Präsident Selenskyj beruft Botschafter Melnyk aus Berlin ab

Monatelang kritisierte Ukraine-Botschafter Melnyk die Bundesregierung scharf. Zuletzt stand er selbst massiv unter Druck. Seine Abberufung aus Berlin wurde erwartet.
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Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland. Symbolbild.Foto: Georg Wendt - Pool/Getty Images
Epoch Times9. Juli 2022

Als ukrainischer Botschafter in Deutschland sorgte er immer wieder mit heftiger Kritik an der Bundesregierung für Wirbel – nun wird Andrij Melnyk ausgetauscht. Staatschef Wolodymyr Selenskyj unterzeichnete am Samstag ein Dekret, mit dem er den 46-Jährigen und einige weitere ukrainische Botschafter abberief.

Außer Melnyk wurden laut Präsidialamt auch die Botschafter der Ukraine in Norwegen, Tschechien und Ungarn sowie Indien entlassen. Gründe oder eine künftige Verwendung der Diplomaten wurden zunächst nicht genannt.

Die „Bild“ und die „Süddeutsche Zeitung“ hatten unter Berufung auf ukrainische Quellen berichtet, Melnyk solle abberufen werden und ins Außenministerium nach Kiew wechseln. Noch im Herbst könnte er stellvertretender Außenminister werden, schrieb die „Bild“.

Scharfer Kritiker der Bundesregierung

Zuvor hatte der Diplomat wiederholt mit scharfer Kritik an der Bundesregierung und vehementen Forderungen nach Waffenlieferungen und anderer Unterstützung für die Ukraine von sich reden gemacht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete er gar als „beleidigte Leberwurst“, weil dieser sich nach der Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zunächst geweigert hatte, nach Kiew zu reisen.

Melnyk war seit Januar 2015 Botschafter in Deutschland – eine außergewöhnlich lange Zeit für einen Diplomaten auf einem Posten. Auch Kommentatoren in Kiew sagten am Samstag, dass dies etwa das Doppelte der üblichen Entsendungszeit gewesen sei.

Vorwurf der Verharmlosung des Holocaust

Vergangene Woche geriet er dann wegen seiner Äußerungen über den umstrittenen ukrainischen Nationalistenführer Stepan Bandera selbst massiv in die Kritik. Bandera war während des Zweiten Weltkriegs Anführer des radikalen Flügels der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN). Nationalistische Partisanen aus dem Westen der Ukraine waren 1943 für ethnisch motivierte Vertreibungen verantwortlich, bei denen Zehntausende polnische und jüdische Zivilisten ermordet wurden.

Melnyk bestritt in einem Interview mit dem Journalisten Tilo Jung, dass Bandera ein „Massenmörder“ von Juden und Polen gewesen sei. Der Nationalist sei gezielt von der Sowjetunion dämonisiert worden. Die israelische Botschaft hatte dem Botschafter daraufhin „eine Verzerrung der historischen Tatsachen, eine Verharmlosung des Holocausts und eine Beleidigung derer, die von Bandera und seinen Leuten ermordet wurden“ vorgeworfen.

Melnyk hatte anschließend tagelang nichts dazu gesagt, reagierte dann aber am Dienstag mit einem Tweet auf die Vorwürfe. Seine Worte adressierte er ausdrücklich auch an die „lieben jüdischen Mitbürger“. Melnyk sprach von absurden Vorwürfen, die er entschieden zurückweise. „Jeder, der mich kennt, weiß: immer habe ich den Holocaust auf das Schärfste verurteilt.“ Die Nazi-Verbrechen des Holocaust seien eine gemeinsame Tragödie der Ukraine und Israels.

So reagieren Politiker auf Melnyks Abberufung

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) bezeichnete Melnyk in einer Reaktion auf dessen Abberufung als „unüberhörbare und unermüdliche Stimme für eine freie Ukraine“. In Sachen Bandera sei sie sich mit ihm allerdings „nicht einig“.

Der außenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Petr Bystron, erklärte, Melnyks Entlassung hätte „schon viel früher erfolgen müssen“, da er sich „gegenüber deutschen Regierungsvertretern immer wieder im Ton vergriffen“ habe.

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Roderich Kiesewetter, bescheinigte Melnyk hingegen große Verdienste. „Botschafter Melnyk hat in dieser schwierigen Zeit für sein Volk gekämpft“, sagte Kiesewetter der „Augsburger Allgemeinen“ (Montagsausgabe). „Dass er hier nicht immer den diplomatischen Ton traf, ist angesichts der unfassbaren Kriegsverbrechen und des Leids für das ukrainische Volk, mehr als verständlich.“ (dpa/afp/dl)



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