China legt „Friedensplan“ für Ukraine vor – Westen skeptisch und enttäuscht

Die KP-Führung in China hat ein 12-Punkte-Papier für eine Waffenruhe in der Ukraine vorgelegt. Es erschöpft sich mehr in Appellen, als Lösungen zu bieten.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow empfing am Mittwoch Wang Yi, den leitenden Außenpolitiker von China.
Russlands Außenminister Sergei Lawrow empfing am Mittwoch Wang Yi, den leitenden Außenpolitiker von China.Foto: Alexander Nemenov/Pool AFP/AP/dpa
Von 24. Februar 2023

Anlässlich des ersten Jahrestags der russischen Militäroperation in der Ukraine hat Chinas KP-Führung ein 12-Punkte-Papier vorgelegt. In diesem fordert das Regime eine zeitnahe Wiederaufnahme von Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien. Außerdem richtet es sich auch an alle anderen Länder der internationalen Gemeinschaft.

Alle Parteien sollten „Russland und die Ukraine unterstützen, in die gleiche Richtung zu arbeiten“, heißt es. Auf diese Weise solle es gelingen, „letztendlich einen umfassenden Waffenstillstand zu erreichen“.

Die Ukraine lehnte das Papier ab. Diplomaten und Experten reagierten skeptisch und enttäuscht, da das Zwölf-Punkte-Dokument keine neue Initiative erkennen ließ. Auch wurde festgehalten, dass China nicht neutral sei und den russischen Angriffskrieg bis heute nicht verurteilt habe. Die Bundesregierung beklagte, dass in Pekings Papier „wichtige Elemente“ fehlten, etwa ein Rückzug russischer Truppen.

„Jeder ‚Friedensplan‘, der nur einen ‚Waffenstillstand‘ und infolgedessen eine neue Trennlinie und die Besetzung von Gebieten vorsieht, handelt nicht von Frieden“, so der Berater im Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, auf Twitter. Es handele sich vielmehr um ein „Einfrieren des Krieges“, um „nächste Etappen des Völkermords“ – und daher eine Niederlage. Die Ukraine bestehe unverändert auf einen Abzug der russischen Truppen aus ihren international anerkannten Grenzen von 1991.

Baerbock: „Der Weg in eine andere Weltordnung“

Kritik kommt unter anderem auch von Außenministerin Annalena Baerbock. „Wer von Frieden spricht, darf nicht Unterwerfung meinen. Wer Aggressor und Opfer gleichsetzt, schafft keinen Frieden, sondern belohnt Gewalt“, sagte die Grünen-Politikerin am Rande einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats. „Das wäre der Weg in eine andere Weltordnung, wo das Recht des Stärkeren gilt.“ Die Bundesregierung werde alles dafür tun, die Friedensordnung der UN-Charta zu erhalten. „Sonst kann kein kleines Land in Zukunft noch in Sicherheit leben“, sagte die deutsche Außenministerin.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg reagierten zurückhaltend. Man müsse sich die zwölf Punkte vor dem Hintergrund anschauen, dass China bereits Partei ergriffen habe, sagte von der Leyen in der estnischen Hauptstadt Tallinn. China und Russland hätten einander noch kurz vor Kriegsbeginn ihre „grenzenlose“ Freundschaft zugesichert.

Auch Stoltenberg wies bei einer Pressekonferenz mit von der Leyen und der estnischen Regierungschefin Kaja Kallas darauf hin. China hat nach seinen Worten nicht besonders viel Glaubwürdigkeit, weil es bisher nicht in der Lage war, die russische Invasion in die Ukraine zu verurteilen.

Putin bereite sich derzeit nicht auf Frieden vor, sondern auf mehr Krieg und weitere Offensiven, betonte Stoltenberg. Irgendwann werde der Krieg wohl am Verhandlungstisch enden. Wenn man jedoch eine Verhandlungslösung wolle, bei der die Ukraine als souveräne, unabhängige Nation bestehen bleibe, müsse man das Land militärisch unterstützen. Nur so könne man die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Putin erkenne, dass er auf dem Schlachtfeld nicht gewinnen werde.

Das sagen russische Vertreter

Der bekannte russische Außenpolitiker Leonid Sluzki hat den chinesischen Zwölf-Punkte-Plan zum Krieg in der Ukraine als „ausgewogen“ bezeichnet. Er sei jedenfalls ausgewogener als die neue UN-Resolution, die faktisch eine Kapitulation Russlands fordere, schrieb der Vorsitzende des Außenausschusses im russischen Parlament am Freitag auf seinem Blog im Netzwerk Telegram.

„Die Vorschläge aus Peking muss man noch einzeln erörtern. Aber hauptsächlich ist das ein Plan, um die Hegemonie des kollektiven Westens zu beenden.“

China gegen „Sicherheitsarchitektur auf Kosten anderer Länder“

Als ersten Punkt nennt das Papier den Respekt vor der Souveränität aller Länder. Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit aller Länder müssten „wirksam gewahrt werden“, Doppelstandards im Völkerrecht seien zu vermeiden.

Während dieser Hinweis zweifellos auf situationselastische Rechtsüberzeugungen des Westens abzielt, lässt jener auf die territoriale Unversehrtheit Fragen offen. Die Russische Föderation betrachtet bereits seit 2014 die Halbinsel Krim als Teil ihres Staatsgebiets – im Zuge des Krieges erklärte man auch die Annexion von Teilen des Donbass. Die Ukraine strebt nicht nur die Wiedererlangung der Kontrolle über den Donbass, sondern auch eine Rückeroberung der Krim an.

Der zweite Punkt, die „Abkehr von der Mentalität des Kalten Krieges“, richtet sich demgegenüber sehr eindeutig gegen die Ausdehnung der NATO. Die Rede ist stattdessen von der Schaffung einer „ausgewogenen, effektiven und nachhaltigen europäischen Sicherheitsarchitektur“. Die Sicherheit eines Landes sollte „nicht auf Kosten anderer Länder angestrebt“ werden.

Peking will „konstruktive Rolle spielen“

Die Punkte drei und vier betreffen die Beendigung der Feindseligkeiten, eine schrittweise Deeskalation und einen umfassenden Waffenstillstand. In weiterer Folge solle es zu einer Wiederaufnahme der Friedensgespräche kommen. Chinas KP-Regime wolle dabei „weiterhin eine konstruktive Rolle spielen“.

Die Punkte fünf und sechs beziehen sich auf die Beilegung der humanitären Krise, den Schutz der Zivilbevölkerung, deren Evakuierung aus dem Kriegsgebiet und die Behandlung der Kriegsgefangenen.

Anschließend geht es in zwei Punkten um die Sicherheit von Kernkraftanlagen und der Verringerung der strategischen Risiken mit Blick auf Atomwaffen. In Punkt acht heißt es unter anderem:

Atomwaffen dürfen nicht eingesetzt und Atomkriege dürfen nicht geführt werden. Die Androhung oder der Einsatz von Atomwaffen sollte abgelehnt werden.“

„Beendigung einseitiger Sanktionen“ gefordert

Die letzten vier Punkte befassen sich mit wirtschaftlichen Fragen. So ruft die Führung in Peking zur Unterstützung der Schwarzmeer-Getreide-Initiative und Sicherstellung der globalen Ernährungssicherheit auf.

Vor allem auf den Westen zielt wiederum die Forderung nach einer „Beendigung einseitiger Sanktionen“. China lehne „einseitige, vom UN-Sicherheitsrat nicht genehmigte Sanktionen“ und eine „weitreichende Gerichtsbarkeit“ als Instrument gegen andere Länder ab.

Die letzten beiden Punkte betreffen die Aufrechterhaltung der Industrie- und Lieferketten und die Förderung des Wiederaufbaus nach Konflikten. Auch hier will sich das KP-Regime als vermeintlicher Anwalt des globalen Handels und konstruktiver Vermittler präsentieren.

Kein Wort über Rechte von Minderheiten

Auffällig ist, dass in keinem der Punkte Forderungen angesprochen sind, die noch im Minsker Abkommen ein Thema waren. Neben Wahlen in umkämpften Gebieten ging es unter anderem auch um die Wahrung der Rechte ethnischer, religiöser und kultureller Minderheiten.

Dass die euronationalistische Führung in Kiew vor allem eine forcierte Ukrainisierung der mehrheitlich russischsprachigen Gebiete anstrebte, war von Beginn an ein Streitpunkt. Daneben waren jedoch auch Ungarn oder Roma in der Ukraine Drangsalierungen vonseiten rechtsextremer Kräfte ausgesetzt.

Dass das KP-Regime Chinas diesen Punkt ausgespart hat, dürfte nicht nur mit dem Wunsch zusammenhängen, eigene Wirtschaftsbeziehungen zu Kiew nicht zu gefährden. Im kommunistischen China betreibt die Führung seit Jahr und Tag eine brutale Assimilationspolitik in Provinzen wie Xinjiang oder Tibet. Auch die Verfolgung religiöser oder spiritueller Bewegungen ist an der Tagesordnung – weshalb Peking kaum Anstoß etwa am Verbot der russischen Orthodoxie in der Ukraine nehmen dürfte.

Neue US-Sanktionen treffen indirekt auch China

Unterdessen könnten chinesische Unternehmen zum Ziel von US-Sanktionen werden. Dies hat nach einem Bericht der englischsprachigen Epoch Times das Außenministerium in Washington bekannt gegeben.

Anlässlich des Jahrestages des Beginns der russischen Militäroperation haben die USA am Freitag weitere Sanktionen angekündigt. Diese richten sich gegen russische Unternehmen aus der Finanz-, Technologie- und Militärbranche.

Staatssekretärin Victoria Nuland kündigte jedoch auch an, dass das neue Sanktionspaket mittelbar auch China treffen werde. Es werde vor allem solche Unternehmen aus dem Land treffen, die versuchten, bestehende Exportverbote zu umgehen. Gegenüber der „Washington Post“ kündigte sie an:

Wir werden auch andere Beschränkungen für Unternehmen, die in China ansässig sind, oder für chinesische Tochtergesellschaften von Unternehmen in Europa einführen.“

Dabei nimmt man vor allem Anstoß an Lieferungen militärisch nutzbarer Komponenten wie Halbleiter oder Geolokalisierungsdaten.

Lieferung tödlicher Waffen befürchtet

In Washington scheint man jedoch auch zu befürchten, dass Chinas KP Russland ihrerseits tödliche Waffen liefern könnte. Die Ankündigung eines Besuchs von Machthaber Xi Jinping bei Präsident Putin nährt diese Bedenken zusätzlich.

Die US-Regierung hat im Kontext möglicher Waffenlieferungen zuletzt mehrfach Warnungen in Richtung Peking ausgesprochen. Während der Westen Anstoß daran nimmt, dass die Führung in Peking die Militäroperation nicht als „russischen Angriffskrieg“ verurteilt, gilt China immer noch im globalen Maßstab als neutral.

Dies stehe nun auf dem Spiel, so Nuland. Mit Blick auf das KP-Regime in Peking sagt sie:

[Tödliche Hilfe] wäre ein kompletter Schrittwechsel. Nicht nur in Bezug darauf, wie sie weltweit gesehen werden und wie sie ihre Neutralität behaupten, sondern auch in Bezug auf unsere Beziehungen zu China.“



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