Guaidó sucht Unterstützung des Militärs bei Hilfslieferungen

Das Herbeischaffen internationaler Hilfsgüter wird zur ersten Bewährungsprobe für den Interimspräsidenten. Gelingt es Guaidó, die Lieferungen ins Land zu bringen, dürfte das seine Position stärken.
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Venezuelas Mann der Stunde Juan Guaidó.Foto: Leo Alvarez/Getty Images
Epoch Times5. Februar 2019

Nach der Anerkennung durch viele europäische Staaten muss der selbst ernannte venezolanische Interimspräsident Juan Guaidó liefern. Er will dringend benötigte humanitäre Hilfe ins Land bringen, um die schlimmste Not in dem Krisenstaat zu lindern.

„In der ersten Etappe soll die Hilfe jenen Venezolanern zugute kommen, die Gefahr laufen, zu sterben“, sagte Guaidó. Die USA, Kanada und Deutschland sagten bereits Soforthilfen in Millionenhöhe zu.

Machthaber Nicolás Maduro war 2018 in umstrittenen und von der Opposition weitgehend boykottierten Wahlen im Amt bestätigt worden. Im Januar begann seine zweite Amtszeit – und Guaidó reagierte mit der Ausrufung zum Gegenpräsidenten. Das Parlament, in dem die Opposition bei den letzten freien Wahlen Ende 2015 eine klare Mehrheit errungen hatte, war Monate zuvor entmachtet worden. Das Land, dessen Exporteinnahmen zu 95 Prozent vom Erdöl abhängen, war in Maduros Amtszeit in eine dramatische Krise geraten – viele Menschen hungern oder sind geflohen, die Geldentwertung ist die höchste der Welt.

Die USA, viele Staaten in Lateinamerika und zahlreiche europäische Länder haben den jungen Guaidó mittlerweile als legitimen Übergangspräsidenten anerkannt. In der Nacht zum Dienstag dankte Guadió auf Twitter den Regierungen Estlands, Mazedoniens und Kroatiens, die zuletzt ihre Unterstützung für seine Präsidentschaft erklärt hatten. „Die demokratische Welt erkennt den Kampf der Venezolaner an“, sagte er am Montag.

Allerdings braucht Guaidó die Unterstützung der mächtigen Streitkräfte, um die Hilfslieferungen ins Land zu schaffen. Noch halten die Militärs zu Maduro, der humanitäre Hilfe aus dem Ausland zuletzt immer wieder abgelehnt hatte. Er wolle keine Almosen, sagte er. Zudem fürchtet er, dass mit der Hilfe aus den Vereinigten Staaten auch US-Soldaten ins Land kommen.

Heute richte ich einen Aufruf an die Streitkräfte: In wenigen Tagen habt ihr die Möglichkeit zu entscheiden, ob ihr auf der Seite von jemandem stehen wollt, um den es immer einsamer wird, oder auf der Seite von Hunderttausenden Venezolanern, die Lebensmittel und Medikamente brauchen“, sagte Guaidó.

Die Hilfslieferungen sollen in den kommenden Tagen von Kolumbien und Brasilien nach Venezuela geschafft werden. „Alles ist bereit. Hier die Frage an die Militärs: Soldat, wirst du deiner Familie die humanitäre Hilfe verweigern? Einmal mehr appelliere ich an euer Gewissen. Diese Hilfe ist dazu da, Leben zu retten.“

Die meisten Ländern der sogenannten Lima-Gruppe – Argentinien, Brasilien, Kanada, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Guatemala, Honduras, Panama, Paraguay und Peru – hatten die Streitkräfte am Montag aufgerufen, sich dem Kommando von Guaidó zu unterstellen. „Wir fordern das Militär dazu auf, die internationale Hilfe ins Land zu lassen“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Die Gruppe betonte zugleich, dass sie weiter an einer friedlichen Lösung des Konflikts interessiert sei. Man wolle keine militärische Intervention. Die Lima-Gruppe wurde 2017 mit dem Ziel gegründet, zu einer friedlichen Lösung der Venezuela-Krise beizutragen.

Maduro kämpft indessen weiter um seine Macht. Für Mittwoch, den 6. Februar, kündigte er einen nationalen „Tag der Solidarität“ an, an dem mindestens zehn Millionen Unterschriften für ein Schreiben an die USA gesammelt werden sollen. Darin will Maduro „das US-Imperium auffordern, alle Kriegsdrohungen gegen das venezolanische Volk zurückzuziehen“, wie der Staatschef bei Twitter mitteilte.

Gelingt es Guaidó dagegen, die Hilfslieferungen ins Land zu bekommen und an die notleidende Bevölkerung zu verteilten, dürfte ihm das viel Anerkennung bei den Venezolanern und zusätzliche Punkte im Machtkampf mit Staatschef Maduro einbringen.

Das einst reiche Land steckt in einer schweren Wirtschaftskrise. Aus Mangel an Devisen kann Venezuela kaum noch Lebensmittel, Medikamente und Dinge des täglichen Bedarfs importieren. Für das laufende Jahr rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) mit einer Inflationsrate von 1,37 Millionen Prozent, das Bruttosozialprodukt dürfte laut der Prognose um weitere 18 Prozent einbrechen. Viele Menschen hungern, rund drei Millionen Venezolaner sind bereits ins Ausland geflohen.

Wegen der US-Sanktionen gegen den staatlichen Ölkonzern PdVSA ist zudem der für Venezuela lebenswichtig Ölhandel ins Stocken gekommen. Das Land führt kaum noch Öl aus, und die Produktion selbst ist eingebrochen, weil wegen mangelnder Bezahlung die Arbeiter fernbleiben, wie das „Wall Street Journal“ am Montag berichtete.

Guaidó verfügt in Venezuela aber über keine echte Machtposition. Alles hängt davon ab, ob es ihm gelingt, die Militärs auf seine Seite zu ziehen. Zumindest die Führungsriege hält noch immer treu zu Maduro. Viele Generäle besetzen lukrative Posten in der Erdöl- und Finanzwirtschaft, Offiziere kontrollieren die Verteilung von Lebensmitteln und den Bergbau. Zudem sollen viele Militärs in kriminelle Geschäfte verwickelt sein. Sie haben kein Interesse an einem Regierungswechsel.

Unter den einfachen Soldaten hingegen soll es rumoren. Sie genießen keine Privilegien wie ihre Vorgesetzten, sondern leiden wie die Zivilbevölkerung unter der schlechten Versorgungslage. Allerdings werden die Mannschaften vom Geheimdienst streng kontrolliert. Kleine Aufstände werden schnell niedergeschlagen. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Control Ciudadano wurden im vergangenen Jahr mindestens 180 Militärs wegen „politischer Verbrechen“ festgenommen.

Guaidó versprach den Soldaten bereits Straffreiheit, wenn sie bei der Wiederherstellung der demokratischen Ordnung helfen. Jetzt macht er ihnen ein weiteres Angebot, um ohne Gesichtsverlust überzulaufen: Lassen sie die Hilfslieferungen passieren, würden sie sich auf die Seite des notleidenden Volkes stellen. Sie wären dann Helden, keine Verräter. (dpa/so)



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