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„Tag der Industrie“

Wehrfähigkeit löst Klimaschutz ab: Merz fordert Freistellung von Reservisten durch die Unternehmen

Beim diesjährigen „Tag der Industrie“ in Berlin hat Bundeskanzler Friedrich Merz seinen wirtschaftspolitischen Kurs vorgestellt. In einem umfassenden Neun-Punkte-Programm fordert er eine Rückkehr zu Wachstum, weniger Bürokratie – und sieht die Verteidigungsindustrie als Schlüsselbranche der Zukunft.

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Bundeskanzler Friedrich Merz beim Tag der deutschen Industrie

Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Lesedauer: 6 Min.

Am Montag, 23. Juni, hat auf dem EUREF-Campus in Berlin der diesjährige Tag der Industrie begonnen. Noch bis Dienstag werden Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft dort Aspekte des Leitthemas „Neuanfang, Veränderung und Disruption“ erörtern. Bereits am Eröffnungstag hat Bundeskanzler Friedrich Merz das Wort ergriffen – und für ein „Neun-Punkte-Programm“ geworben, mit dem die Bundesregierung unter seiner Führung die Wirtschaft aus der Krise führen will.
Für den Gastgeber der „internationalen Zukunftskonferenz“, den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), ist mit dem Regierungswechsel die Hoffnung auf eine „Wirtschaftswende“ verbunden. Eine solche hatte die Ampelkoalition unter Olaf Scholz mehrfach angekündigt, aber nicht auf den Weg gebracht.

Industrie fordert Wirtschaftswende – Merz redet über Verteidigung

Die Koalition unter Friedrich Merz und Lars Klingbeil hat sich hingegen vorgenommen, der Rückkehr zum Wachstum Priorität einzuräumen. Im Koalitionsvertrag wird dieses als Voraussetzung für Wohlstand und für die Finanzierung von Zielen wie der Klimaneutralität genannt. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hatte im Rahmen des Ludwig-Erhard-Gipfels von einem „4-Punkte-Plan“ für die deutsche Wirtschaft gesprochen. Merz weitete diesen nun auf neun Punkte aus.
Während der Hauptfokus in Reiches Konzept die Energieversorgung ist, stellte Merz den Rüstungssektor als die große Hoffnung für die Rückkehr zum Wachstum dar. Wo in früheren Zeiten die „Transformation“ hin zur Klimaneutralität als übergeordnetes Thema die Reden von Regierungsmitgliedern dominierte, ist es jetzt die militärische Sicherheit. Für mehr europäische Verteidigungsbereitschaft sollten die Unternehmen notfalls aber auch ihren Beitrag leisten.
In seiner Rede äußerte Merz, das militärische Eingreifen der USA im Iran sei zwar nachvollziehbar – es blieben jedoch Risiken. Insgesamt müsse man sich damit abfinden, dass die USA „nicht mehr die USA von vor 30 bis 40 Jahren“ seien. Wer immer Präsident Donald Trump nachfolgen werde, lasse ebenfalls „keine Rückkehr zur alten Sicherheitsarchitektur erwarten“.

„Neue Verteidigungsfähigkeit“ soll auch Unternehmen in die Pflicht nehmen

Aus diesem Grund müsse Europa „sich selbst verteidigen lernen“. Dabei sei Sicherheit „auch Aufgabe der Wirtschaft“. Es sei ein „Fehler“ gewesen, die Wehrpflicht auszusetzen. Um die „neue Verteidigungsfähigkeit“ für Deutschland sicherzustellen, sollten Unternehmen auch bereit sein, Reservisten freizustellen.
Um „Souveränität und Resilienz“ für Europa sicherzustellen, solle Deutschland jedoch auch ein Ort der Innovation werden. Das Land müsse in „strategische Industrieprojekte“ investieren – „auch mit Blick auf die Verteidigung“. Merz mahnt in diesem Kontext den Ausbau von Raumfahrt, Hochtechnologie und Gigafactorys an.
Der Kanzler versprach den Unternehmen jedoch auch etwas – nämlich mehr Eigenverantwortung, weniger Bürokratie und weniger Überregulierung und Kontrollen. Um die deutsche Wirtschaft international wieder wettbewerbsfähig zu machen, soll es eine große Investitionsoffensive geben.
Diese will man mit einer degressiven Abschreibung von 30 Prozent für Investitionen in bewegliche Wirtschaftsgüter und einer Senkung der Körperschaftssteuer ab 2028 erreichen. Von da an soll diese jährlich um einen Prozentpunkt und am Ende von 15 auf 10 Prozent sinken. Diesen sogenannten Investitionsbooster hatte Merz bereits zu Beginn seiner Kanzlerschaft angekündigt. Ab Juli soll die Reform in Kraft treten. Allerdings gibt es noch keine Einigung mit den Ländern.

Merz hofft auf baldiges grünes Licht für Industriestrompreis

Die Steuererleichterung, die bis 2029 die Unternehmen um insgesamt 48 Milliarden Euro entlasten soll, stellt den ersten Punkt des von Merz skizzierten Programms dar. Außerdem soll das Infrastruktur-Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro ins Kabinett kommen.
Der dritte Punkt betrifft die Senkung der Energiekosten. Hier will Merz den Bau von Gaskraftwerken beschleunigen und die Gasspeicherumlage senken – Vizekanzler Lars Klingbeil bringt einen Ersatz durch Zahlungen aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) ins Spiel. Noch keine Lösung ist beim geplanten Industriestrompreis in Sicht. Hier könnte sich die EU gegen den subventionierten Strompreis querstellen.
Merz sieht auch in der Einführung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit und zusätzlichen Anreizen für Überstunden einen bedeutsamen Impuls für die Wirtschaft – und will diese bald auf den Weg bringen. Bezüglich der Bürokratie hat die Union das nationale Lieferkettengesetz im Visier. Es ist aber noch unklar, ob nur die Berichtspflichten oder das gesamte Gesetz wegfallen soll.

Digitalisierung macht 150 zusätzliche Mitarbeiter erforderlich

Die übrigen Punkte des Merz-Konzepts zielen auf die Intensivierung von Forschung zu Zukunftstechnologien wie Quantentechnologie und Kernfusion, auf Digitalisierung, Mobilisierung von Kapital und „mehr Europa“. Im Zusammenwirken mit Frankreich strebt die deutsche Bundesregierung die Umsetzung von Projekten wie der Schaffung einer europäischen Kapitalmarktunion oder „souveräner“ Cloud-Plattformen an. Bezüglich des Zollstreits mahnt Merz die EU zu Einigungsbereitschaft. Sie solle sich um zeitnahe Zollabkommen für einzelne Branchen bemühen.
Um die Digitalisierung voranzubringen, will die Bundesregierung vom Haushaltsausschuss grünes Licht für 150 neue Stellen. Diese sollen unter anderem die Grundlage für eine „digitale Brieftasche“ legen, die es bis 2026 geben soll, oder den „Deutschlandstack“. Dieser Software-Baukasten soll vor allem Behörden die Schaffung digitaler Optionen erleichtern.
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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