausgeschöpft
Aus der SPD kam bereits damals Kritik an den Vorstößen. Generalsekretär Tim Klüssendorf erklärte, eine gesetzliche Erhöhung des Renteneintrittsalters würde „nichts anderes bedeuten als eine Rentenkürzung“. Eine solche sei mit den Sozialdemokraten nicht zu machen.
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) forderte ebenfalls, erst alle möglichen einnahmenseitigen Potenziale zur Stabilisierung der Rentenkassen auszuschöpfen. Dies bedeute eine Erweiterung des Kreises der Beitragszahler auf Selbstständige, Beamte sowie Abgeordnete. Auch Sozialverbände begrüßen diesen Vorstoß. Die Union lehnt ihn hingegen kategorisch ab.
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) forderte ebenfalls, erst alle möglichen einnahmenseitigen Potenziale zur Stabilisierung der Rentenkassen auszuschöpfen. Dies bedeute eine Erweiterung des Kreises der Beitragszahler auf Selbstständige, Beamte sowie Abgeordnete. Auch Sozialverbände begrüßen diesen Vorstoß. Die Union lehnt ihn hingegen kategorisch ab.
Die Studie des Beraterkreises warnt zudem, dass die stagnierende Wirtschaftsleistung in Deutschland perspektivisch auch die Rentenstabilität beeinträchtigen könne. Zum demografischen Faktor kämen eine zu geringe Produktivität, Investitionsschwächen und eine überbordende Regulierung. Die Bundesregierung müsse auf einen „wachstumsorientierten Strukturwandel“ anstelle staatlicher Subventionen setzen.
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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