Dominique Vivant Denon diente drei Regenten, überlebte die Französische Revolution und brachte Ägypten nach Europa. Wer war der charmante und viel geschätzte Kunstdieb?
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Baron Denon war als Zeichner bei Napoleons Ägyptenexpedition dabei. Gemälde der Expedition von Léon Cogniet, das heute im Louvre hängt.
Am Ende des 18. Jahrhunderts erlebte Europa turbulente und kriegerische Zeiten. Besonders in Frankreich ereignete sich mit der Französischen Revolution ein politischer Umbruch von enormer gesellschaftlicher Bedeutung. Vor allem ein Mann profitierte davon: Jean-Dominique Vivant Denon.
Denon war zu dieser Zeit bereits als gebildeter Künstler und für sein gutes Auftreten wohlbekannt. Zu seinen Freunden gehörten unter anderem Johann Wolfgang von Goethe und Alexander von Humboldt. Einer seiner Bekannten machte ihn auch mit einem großen Kaiser bekannt, was ihm erst den Weg nach Ägypten und über Raubzüge zum Direktor des Pariser Louvre ebnete.
Vom Jurist zum Künstler
Am 4. Januar 1747 erblickte Denon als Angehöriger des niederen französischen Adels in Givry nahe Chalon-sur-Saône das Licht der Welt. Aus seiner Kindheit sind nur wenige Details bekannt. Die erste Station seines jungen Lebens war Paris, wo der 17-Jährige auf Wunsch seiner Familie Jura studierte.
Sein wirkliches Interesse galt jedoch der Kunst, sodass er nach nur einem Jahr zu einem Kunststudium bei dem Maler Noël Hallé (1711–1781) wechselte. Dort lernte Denon das Anfertigen einfacher Zeichnungen sowie Porträts und Radierungen, wobei sein Vorbild der flämische Maler Rembrandt (1606–1669) war.
Porträt von Jean-Dominique Vivant Denon (1747–1825) aus dem Jahr 1809.
Nach nur drei Jahren Studium begegnete Denon 1768 in Versailles dem französischen König Ludwig XV. (1710–1774). Dieser war so begeistert von dem Künstler, dass er Denon ein Jahr später zum königlichen Kammerherrn und Konservator ernannte. Damit war der 22-Jährige betraut worden, die von der Mätresse des Königs, Madame de Pompadour (1721–1764), vermachten Edelsteine und Medaillen zu pflegen.
Aufgrund seiner Bildung, seines noblen Verhaltens und seines Redetalents schickte ihn der König bald als Botschafter nach Russland, Schweden und in die Schweiz.
Denon zu Besuch bei Voltaire
Während seines Aufenthalts in Ferney, Schweiz, besuchte Denon unter anderem den französischen Schriftsteller Voltaire (1694–1778), von dem er auch ein Porträt anfertigte. Das Ergebnis war jedoch nicht nach Voltaires Geschmack. Dem in die Jahre gekommenen Dichter missfiel sein ungeschöntes, realistisches Abbild, weshalb er seinem Ärger in mehreren Briefwechseln mit Denon Luft machte.
Auf Anweisung seines neuen Herrn König Ludwig XVI. (1754–1793) diente Denon von 1777 bis 1787 als Botschafter in Italien, wo er tiefer in die antike Kunst und Architektur eintauchte. Hinzu kommt, dass seine Dienstzeit in Neapel wenig arbeitsreich war, sodass er sich viel der Kunst, dem Knüpfen von Kontakten und dem Sammeln von Altertümern widmen konnte. Wegen seiner einflussreichen Verbindungen gelang es Denon, archäologische Funde aus Pompeji und Herculaneum zu bekommen.
Mit nur 38 Jahren wurde Denon aus dem diplomatischen Dienst entlassen und erhielt eine so hohe Abfindungssumme, dass er finanziell bis zum Tod abgesichert war. 1788 zog Denon nach Venedig.
Ein Freund Goethes
Bis 1793 lebte Denon mit seiner Geliebten Isabella Albrizzi-Teotochi in der italienischen Lagunenstadt. Dort unterrichtete er den venezianischen Adel im Anfertigen von Porträts und Kupferstichen. In dem angesehenen Salon seiner Geliebten kamen Künstler aus Europa zusammen und Denon machte sich zahlreiche namhafte Schauspieler, Maler und Gelehrte zu guten Freunden.
Einer von ihnen war der deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), der auf seiner Italienreise (1788–1793) im Jahr 1790 in Venedig Halt machte. Seine freundschaftlichen Kontakte zu zahlreichen Persönlichkeiten sollten Denon auch später Türen und Tore öffnen.
Außerdem war Venedig für Denon ein wichtiger, wenn auch ungeahnter Zufluchtsort, denn 1789 begann in seiner Heimat Frankreich die Französische Revolution. Die ihm zuvor zugetanen Monarchen wurden gestürzt und für kurze Zeit die Republik ausgerufen – bis Napoleon Bonaparte (1769–1821) an die Macht kam. Er holte Denon aus seinem „Ruhestand“ und stellte ihn erneut in royale, weitreichende Dienste.
Porträt seiner Geliebten Isabella Albrizzi-Teotochi.
Eine Freundin machte Denon 1797 mit Napoleon bekannt. Dieser verpflichtete ihn nur ein Jahr später wegen seiner künstlerischen Bildung, an einer Expedition nach Ägypten teilzunehmen. Von 1798 bis 1799 reiste Denon als Zeichner zusammen mit weiteren Gelehrten durch das Land der Pharaonen und fertigte zahlreiche Skizzen von ägyptischen Bauwerken an.
Die Erlebnisse und Zeichnungen veröffentlichte Denon in seinem Reisebericht „Voyage dans la Basse et la Haute-Égypte“ – mit großem Erfolg. Sein Werk wurde in mehrere Sprachen übersetzt und entfachte das Interesse der Europäer für die altägyptische Kultur. In Denon erwachte der Wunsch, sich an der Entzifferung der Hieroglyphen zu versuchen und half somit bei der Geburt des wissenschaftlichen Fachs der Ägyptologie.
Die Cheops-Pyramide und Sphinx in Gizeh von Denon auf seiner Reise durch Ägypten gezeichnet.
Napoleon ernannte Denon 1802 zum ersten Direktor des Museé Napoléon – dem heutigen Louvre – in Paris. Im Auftrag von Napoleon trug der 55-Jährige innerhalb von zehn Jahren die größte bis dato vorhandene Kunstsammlung zusammen: von antiken Artefakten, Skulpturen und Gemälden bis zu Büchern und Manuskripten, um „das schönste Museum des Universums“ zu schaffen.
Der Louvre sollte die Geschichte den normalen Bürgern zugänglich machen und Kunstwerke zeigen, die sich bisher ausschließlich in privaten Sammlungen des Adels befanden. Diese Idee war gänzlich neu und entspricht den heutigen Vorstellungen von Museen. Gleiches gilt für die innere Aufteilung der Ausstellung nach Raum und Zeit.
„Jedes Objekt, jedes Kunstwerk muss nicht so sehr für sich selbst, sondern als – technischer, geografischer oder chronologischer – Teil einer Reihe untersucht werden, die um jeden Preis vervollständigt werden muss. Diese Werke sollten Dokumente sein, die den Gang des menschlichen Geistes und die Entwicklung seines Könnens beleuchten“, so Denons Vorstellung.
Dieser besagte Preis kam besonders andere Länder teuer zu stehen. Um das neu entstandene Museum auszustatten, wurde neben Kunst aus Frankreich auch jene aus Italien, Österreich, Spanien und Deutschland nach Paris verschleppt.
Infolge von Napoleons Feldzügen in Europa beschlagnahmte Denon im Auftrag des Kaisers zahlreiche Kunstgüter von hoher Qualität und großer Bedeutung. Allein in Deutschland konfiszierte Denon 250 Kisten voller Gemälde, Antiquitäten und Kuriositäten, die sich in den Sammlungen der Schlösser Sanssouci, Kassel, Schwerin und Braunschweig befanden. Das bekannteste geraubte Kunstgut war die Quadriga vom Brandenburger Tor.
Immer wieder versuchten Konservatoren, die Kunstgegenstände vor dem Raub zu schützen, indem sie potenziell gefährdete Objekte heimlich außer Landes brachten. Beim Adel, dem viele Kunstgüter gehörten, war Denon dennoch nicht unbeliebt – im Gegenteil. Da er durch seinen Reisebericht aus Ägypten eine Berühmtheit und zudem äußerst freundlich und hochgebildet war, empfanden viele den Besuch Denons als Ehre.
Mit diesem Raubgut, das durch Scheinverträge legitimiert wurde, stattete Denon den Louvre aus und plante die Ausstellung in der Grande Galerie. „In einigen Monaten wird man beim Durchschreiten der Galerie, ohne es zu merken, einen historischen Kurs über die Kunst der Malerei machen können“, erklärte Denon vor der Eröffnung. 1812 erhielt der Künstler für seinen Verdienst den Titel eines Barons verliehen.
Nach dem Erfolg leerte sich der Louvre
Das neue Museum mit seiner einzigartigen Ausstellung war ein voller Erfolg und sorgte dafür, dass einige Kunstwerke mehr Beachtung erhielten. Dies änderte sich jedoch 1815: Mit der Niederlage Napoleons in der Schlacht bei Waterloo forderten viele geplünderte Länder ihre Altertümer zurück. Für Italien setzten sich unter anderem der Papst und der Bildhauer Antonio Canova für die Rückgabe der Kulturgüter ein.
Denon weigerte sich vehement, die geraubten Kunstwerke zurückzugeben – ohne Erfolg. Zum Niedergang der Ausstellung und der Rückgabe der Kunstwerke äußerte sich Denon: „Eine solche Versammlung, dieser Vergleich der Anstrengungen des menschlichen Geistes in allen Jahrhunderten, diese glühende Kammer, in der Talent unaufhörlich durch Talent beurteilt wurde, dieses Licht schließlich, das immerwährend aus der Reibung aller Verdienste hervorquoll, ist gerade ohne Wiederkehr erloschen.“
Welche Stücke die erste Sammlung des Louvre umfasste, ist in 17 Bänden notiert und für die Nachwelt erhalten geblieben. Für Denon zerbrach eine kleine Welt, sodass er beim neuen Regenten Ludwig XVIII. (1755–1824) seinen Rücktritt als Museumsdirektor erbat. Noch im Jahr 1815 erfüllte ihm der König diesen Wunsch.
„Die Anbetung des Hirten“, gemalt von Denon im Jahr 1787.
In den letzten zehn Jahren seines Lebens sammelte Denon weiter privat Altertümer und arbeitete an seinem Werk „Geschichte der Kunst“, wofür er selbst Zeichnungen anfertigte. Das Buch aus vier Bänden und 307 Tafeln wurde jedoch erst vier Jahre nach seinem Tod am 27. April 1825 veröffentlicht. Seine private Sammlung, die unter anderem etruskische Keramiken, Gemälde von Raffael und Rembrandt sowie griechische, römische, ägyptische, orientalische, präkolumbianische und polynesische Funde umfasste, wurde wenig später versteigert.
Aus heutiger Sicht – 200 Jahre nach seinem Tod – war Denon weder ein Historiker oder Archäologe noch Theoretiker oder Wissenschaftler. Trotzdem wurde er stets von seinen Zeitgenossen und Freunden wie Goethe und Humboldt für seine Arbeit geschätzt.
Denon selbst blieb sich bis zuletzt treu. Über sein Leben sagte der Künstler rückblickend: „Ich habe nichts studiert, denn das hätte mich gelangweilt. Aber ich habe viel beobachtet, weil es mir Spaß gemacht hat. Dadurch war mein Leben erfüllt und ich habe viel genossen.“
Katharina Morgenstern entdeckte bereits früh ihre Passion für Historisches – von der Urzeit bis in die frühe Neuzeit. Für Epoch Times beschreibt sie die Geschichte der Erde, der Menschen und ihrer Kulturen.