Niederlande: Pandemievertrag der WHO stößt auf zunehmende Skepsis im Parlament – Antrag auf Verschiebung

Drei mögliche künftige Regierungsparteien wollen im Parlament der Niederlande einen Antrag einbringen. Diesem zufolge solle sich die Regierung in der WHO um eine Verschiebung der Beschlussfassung über den Pandemievertrag bemühen – oder diesen ablehnen.
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Generalsekretär der World Health Organization (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, bei einer Pressekonferenz am 6. April 2023.Foto: Fabrice Coffrini/ AFP via Getty Images
Von 20. April 2024

Der Generalsekretär der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, strebt bis zur jährlichen Vollversammlung der UNO-Unterorganisation Ende Mai eine grundsätzliche Einigung über den sogenannten Pandemievertrag an. In weiterer Folge sollen die Mitgliedstaaten diesen ratifizieren. Ob es dazu kommen wird, ist ungewiss. Neben den USA, wo es scharfen Gegenwind im Repräsentantenhaus gibt, wächst auch die Skepsis in den Niederlanden.

Mögliche Regierungspartner fordern mehr Zeit zur Evaluierung des Pandemievertrags

Die Fraktionen von PVV, Neuem Gesellschaftsvertrag (NSC) und der Bürger- und Bauern-Bewegung (BBB) fordern eine Verschiebung der Beschlussfassung auf WHO-Ebene. Wie der „Telegraaf“ berichtet, hat die BBB-Abgeordnete Mona Keijzer während einer Parlamentsdebatte einen entsprechenden Antrag eingebracht. Sollte diese auf WHO-Ebene nicht gewährt werden, sollten die Niederlande dagegen stimmen.

Der endgültige Vertragstext sei nach wie vor Gegenstand von Verhandlungen unter den mehr als 190 Mitgliedstaaten der WHO, äußerte Keijzer. Es gebe aus deren Reihen nach wie vor mehr als 300 Änderungsanträge, über die noch abzustimmen sei. Es sei daher unverantwortlich, den Vertrag „durchpeitschen“ zu wollen. Die neue Regierung solle sich Zeit nehmen, die Inhalte zu studieren, zu bewerten und anschließend eine Position zu beziehen.

Nachdem es Geert Wilders nicht gelungen war, eine Mehrheit für ein Kabinett unter seiner Führung zu organisieren, zeichnet sich ein sogenanntes Programmbündnis unter VVD-Führung ab. PVV, NSC und BBB sollen daran beteiligt sein.

Souveränitätsverlust zugunsten der WHO befürchtet

Die scheidende Gesundheitsministerin Pia Dijkstra von den linksgerichteten Democraten 66 riet von einer Annahme des Antrags ab. Sie erklärt, es sei ausreichend verhandelt worden und gehe nur noch um Details. Sobald der Vertrag unterzeichnet sei, müssten die Mitgliedstaaten ihn ohnehin erst ratifizieren.

Dies eröffne den nationalen Parlamenten erneut Zeit und Gelegenheit, sich mit den Inhalten zu befassen – und erforderlichenfalls abzulehnen oder Vorbehalte durchzusetzen.

PVV, NSC und BBB befürchten einen erheblichen Souveränitätsverlust für den Fall eines Inkrafttretens des Pandemievertrages – bis hin zum Verlust der Mitsprache im Fall einer neuerlichen Pandemie. Die WHO, so die Befürchtung, könnte die Niederlande unter dem Banner dieses Vertrages zu Maßnahmen zwingen, die in der dortigen Bevölkerung keine Akzeptanz fänden. Die PVV-Abgeordnete Fleur Agema verwies beispielsweise auf den Corona-Pass sowie 2G- oder 3G-Regelungen, die über Gaststättenbesuche oder Grenzübertritte entschieden hätten.

Dijkstra wies die Befürchtungen zurück. Im Vertrag sei explizit festgeschrieben, dass die Mitgliedstaaten keine Befugnisse an die WHO übertrügen. Deren Empfehlungen im Fall einer Pandemie auf Grundlage des Vertrages bedürften erst einer Konkretisierung durch die nationalen Regierungen.

WHO weist auf „rechtsverbindlichen“ Charakter des geplanten Paktes hin

Dass die WHO keine exekutiven Befugnisse gegenüber souveränen Staaten hat, trifft zu – und im Regelfall untersagen nationale Verfassungen die Übertragung elementarer Rechte an supranationale Organisationen.

Allerdings lässt WHO-Generalsekretär Tedros auch keinen Zweifel daran, dass es sich um einen „rechtsverbindlichen“ Pakt „zwischen Ländern, die zusammenarbeiten“, handele. Dies würde in jedem Fall über den derzeitigen Status hinausgehen, dem zufolge Empfehlungen der WHO unverbindlich sind.

Tedros, der bereits 2018 vor einer möglichen Pandemie gewarnt hatte, auf die man weltweit nur unzureichend vorbereitet sei, will mit dem Vertrag „den Kreislauf von Nachlässigkeit und anschließender Panik beenden“.

Die Corona-Pandemie hatte anschließend für erhebliche Irritationen innerhalb der internationalen Gemeinschaft gesorgt. Vor allem ärmere Länder beklagten fehlende Schutzausrüstung, „Impfstoffnationalismus“ oder die Weitergabe kurz vor dem Ablaufdatum stehender Impfstoffe als vermeintlichen Akt der Solidarität. Im Dezember 2021 beschlossen die WHO-Mitgliedstaaten deshalb, ein Abkommen erarbeiten zu wollen.

Details bleiben zum Teil heftig umstritten

Der nunmehrige Verhandlungsstand zeigt, dass man sich darin einig ist, „Pandemien zu verhindern, sich darauf vorzubereiten und darauf zu reagieren“. Zudem wolle man „Gerechtigkeit“ und die Beseitigung grober Ungleichheiten bezüglich von Ressourcen bekämpfen.

Ein gemeinsames Interesse besteht auch am frühzeitigen, sicheren und transparenten Austausch von Informationen – dies betrifft unter anderem Proben und genetische Sequenzdaten von Erregern mit Pandemiepotenzial.

Uneinigkeit bleibt jedoch bezüglich der Details. Dies betrifft nicht nur die technische Umsetzung oder Finanzierung von Maßnahmen. Vor allem Länder, die als bedeutende Standorte von Pharmaunternehmen gelten, wehren sich gegen Begehrlichkeiten beispielsweise zur frühzeitigen Aufhebung des Patentschutzes.

NZZ: Pandemievertrag lässt „autoritären Geist“ erkennen

Die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) spricht von einem Vertragsentwurf, der viel verspreche und wenig bewirken werde. Es sei ein weiteres „Bürokratiemonster“ zu befürchten. Zudem atme der Entwurf einen „autoritären Geist“ und zeuge von einem „obrigkeitlichen Staatsverständnis“.

Ein besonders bedenklicher Aspekt sei, dass in einem Passus die Rede sei von einer internationalen Zusammenarbeit gegen „falsche, irreführende Fehl- oder Falschinformationen“. Damit solle die politische Kommunikation gesteuert werden, um das Vertrauen in die Wissenschaft, die Gesundheitsbehörden und die staatlichen Maßnahmen zu stärken.

Im Ergebnis könne dies zu Zensur, Einschränkung von Meinungsfreiheit und Monopolisierung von Behördenpropaganda führen. Während der Pandemie, so die NZZ, hätten jedoch auch Behörden Falschinformationen verbreitet – etwa der Schweizer Gesundheitsminister, der erklärte, ein Corona-Zertifikat zeige, „dass man nicht ansteckend ist“. Die NZZ steht mit dieser Kritik nicht allein. Auch im US-Repräsentantenhaus ist die Stimmung vor allem unter der republikanischen Mehrheit sehr kritisch.

Wenn „Soft Law“ harte Wirkungen entfaltet

Selbst wenn der Vertrag der WHO keine direkten Eingriffsrechte in die Gesundheitspolitik der einzelnen Länder verleiht, zeigen Beispiele wie das Pariser Klimaabkommen, dass die indirekte Wirkung der dortigen „Soft Laws“ erheblich sein kann.

Im Jahr 2021 fällte das deutsche Bundesverfassungsgericht ein Urteil, das als Ermächtigung des Gesetzgebers zu weitreichenden Klimaschutzbestimmungen gelesen werden kann. Erst jüngst wertete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) das Verfehlen von Klimazielen durch die Schweizer Regierung als „Menschenrechtsverletzung“. Als Grundlagen der Entscheidung reichten ihm das Abkommen selbst und die Autorität, die der „Wissenschaft“ darin zugeschrieben wird.

Neben der eher durchwachsenen Erfolgsbilanz bisheriger multilateraler Abkommen bleibt am Ende auch ein wesentlicher grundsätzlicher Kritikpunkt speziell am WHO-Pandemievertrag bestehen. Dieser besteht darin, dass bereits weitreichende Vereinbarungen über den Umgang mit künftigen Pandemien angestrebt würden, bevor überhaupt eine detaillierte kritische Analyse bezüglich Corona stattgefunden habe.

 



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