#allesdichtmachen
Schauspieleraufstand: „Wir unterwerfen uns absurden Regeln“
Die Art, wie die Gesellschaft mit Corona umgeht sei anders als die, wie generell mit dem Tod umgegangen wird, erklärt Dietrich Brüggemann, Regisseur einiger der Videos von #allesdichtmachen. „Wenn wir sagen, jeder Corona-Tote ist einer zu viel, dann können die Maßnahmen nie genug sein, und das kritisieren wir mit dieser Aktion."

Jan Josef Liefers am 4. Juli 2017 in München.
Foto: Hannes Magerstaedt/Getty Images for Constantin Film
Die Aktion #allesdichtmachen schlägt weiterhin Wellen. Bei einigen der Videos führte Dietrich Brüggemann Regie (Regisseur mehrerer „Tatort-Folgen“).
Er begeisterte einige der an der Aktion beteiligten Schauspieler für diese Idee. Brüggemann steht weiterhin zu der Aktion. Im Interview bei „n-tv“ sagt er, dass die Aktion missverstanden wurde, aber er persönlich sich nicht missverstanden fühle. Damit habe er sogar gerechnet und möglicherweise sei es auch notwendig. Er erklärt:
„Unser Land ist momentan so zwiegespalten, dass die Aktion von einem Teil der Leute überhaupt nicht verstanden werden kann. Sie fühlen sich davon ungeheuer vor den Kopf gestoßen, ins Gesicht geschlagen und so weiter. Es ist für sie unbegreiflich, wie man sowas machen kann. Wir leben in zwei völlig voneinander getrennten Sphären in diesem Land.“
„Wir unterwerfen uns absurden Regeln“
Die Webseite ihrer Aktion werden mit Mails überschüttet und 98 Prozent davon sagen „Danke“, so Brüggemann. Dieser Teil der Gesellschaft habe die Aktion „sehr, sehr gut“ verstanden.
Der Regisseur greift auf, wie oder was er mit missverstanden meint: Es heiße, „Jeder Covid-Tote ist einer zu viel“, das könne jeder unterschreiben. „Das impliziert aber auch, dass wir gleichzeitig sagen, jeder andere Tote ist nicht einer zu viel. Wir haben eine gewisse Anzahl an Toten, die akzeptieren wir, nur Corona-Tote akzeptieren wir nicht.“
Das, was die Gesellschaft mit Corona mache, könne man mit allem machen. Den Autoverkehr komplett einstellen, um Verkehrstote zu vermeiden. Oder drakonische Maßnahmen treffen, um Krebs zu vermeiden.
Die Art, wie die Gesellschaft mit Corona umgeht sei anders als die, wie generell mit dem Tod umgegangen wird. Sollte man sagen. „Jeder Tote ist einer zuviel“ – doch Sterben existiert, jeder sterbe irgendwann. Also habe man sich arrangiert und fährt Auto – plus Tempolimit. Man trinkt Alkohol – aber nicht täglich.
„Und jetzt kommt Covid, und da spielen wir auf einmal nach anderen Regeln. Da heißt es auf einmal: Jeder Corona-Tote ist einer zu viel. Wir haben ein neues System. Wir müssen um jeden Preis Corona-Tote verhindern. Das ist das neue Paradigma unserer Gesellschaft.“ Parallel laufe das alte System weiter, an anderen Sachen dürfe man weiterhin sterben.
Der TV-Regisseur weiter: „Wenn wir sagen, jeder Corona-Tote ist einer zu viel, dann können die Maßnahmen nie genug sein, und das kritisieren wir mit dieser Aktion. Das führt dann irgendwann zum Exzess, den übersteigern wir, indem wir es nochmal viel weiter drehen.“
Es gebe „keine großartige Korrelation zwischen Maßnahmen und Pandemieverlauf“, sagte Brüggemann weiter. „Da kommen immer mehr Studien, die sagen, Lockdown bringt wenig bis gar nichts.“
In der Presse stehe wenig davon. „Aber wenn man ein paar internationalen Wissenschaftlern auf Twitter folgt, dann sieht man da schon einiges. Wenn man das in Deutschland sagt, wird man wieder gleich als Querdenker beschimpft.“
Die zwei Ziele der Aktion
Einerseits müsse es der Gesellschaft gelingen, Corona in das „etablierte, erprobte Verhältnis zum Tod“ einzubauen. Andererseits sollte der „verengte Diskursraum“ gesprengt werden, so Brüggemann.
Es gebe seit langem viele Forschungen, die die Maßnahmen infrage stellen. Doch viele Leute trauen sich nicht, ihre Meinung zu sagen, da andere Lösungsvorschläge zu „unglaublichen Shitstorms“ führten. Diesen „verengten Diskursraum“ sollte die Aktion sprengen. Das Thema sollte „wieder in die Mitte geholt werden“ und das sei auch gelungen.
Wir haben „in diesem Land eine ganz große Gruppe von Menschen abgehängt und deren Leben kaputt gemacht auf eine Art, die eigentlich nicht mehr zu vermitteln ist. Und die vielen E-Mails, die da kommen, die geben mir recht.“
Jan Josef Liefers: Man verliere gerade die Menschen, weil sie nicht gehört werden
Auch #DankeJanJosefLiefers zeigt, dass ein Nerv getroffen wurde. Binnen zwei Tagen hatte das Video des „Tatort“-Schauspielers Jan Josef Liefers 1,3 Millionen Zuschauer. Über 53.000 gaben ihm einen Daumen hoch.
Jan Josef Liefers ging in der Talkshow von Radion Bremen am 23. April „3nach9“ auf eine ähnliche Lücke wie Brüggemann ein: „Es gibt nicht nur auf der Seite der Erkrankten Trauer und Leid, sondern auch auf der Seite derer, die unter diesen Maßnahmen inzwischen nun wirklich anfangen zu leiden, die sehe ich nicht so richtig vertreten.“
„Wenn man dann was sagt, passiert das eben durch so framingartige Situationen, dass man sofort ziemlich radikal in so Ecken gepusht wird, in die man gar nicht reingehört.“ Es gebe Menschen, die man gerade verliere, sie haben keine Stimme. Er fragt:
„Wie kommt eine Bundesregierung nach so vielen im Grunde halben, viertel, ganzen, dreiviertel-Lockdowns auf die Idee, es immer wieder zu machen?“
Armin Laschet: „Es muss möglich sein, das zu sagen“
Armin Laschet (CDU), der in der Talkrunde von Radio Bremen zu Gast war, stimmte ihm teilweise zu.
Laschet erklärte: „Ich glaube, das es berechtigt ist, die anderen Opfer der Pandemie einmal zu nennen. Kinder, die eineinhalb Jahre nicht mehr in der Schule waren, die keine Chance haben, online zu lernen. Menschen, die in den Suizid gehen, weil sie mit der Situation nicht umgehen können. Alte, die in den Altersheimen gestorben sind, weil keine Besucher mehr hinein durften.“
Die Forderung des ARD-Rundfunkrates sei unstatthaft, so Laschet. Auch dass die Schauspieleraktion in die rechte Ecke geschoben werde, sei nicht ok: „Und was ganz schlimm ist, wenn jemand so etwas sagt, immer gleich sagen, er ist rechts. Von diesen 50 ist keiner AfD. Ist keiner rechts. Die haben eine andere Meinung als die Mehrheit. Aber gerade in Krisensituationen ist auch eine Minderheitsmeinung, gerade von Künstlern und Intellektuellen wichtig. Ich teile sie nicht, ich mache mir sie nicht zu eigen. Ich verstehe was gemeint ist. Aber es muss möglich sein, das zu sagen.“
Auch in einem Interview mit der WDR-Sendung „Aktuelle Stunde“ verteidigte Liefers am Freitag die Motivation der Aktion. Liefers habe gewusst, dass sich „Journalisten auf den Schlips getreten“ fühlen würden.
Er wünscht sich vor allem eine Diskussion über die Art der Berichterstattung über die Pandemie in den Medien. „Mein Punkt ist in dieser Übertreibung, dass ich gerne auch über die Rolle der Medien in dieser Pandemie eine große Diskussion hätte.“
In den Medien würden viele Standpunkte fehlen.
„Es gibt weltweit wirklich umfassende Studien von Leuten, die ihre Hausaufgaben auch gemacht haben und auch studiert haben, die zum Beispiel über einen Lockdown zu ganz anderen Erkenntnissen kommen als wir.“
Es geht um die Art und Weise, wie Staat und Bürger agieren: Kritik am Lockdown ist legitim
Auf der Webseite der Kampagne, auf der am Samstag zunächst 53 dann – nach Kritik an der Aktion – nur noch 34 Videos zu sehen waren, heißt es, dass es darum geht, dass Kritik am Lockdown ein legitimer Standpunkt ist.
„Wir üben Kritik mit den Mitteln von Satire und Ironie. Wenn man uns dafür auf massivste Art und Weise beschimpft und bedroht, ist das ein Zeichen, dass hier etwas ins Ungleichgewicht geraten ist.“
Sie sagen: „Wir lassen uns auch nicht in eine Ecke stellen mit Rechten, Verschwörungstheoretikern und Reichsbürgern. Auch die AfD steht für alles, was wir ablehnen. Wenn man sich nicht traut, Selbstverständlichkeiten anzumahnen, weil man Applaus von der falschen Seite fürchtet, dann zeigt das allenfalls, daß der Diskurs in eine Schieflage geraten ist.“
Und weiter:
„Nicht alle in dieser Gruppe sind Gegner eines wie auch immer gearteten Lockdowns. Einige schon. Aber darum geht es nicht. Wir behaupten auch nicht, es besser zu wissen und auch nicht, dass alle Maßnahmen falsch sind. Es geht nicht um Viren, Zahlen oder Kurven. Es geht um die Art, wie Staat und Bürger interagieren, und um die Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Es geht darum, daß Kritik am Lockdown ein legitimer Standpunkt ist, der sich mit Argumenten und Fakten untermauern läßt. Es geht um den Blick auf die Schäden, die die Corona-Maßnahmen auf vielerlei Art anrichten.“
Morddrohungen und bedrohte Kinder – Einige Schauspieler nahmen ihre Videos off
Einige Schauspieler nahmen ihre Videos off – teilweise erhielten die Beteiligten Morddrohungen. Oder ihre Familien und Kinder wurden bedroht. Mehrere Videos waren am Samstag auf der Webseite der Kampagne nicht mehr verfügbar. Zu ihnen zählten Heike Makatsch, Meret Becker, Ken Duken und Kostja Ullmann.
(Mit Material von afp)

Kathrin Sumpf schreibt für Epoch Times seit über zehn Jahren über aktuelle Themen, darunter Politik und Ausland. Sie hat einen facettenreichen Hintergrund in der Erwachsenenbildung und als Supervisorin.
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