Gesetz gegen Kinderehen ein Flop – nun droht auch die Aufhebung durch das Bundesverfassungsgericht

Das 2017 verabschiedete Gesetz gegen Kinderehen, zu denen auch solche mit Partnern zwischen 16 und 18 Jahren gezählt wurden, hat einem Evaluationsbericht zufolge „keine große praktische Bedeutung“. Nun droht auch noch Ungemach vonseiten des Bundesverfassungsgerichts.
Von 20. September 2020

Wenige Wochen vor der Bundestagswahl 2017 hatte der damalige Bundesjustizminister Heiko Maas das Gesetz zur Bekämpfung im Ausland geschlossener sogenannter Kinderehen durch das Parlament gebracht. Bis heute wurde jedoch in lediglich neun Fällen dem Antrag eines Jugendamtes oder der Ehefrau selbst auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Ehe stattgegeben, der gestellt wurde, weil die Ehefrau unter 16 Jahre alt war. In lediglich elf Fällen wurde eine Ehe aufgehoben, weil die Partnerin zwischen 16 und 18 Jahre alt war – ein Alter, in dem eine Eheschließung mit Zustimmung der Erziehungsberechtigten oder eines Gerichts bis 2017 auch in Deutschland möglich gewesen wäre.

BGH: Verfassung fordert Ermessensspielraum

Nun droht sogar das generelle Aus für das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht, das noch in diesem Jahr entscheiden will, ob dieses – insbesondere infolge seiner pauschalen Regelung bezüglich Ehepartnern, die das 16. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits vollendet hatten – überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Immerhin stellt dieses Ehe und Familie unter besonderen Schutz.

Der Bundesgerichtshof hatte bereits 2018 in einem Revisionsverfahren entschieden, dass es einen Ermessensspielraum für das Gericht geben müsse, wenn einer der Ehepartner bei der Heirat älter als 15 Jahre gewesen sei und eine Aufhebung unter dem Gesichtspunkt des Minderjährigenschutzes nicht geboten sei. Im Anlassfall ging es um eine syrische Frau, die im Jahr 2001 im Alter von damals 16 Jahren im Libanon nach dort gültigen Gesetzen die Ehe geschlossen und mittlerweile auch vier eheliche Kinder bekommen hatte.

Gesetz kennt Härteklausel

Immerhin sieht das Gesetz bereits jetzt die Möglichkeit von Ausnahmen vom Aufhebungsgebot vor, das Ehen mit einem Partner betrifft, der zwischen 16 und 18 Jahre alt ist – und möglicherweise sogar von der prinzipiellen Unwirksamkeit, wenn eine Ehe zu einem Zeitpunkt geschlossen worden war, zu dem ein Partner unter 16 Jahre alt war. Diese Ausnahmen seien zugänglich, wenn die Aufhebung der Ehe „aufgrund außergewöhnlicher Umstände“ eine „so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe ausnahmsweise geboten erscheint“.

Auch dort, wo die ursprünglich minderjährige Ehefrau inzwischen 18 geworden ist und zu erkennen gibt, dass sie die Ehe fortsetzen will, sieht das Gesetz Legalisierungsmöglichkeiten vor. Es bleibt dennoch für Betroffene in der derzeitigen Fassung der geänderten BGB-Bestimmungen ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit, was dem grundgesetzlichen Vertrauensschutz widersprechen könnte. Im schlimmsten Fall drohen der Ehefrau jenem Teil der Ehe, der eigentlich durch die Norm geschützt werden soll, die eigentlichen Nachteile – etwa die Abschiebung, wenn sie keine eigenen Einkünfte erzielen kann.

Die „Welt“ zitiert nun aus einem Evaluationsbericht des Justizministeriums, in dem es angesichts der geringen Anzahl an Fällen, in denen die neuen Normen überhaupt Anwendung gefunden haben, von einer in der Praxis wenig relevanten Norm gesprochen wird:

„Es kann somit insgesamt festgestellt werden, dass der gerichtlichen Aufhebung und der Unwirksamkeit der Minderjährigen-Ehe in Deutschland keine große praktische Bedeutung zukommt.“

Im Jahr 2016 gab es 361 reale Kinderehen in Deutschland

Skeptiker sahen damals schon ein Signal in letzter Minute an potenzielle AfD-Wähler hinter den Bemühungen. In den meisten Fällen, in denen von „Kinderehen“ die Rede war, ging es um verheiratete Mädchen, die im Zuge der Migrationskrise nach Deutschland gekommen waren, und die zwischen 16 und 18 Jahre alt waren. Dazu kamen mittlerweile erwachsene Frauen, die bereits Jahre zuvor als Minderjährige nach den Gesetzen ihres Herkunftslandes eine gültige Ehe geschlossen hatten.

Allerdings waren den Zahlen des Ausländerzentralregisters aus dem Jahr 2016 zufolge von den insgesamt 1.475 verheirateten minderjährigen ausländischen Staatsangehörigen, die sich zum damaligen Zeitpunkt im Land aufhielten, 361 unter 14 Jahre alt, also tatsächliche Kinder. Nach dem Recht der Länder, aus denen sie ursprünglich stammten, waren die Ehen dennoch gültig geschlossen worden.

Insgesamt seien seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen zum 22. Juli 2017 bis einschließlich 1. Quartal 2020 ausweislich der Rückmeldungen der Landesjustizverwaltungen insgesamt lediglich 140 Verfahren auf Aufhebung einer Ehe wegen Minderjährigkeit gestellt worden, heißt es in dem nun vorgelegten Bericht. In insgesamt 1.092 Fällen, in denen die Ehefrau zum Zeitpunkt der Eheschließung minderjährig war, sah die zuständige Behörde von einem Antrag ab, weil die mittlerweile volljährige Ehefrau die Fortsetzung der Ehe bestätigt hatte.

Am häufigsten heiraten Minderjährige in islamischen und Roma-Communitys

Neben Paaren und Familien, die aus islamischen Ländern als Asylsuchende seit Beginn der Migrationskrise nach Deutschland gekommen waren, treten Eheschließungen mit Partnern unter 18 Jahren häufig auch bei EU-Bürgern aus Bulgarien, Rumänien oder Griechenland auf. In vielen Fällen handelt es sich dabei um Angehörige von Sinti- und Roma-Communitys.

In den Roma-Familien gilt es als sozial erwünscht, dass Frauen bis spätestens Mitte 20 verheiratet sind, in manchen Communitys werden Ehen auch zwischen den Familien arrangiert. Da zudem auch uneheliche sexuelle Kontakte verpönt sind, heiraten viele Roma-Paare in verhältnismäßig jungem Alter, auch um „Brautentführungen“ vorzubeugen, die aus Communitys in Ländern wie Großbritannien, Bulgarien, der Tschechischen Republik oder der Slowakei bekannt sind. In Finnland hingegen ist es unüblich, dass Roma ihre Ehe überhaupt registrieren lassen.

In der deutschen Mehrheitsgesellschaft waren Ehen von Partnern unter 20 Jahren bereits im 18. und 19. Jahrhundert eher die Ausnahme. Am häufigsten traten sie in ländlichen und bäuerlichen Gemeinden auf – oder im Adel, wo häufig politisch motivierte Ehen arrangiert wurden.

Während staatliche Schul-Lehrpläne in Deutschland frühe Ehen und Teenager-Schwangerschaften als bekämpfenswerte Phänomene benennen, regt sich auch in christlichen Kreisen, vor allem unter Evangelikalen im Westen und Orthodoxen im Osten, Widerspruch gegen diese Einschätzung. Dort wird argumentiert, dass ein entkrampftes Verhältnis zur Eheschließung zwischen dem 16. und 20. Lebensjahr mehr Nutzen als Schaden anrichten würde.

Ehe mit 16 verpönt – bloßer Sex aber nicht?

Biologisch sei die erforderliche Reife gegeben, wird dort argumentiert, das Spannungsverhältnis zwischen Ausleben und Unterdrückung des in jenen Lebensjahren besonders starken Geschlechtstriebs würde vermindert und die energiegeladenen jungen Menschen wären auch belastbarer, wenn es um Aufgaben der Kindererziehung gehe.

Vor allem in religiösen und konservativen Kreisen erscheint es vielen als widersinnig, das Mindestalter für die Schließung einer Ehe immer weiter hinaufzusetzen, gleichzeitig aber frühe sexuelle Aktivitäten ohne Verpflichtungen auch unter Minderjährigen zunehmend zur Normalität zu erklären. Solche sind beispielsweise in bestimmten Konstellationen sogar zwischen Volljährigen und Personen mit vollendetem 14. Lebensjahr nach wie vor legal, solange kein Abhängigkeits- oder Betreuungsverhältnis besteht.



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