Sind hohe Ölpreise noch ein Problem?

Energieverbrauch wurde nur ausgelagert
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Der Ölminister von Qatari, Abdullah bin Hamad Al Attiyah beim 135. OPEC Treffen am 16. März in Isfahna, Iran. Die OPEC wird ab April täglich 500,000 Barrels zusätzlich auf den Markt bringen und kündigte heute eine erneute Erhöhung an.Foto: Getty Images
Von 4. April 2005

Der jüngste Ölpreisanstieg auf 57 Dollar pro Barrel seit Mitte März fand in Deutschland keine allzu große Beachtung, da der gleichzeitig wieder fallende Dollar einen etwas ausgleichenden Effekt hatte. Die Bevölkerungen der dollardominierten Länder jedoch nehmen das Thema sehr ernst, selbst in kleineren Zeitungen z.B. der USA gibt es jetzt erste Hinweise, wie man effektiv Benzin sparen kann, Energiesparen goes Mainstream, wird allgemein anerkannt.

In Wirtschaftswissenschaftlerkreisen tauchte unlängst, vor allem in den vom Anstieg des Ölpreises betroffenen USA die Meinung auf, dass der Preis des Öls nicht mehr sehr relevant für die Weltwirtschaft ist. Diese Meinung fand unlängst ihren Widerhall in verschiedenen Zeitungsartikeln. Dort wird behauptet, dass selbst Preise um die 70 USD kein Problem wären. So schrieb auch das Wall Street Journal in verschiedenen Artikeln über diese These. Sie leitet sich aus der Tatsache ab, dass der Anteil des Öls am Bruttosozialprodukt immer kleiner geworden ist. Diese jetzt öfter vertretene Meinung wird von den Börsianern gern aufgegriffen, kann man doch damit den steigenden Ölpreis unter ferner liefen verbuchen.

Die erste These für die „Öl ist nicht mehr wichtig“-Vertreter unter Journalisten und Wissenschaftlern lautet wie folgt: Die Wirtschaft der westlichen Länder wurde umgerüstet, umfangreiche Rationalisierungen wurden vorgenommen. Tatsächlich aber wurde die Wirtschaft bei uns, und mehr noch in den USA, eher abgerüstet und die Rationalisierungen entpuppen sich häufig als Auslagerungen in ferne Länder. Der Westen wurde und wird in einem immer schnelleren Tempo deindustrialisiert. (Hier geht es nicht darum, zu beurteilen, ob diese Entwicklung gut oder schlecht ist, wer schuld ist etc., es geht nur um die Tatsache als solche.)

Natürlich sind die Energieausgaben als Teil des Bruttosozialprodukts von 1980 bis jetzt von 14 % auf jetzt 7 % gefallen, was diese These eigentlich unterstützen müßte. Aber wie immer steckt der Teufel im Detail, man sieht ihn erst, wenn man genau hinschaut.

Energieverbrauch wurde ausgelagert

Der Westen importiert heute viel mehr als früher, was auf fast alle Waren des täglichen Bedarfs zutrifft. Insofern ist der Anteil des Energieverbrauchs nicht geringer geworden, er wurde nur ausgelagert. Hinzu kommt jetzt noch, dass man den Transport mit einkalkulieren muß, der zusätzlich Energie verschlingt, nur geht dieser Energieverbrauch jetzt lediglich zum kleineren Teil in das heimische Bruttosozialprodukt ein. Der höhere Preis geht indirekt in die Exportgüter mit ein, vorausgesetzt, dass die Exporteure ihre gestiegenen Ölpreise an ihre Kunden weitergeben.

Nehmen wir ein Beispiel: Für ein Nylonkleid, das 1980 in Deutschland gefertigt wurde, brauchte man eine gewisse Menge von Rohöl. Dieses Rohöl ging damals in das BSP unseres Landes ein. Heute wird dieses Kleidungsstück wahrscheinlich in Thailand oder China hergestellt. Der höhere Ölpreis wird somit nicht mehr in unserem BSP ausgewiesen. Jedoch bleibt die Menge an Rohöl gleich (auch wenn man in Teilbereichen technischen Fortschritt einbeziehen darf ). Kurzum, Öl und dessen Preis sind genauso entscheidend, sie werden für uns nur in den Importen versteckt.

Hinzu kommt, dass zusätzlich Transportkosten anfallen. Der Transport wird nach wie vor hauptsächlich durch Öl sichergestellt. Der Transport übers Meer ist sehr kostenintensiv, wenn man bedenkt, dass der Frachter zurück nach China oder Indien in aller Regel leer fahren muß, da die USA/Europa nicht mehr so viel zu exportieren haben, wie sie importieren.

Dann müssen diese Kleidungsstücke noch hunderte oder gar tausende Kilometer über Land gefahren werden, bis sie letztendlich beim Konsumenten ankommen, was sich nochmals auf den Preis des Endprodukts auswirkt. Und natürlich ist für den Transport Öl notwendig. Betrachtet man demzufolge den Anteil der reinen Transportkosten am BSP, so stieg dieser in den letzten Jahren in vielen Industrieländern kontinuierlich an.

Ölpreisanstieg heißt auch Zinsanstieg

Ein Argument für die These, ein Ölpreisanstieg sei nicht mehr wichtig, ist die jetzige Vorherrschaft von nicht energieintensiven Branchen. Hierbei wird aber übersehen, dass ein Ölpreisanstieg sich auch auf die Zinsen auswirkt, wie man es den USA beobachten kann. Dort wird die Zinsanhebung von der Zentralbank von Experten immer mit den gestiegenen Ölpreisen in Verbindung gebracht. Durch diesen Zinsanstieg aber werden solche Sektoren der Wirtschaft, wie etwa die Finanzwirtschaft in Folge in Mitleidenschaft gezogen. In diesem Fall können im schlimmsten Falle steigende Ölpreise sogar einen Dominoeffekt auslösen.

Mehr noch, die Zentralbanken sind nur dadurch in der Lage, die Zinsen noch einigermaßen niedrig zu halten, indem sie die Energiepreise- ohne gute Begründung, aber mit gutem Grund – aus dem sogenannten Warenkorb heraus halten. Die Begründung ist die „Core“ Rate. Diese geht von der neuen Theorie (oder ist es eher Wunschdenken?) aus, dass der Energiepreisanstieg nur zeitlich befristet sein wird, deshalb werden Energiepreise nicht mit berücksichtigt, wenn man die Inflation berechnet.

Deutlich gesagt, gibt es wohl gute Gründe, die These von den „unwichtigen“ Ölpreisen, noch einmal zu überdenken, auch für den Euroraum. Vor allem vor dem Hintergrund, dass einige Ölförderländer wohl demnächst den Ölhandel teilweise auf Euro umstellen möchten, wodurch für Europa die Ölpreise nicht billiger werden dürften.



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