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plus-iconEU-Kommission erhält Sonderbefugnisse

Ungarn widersetzt sich der EU: Orbán blockiert Sanktionen, Ukraine-Beitritt und Migration

Brüssel hat einen neuen Rechtsmechanismus beschlossen, der es der EU-Kommission ermöglicht, über eingefrorene russische Vermögenswerte zu entscheiden, ohne dass die Einstimmigkeit aller Mitgliedstaaten erforderlich ist. Viktor Orbán bezeichnet dies als Überschreitung der Rechtsordnung in der EU und kündigt Widerstand an. In mehreren zentralen EU-Fragen verfolgt Ungarn weiterhin eine eigenständige Linie.

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Orbán fordert ein Umdenken in zentralen EU-Fragen.

Foto: Jean-Francois Badias/AP/dpa

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Lesedauer: 10 Min.


In Kürze:

  • EU beschließt Mechanismus zur Umgehung der Einstimmigkeit bei Sanktionen
  • Ungarns Premier Orbán kündigt Widerstand an
  • Spannungen betreffen Russland-Sanktionen, Ukraine und Migration

 
Mit einem neuen Rechtsmechanismus hat die EU-Kommission die Möglichkeit geschaffen, über eingefrorene russische Staatsvermögen zu entscheiden, ohne dass die Zustimmung aller Mitgliedstaaten erforderlich wäre.
Nach Ansicht des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán setzt die Kommission damit die bisher geltenden EU-Regeln außer Kraft. Auf seinen sozialen Kanälen schrieb Orbán am Freitag, dass die europäischen Führungskräfte die etablierten Verfahren umgangen hätten.
Laut einem Pressebericht vom Donnerstag haben die EU-Botschafter der Kommission außergewöhnliche Befugnisse erteilt, die es ermöglichen, die eingefrorenen Vermögenswerte länger blockiert zu halten. Bisher mussten Sanktionen alle sechs Monate einstimmig verlängert werden.
Der neue Mechanismus stützt sich auf einen speziellen EU-Vertragsartikel, der anstelle der Einstimmigkeit Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit erlaubt. Für andere Sanktionsentscheidungen bleibt die Einstimmigkeit jedoch weiterhin verbindlich.
Orbáns Kritik richtet sich nicht nur gegen diese Maßnahme: Auch in Fragen wie dem Migrationspakt oder dem EU-Beitritt der Ukraine hat Ungarn wiederholt die Brüsseler Mehrheitslinie blockiert. In diesen zentralen Themen arbeitet die EU offenbar daran, Wege zu finden, das Einstimmigkeitserfordernis zu umgehen.

Orbán warnt vor Fortsetzung des Ukraine-Krieges

Laut Orbán geht es im Kern darum, dass die Europäische Kommission die Fortsetzung des aus seiner Sicht nicht zu gewinnenden Krieges in der Ukraine ermögliche, indem sie EU-Verträge umgehe. Dabei werde in der EU die Herrschaft des Rechts durch die Herrschaft der Bürokraten ersetzt, sagte er.
Der ungarische Ministerpräsident kündigte an, dass Ungarn gegen die Entscheidung protestieren und alles unternehmen werde, um die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen.
Nach Angaben des Presseberichts wurde der neue Mechanismus unter anderem geschaffen, um zu verhindern, dass Ungarn – ebenso wie andere Staaten, die als „kremlfreundlich“ bezeichnet werden, etwa die Slowakei – die Verlängerung der Sanktionen mit einem Veto blockiert.
Ungarn ist in dieser Position allerdings nicht allein: Auch die belgische Regierung hatte bislang die Nutzung der russischen Vermögenswerte blockiert und verwies auf rechtliche und finanzielle Risiken, etwa mögliche Vergeltungsmaßnahmen Russlands gegenüber europäischen Privatpersonen und Unternehmen sowie Enteignungen in Russland.

Streitfrage EU-Beitritt der Ukraine

Eine weitere, direkt mit dem Krieg verknüpfte Streitfrage betrifft den EU-Beitritt der Ukraine. Seit über einem Jahr steht Orbán dabei im Zentrum der europäischen Debatte: Er blockiert die Eröffnung der offiziellen Verhandlungskapitel und verweist auf wirtschaftliche, sicherheitspolitische und kriegsbezogene Risiken.
Orbán äußerte zudem Vorwürfe, dass Maßnahmen gegen die Druschba-Pipeline politisch gegen Ungarn gerichtet seien. Ihm zufolge sollen die von Kiew durchgeführten Sprengungen an der russischen Druschba-Ölpipeline darauf abzielen, das ungarische Veto aufzuheben. Diese Anschuldigungen sind nicht unabhängig bestätigt.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte Ende August, dass die Ukraine stets die freundschaftlichen Beziehungen zu Ungarn unterstützt habe. Gleichzeitig betonte er, dass die Zukunft der Druschba-Pipeline – deren Name auf Russisch „Freundschaft“ bedeutet – nun von der Haltung Budapests abhänge.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán spricht mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj während des Gipfels des Europäischen Rates am 27. Juni 2024 in Brüssel.

Foto: Olivier Hoslet/POOL/AFP via Getty Images

Trotz Orbáns Veto wurden die für den EU-Beitritt der Ukraine erforderlichen Schritte eingeleitet. Am Donnerstag einigten sich die Europäische Union und die Ukraine auf einen zehn Punkte umfassenden Aktionsplan. Dieser startet zwar formal keine Beitrittskapitel, ermöglicht jedoch die technische Vorbereitung auf den Beitritt.
Das offizielle Dokument unterzeichneten Marta Kos, die Hohe Vertreterin der EU für Erweiterungsfragen, und Taras Katschka, stellvertretender ukrainischer Ministerpräsident.
Kos betonte bei einem informellen Ministertreffen in Lwiw, dass Brüssel die Aufnahme der Ukraine als politische Entscheidung behandele. Die EU-Mitgliedschaft der Ukraine sei ein Grundstein für künftige europäische Sicherheitsgarantien und diene zugleich als zentrales Element umfassender Sicherheitsgarantien für das Land in der Zukunft.

EU-Migrationspakt: Ungarn lehnt Aufnahme von Migranten ab

In dieser Woche gab es neue Entwicklungen im Zusammenhang mit dem EU-Migrationspakt in Brüssel. Die Innenminister der Mitgliedstaaten hatten bereits am Montag eine politische Einigung über die Einrichtung eines jährlichen Solidaritätsrahmens ab 2026 erzielt. Ziel dieses Rahmens ist es, Staaten zu unterstützen, die besonders stark von Migration betroffen sind, teilte der Rat der EU-Mitgliedstaaten mit.
Der Solidaritätsmechanismus sieht vor, dass EU-Länder mit hohem Migrationsdruck Flüchtlinge in andere Mitgliedstaaten verlegen können. Diese Länder sollen die Migranten aufnehmen oder alternativ 20.000 Euro pro nicht aufgenommenem Flüchtling zahlen.
Magnus Brunner, EU-Kommissar für Migrationsfragen, erklärte gegenüber der ungarischen Zeitung „Népszava“, dass der Solidaritätsrahmen für alle Mitgliedstaaten verbindlich sei und keine Regierung sich davon ausnehmen könne. Er betonte dies, nachdem Orbán angekündigt hatte, dass Ungarn den Migrationspakt weder umsetzen noch finanzielle Beiträge leisten oder Migranten aufnehmen werde.
„Unter unserer Regierung wird kein Migrant hier einen Fuß setzen. Weder von Süden noch von Westen“, so Orbán auf Facebook.
In einem Beitrag auf X betonte Orbán, dass Ungarn die stabilste Bastion der Verteidigung in Europa sei. Er fügte hinzu, dass das Land alles unternommen habe, um diese Position zu sichern. Dabei spielte der Ministerpräsident auch auf den mehr als 160 Kilometer langen Grenzzaun an, den Ungarn auf eigene Kosten errichtet hat und der zugleich die EU schützt.

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Orbán betont regelmäßig, dass die Zahl der illegalen Migranten in Ungarn bei null liege und dies auch so bleiben werde. Dies ist zugleich eines seiner zentralen Wahlkampfversprechen für das kommende Jahr.
Im Zusammenhang mit der aktuellen Entscheidung in Brüssel erklärte er, dass Ungarn dagegen protestieren werde. Das Land zahlt derzeit aufgrund früher festgestellter rechtlicher Unregelmäßigkeiten im Migrationsbereich bereits 1 Million Euro Strafgeld pro Tag an die EU.

Ungarn widersetzt sich Brüssel

Am Montag, dem 8. Dezember, verabschiedeten die Vertreter der EU-Mitgliedstaaten die Verordnung zur Einrichtung des Europäischen Verteidigungsindustrieprogramms (EDIP). 26 Staaten stimmten dafür, Ungarn enthielt sich.
Das Programm soll zwischen 2025 und 2027 rund 1,5 Milliarden Euro bereitstellen, darunter 300 Millionen Euro für die Modernisierung der ukrainischen Rüstungsindustrie und deren Einbindung in das europäische Verteidigungsökosystem.
Die ungarische Enthaltung stellt kein Veto dar, da in diesem Bereich eine qualifizierte Mehrheit genügt. Sie verdeutlicht jedoch Ungarns eigenständige Linie.
Im Europäischen Parlament erklärte der ungarische Abgeordnete András Gyürk, die Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie sei grundsätzlich sinnvoll, der vorgelegte Vorschlag stelle jedoch „in Wahrheit einen Plan zur militärischen und finanziellen Unterstützung der Ukraine“ dar.
Orbán betont seit Monaten, dass Brüssel sich auf einen langen Krieg vorbereite und Ungarn sich daran nicht beteiligen wolle – ebenso wenig wie an der Migrationspolitik der EU. Nach seiner Argumentation müsse man dafür notfalls einen eigenständigen Kurs verfolgen.

Nationales Veto vs. EU-Mehrheit

Der irische Premierminister Micheál Martin erklärte im Mai: „Wir haben das Prinzip der Einstimmigkeit in gewisser Hinsicht akzeptiert. Aber es wird missbraucht. Und die Europäische Union wird funktionsunfähig, wenn dieser Missbrauch weitergeht.“
Da Entscheidungen, die Einstimmigkeit erfordern, tiefgreifende Folgen für das Schicksal eines Mitgliedstaates haben können, bleibt die Lage hoch komplex. In solchen existenziellen Fragen stellt sich die Frage, ob ein Nein tatsächlich als Vetorecht gilt oder vielmehr als legitimes Instrument zum Schutz nationaler Souveränität.
Orbán agiert in mehreren EU-Fragen jedoch keineswegs isoliert. In zentralen Themen wie Migration oder Unterstützung der Ukraine arbeitet er oft eng mit dem slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico zusammen. Mit dem Beitritt des neu gewählten tschechischen Regierungschefs Andrej Babiš könnte das Bündnis nun deutlich an Einfluss gewinnen.
Mária S. Szentmagyari ist eine ungarische Juristin mit deutschen Wurzeln und lebt im Grünen unweit von Budapest. Mit Leidenschaft und großem Interesse an geopolitischen Zusammenhängen berichtet sie für Epoch Times über die aktuellen Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa, der Ukraine, Russland und dem Nahen Osten. Die Kommentare unter ihren Artikeln liest sie mit besonderer Neugier.

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