SERIE: 15 Irrtümer über Atomkraft – Teil 9

Weltweite radioaktive Verseuchung – Tschernobyl ist kein Einzelfall
Titelbild
Wiederaufbereitungsanlage Sellafield (Photo by Christopher Furlong/Getty Images)

Durch zivilen und militärischen Einsatz der Atomtechnologie steigt die radioaktive Belastung  weltweit an. Traurige Bilanz: Verseuchung, Krankheit und Tod im Umfeld der Atomnutzung Der Mensch kann radioaktive Strahlung nicht direkt wahrnehmen. Doch durch Strahleneinwirkung  werden Veränderungen oder Zerstörung von lebenden Zellen hervorgerufen. Diese Strahlenschäden können so gravierend sein, dass sie große Leiden oder den Tod bewirken. Kein Flecken dieser Erde ist  mittlerweile frei von zusätzlicher radioaktiver Belastung durch die zivile und militärische Verwendung  der Atomtechnologie.

Die größten Atom-Katastrophen

Die Spitze eines traurigen Rankings führt die Atomanlage in Majak (Russland) an. Der Ort mit der größten radioaktiven Kontamination auf der Erde ist Kyshtym/Majak, circa 1.700 Kilometer östlich von Moskau gelegen. Einem Gutachten der UN zufolge liegt das Gelände um die 90 Quadratkilometer große Atomanlage an der Spitze der traurigen Wertung. Hier fand die neben Tchernobyl schwerste Atomkatastrophe der Geschichte statt: Im September 1957 ist in Majak ein Tank mit hochaktivem flüssigen Atommüll explodiert und hat eine Fläche so groß wie ein Viertel Österreichs verseucht. Etwa 1.000 Menschen starben direkt durch die Explosion. Die freigesetzte Strahlung, die mit dem zwei- bis sechsfachen der Tschernobyl-Katastrophe angegeben wird, zog etwa 270.000 Menschen in Mitleidenschaft.

Die Verseuchung begann aber schon früher: Zwischen 1948 und 1951 wurde der gesamte anfallende flüssige Atommüll aus Majak in die Techa eingeleitet. Mehr als 100.000 Menschen, die an der Techa lebten und aus ihr Trinkwasser bezogen, waren einer extrem erhöhten Strahlung ausgesetzt. Ab 1951 wurde der flüssige Atommüll statt in die Techa in den Karachay-See entsorgt. Die Strahlung am Ufer dieses Sees ist teilweise noch so stark, dass ein Erwachsener in wenigen Stunden eine lebensgefährliche Dosis abbekommen würde.

1986: Tschernobyl

Bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl wurden große Mengen an radioaktiver Materie durch die Explosionen und den anschließenden Brand in die Umwelt freigesetzt. Die hohe Rauchsäule und die wechselnden Winde verteilten den Fallout – die Schätzungen reichen von 50 bis 120 Millionen Curie – über ganz Europa. Fast 20 Jahre nach Tschernobyl leiden die Menschen in der Ukraine und in Weißrussland immer noch massiv an den Folgen der Reaktorkatastrophe. Aber Tschernobyl war bei weitem nicht der einzige Unfall in der Geschichte der Atomkraft. Die folgenden schweren Unfälle stehen beispielhaft für die Geschichte der Atomtechnologie:

1957: Windscale

In der berüchtigten Wiederaufbereitungsanlage Windscale, dem heutigen Sellafield, gerät ein Gas-Graphit-Reaktor in Brand. Es dauert drei Tage, bis das Feuer endlich unter Kontrolle ist, die Reaktorruine muss danach einbetoniert werden. Rund 500 Quadratkilometer Land werden radioaktiv verseucht.

1979 Three Mile Island

Am 28. März kommt es im AKW bei Harrisburg zu einer teilweisen Kernschmelze und dem Austritt von Radioaktivität. Stundenlang ist der Reaktor außer Kontrolle, eine Explosion droht. Eine beispielhafte Serie von Pannen und Fehlern läuft ab. Die Behörden geben eine erhöhte Krebsrate unter der Bevölkerung zu, streiten einen Zusammenhang mit dem Unfall jedoch ab.

1999 Tokaimura

Am 30. September kommt es in der japanischen Urananreicherungsanlage zu einem schweren Unfall. Beim Mischen radioaktiver Substanzen wird eine nukleare Kettenreaktion ausgelöst. Diese dauert insgesamt 17 Stunden. In einem Radius von 350 Meter rund um das Werk werden alle Menschen evakuiert. Innerhalb von 10 Kilometern dürfen die Bewohner ihre Häuser nicht verlassen. Drei Arbeiter werden mit einer hohen Dosis verstrahlt, zwei davon sterben Monate später.

Verseuchung durch Wiederaufbereitung: Beispiel La Hague (Frankreich) und Sellafield (Großbritannien)

Bei der so genannnten Wiederaufbereitung werden abgebrannte Brennlemente physikalisch und chemisch zerlegt, um Uran und Plutonium zu separieren. Wie die Geschichte der Anlagen von La Hague (F) und Sellafield (GB) zeigt, führt schon der „Normalbetrieb“ zu radioaktiver Verseuchung. Die radioaktiven Nuklide, die von beiden Anlagen ins Meer gepumpt werden (zum Beispiel Technetium-99), sind noch an der norwegischen und grönländischen Küste nachweisbar. Rund eine halbe Tonne des schon im Mikrogrammbereich hochgiftigen Plutoniums wurde in den letzten 40 Jahren von der Wiederaufbereitungsanlage Sellafield ins Meer geleitet. Inzwischen wurde Plutonium aus Sellafield in den Zähnen von Kindern in England nachgewiesen. Messungen durch Greenpeace an den Abwasserrohren der Anlagen in La Hague (1997) und Sellafield (1998) brachten erschreckende Ergebnisse. Die Verseuchung von Meerestieren wie Krebsen, Muscheln und Fischen ist vergleichbar mit der Kontamination nach nuklearen Großunfällen. Ein Vergleich von Bodenproben aus der Umgebung von Tschernobyl mit Proben aus der Umgebung der Anlage Sellafield zeigte, dass die Anlage die Umwelt vergleichbar stark radioaktiv verseucht hat wie die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl.

Uranabbau: Verseuchungen in Deutschland, Kanada, Niger, Australien

Hauptlieferanten für Uran sind derzeit Australien, Kanada, Nachfolgestaaten der Sowjetunion und der Niger. Bis zur Wende in Deutschland wurde auch in Ostdeutschland Uran in größeren Mengen abgebaut. Da die Konzentration von Uranerz meist sehr niedrig ist, müssen große Gesteinsmengen abgebaut werden: Große Mengen radioaktiv und chemisch verseuchter Grubenabwässer werden teilweise bis heute in Flüsse und Seen gepumpt. Bei Stilllegung von Uranbergwerken werden diese einfach geflutet und verseuchte Lösungen gelangen ins Grundwasser. Zwischen 1946 und 1990 starben in der damaligen DDR 7.163 Bergleute an Lungenkrebs. Sie arbeiteten in den Uranminen der Wismut AG.

Weltweite Strahlenbelastung durch Atomwaffentests

Bislang wurden weltweit etwa 2.000 Atomwaffentests durchgeführt, davon 528 in der Atmosphäre. Dabei wurde eine Sprengkraft von mindestens 34.000 Hiroshima-Bomben freigesetzt. Und infolge von mehr als 1500 unterirdischen Atomtests zwischen 1957 und 1998 wurden langlebige Radionuklide in die unterirdische Umwelt eingebracht. Durch den von den Testexplosionen verursachten radioaktiven Niederschlag gab und gibt es heute im Umfeld der Testgebiete bei der Bevölkerung hohe Raten an Krebserkrankungen und Fehlbildungen. Die IPPNW-Studie „Radioaktive Verseuchung von Himmel und Erde“ schätzt die weltweite Zahl tödlicher Krebsfälle durch oberirdische Atomtests bis zum Jahr 2000 auf 430.000. Fazit: Die Nutzung der Atomkraft macht krank und führt den Tod vieler Menschen herbei. Es sind nicht nur die spektakulären Unfälle wie Tschernobyl, es ist auch die schleichende Kontamination durch Uranabbau und Wiederaufbereitung, die zu einer weltweiten Verseuchung beitragen. Welche Auswirkungen die Lagerung von Atommüll für zukünftige Generationen haben wird, lässt sich heute noch nicht abschätzen.

Silva Herrmann, Energiereferentin GLOBAL 2000



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