Linke Gruppen und Frauenverbände haben in Zürich das Demonstrationsverbot in der Corona-Pandemie gekippt. Der Regierungsrat will das Urteil nun vorab prüfen und notfalls an das Bundesgericht weiterleiten.
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Großdemos wie diese waren in Zürich seit einigen Monaten verboten.
Das vom Züricher Regierungsrat wegen der Corona-Pandemie erlassene Verbot von Demonstrationen mit mehr als 15 Teilnehmenden ist verfassungswidrig. Zu diesem Schluss kam das Züricher Verwaltungsgericht in einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil.
Die Beschränkung der zulässigen Teilnehmerzahl durch den Züricher Regierungsrat stelle einen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Meinungs- und Versammlungsfreiheit dar, urteilten die Richter.
Die Einschränkung von Demonstrationen galt im Kanton Zürich bis zum 19. April. Nachdem linke Kreise dagegen Beschwerde erhoben hatten, lockerte der Regierungsrat die Vorgabe.
Derzeit sind 100 Personen bei Kundgebungen erlaubt. Diese Regel war nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde, allerdings ist auch die nach dem Urteil als unverhältnismäßig einzustufen. Sie ist bis Ende Mai befristet.
Das Verwaltungsgericht gab damit neun Personen eines linken Bündnisses aus dem Umfeld von Klimastreik und Frauendemos Recht, die gegen das Demonstrationsverbot geklagt hatten. Sie fordern, dass sämtliche Bußgelder zurückgenommen werden. Inwieweit das erfolgt, ist nach Angaben von „blick.ch“ allerdings ungewiss.
Der Kanton will das Urteil zuerst gründlich prüfen und dann über das weitere Vorgehen entscheiden. Auch die Weiterleitung an das Bundesgericht erwägt die Regierung.
Laut dem Regierungsrat habe sie das Demoverbot gewährt: „Aus epidemiologischer Sicht spielt es keine Rolle, ob Menschenansammlungen an Kundgebungen oder sonst wie entstehen.“ Der Bund sieht das jedoch anders. Er unterscheidet zwischen „Veranstaltung“ und „Kundgebung“.
Für „Veranstaltungen“ wie Straßenfeste gelte die maximale Teilnehmerzahl von 100 Personen, nicht jedoch bei Versammlungen, bei denen es um die verfassungsrechtlich geschützte Freiheit der Meinungsäußerung geht.
Urteil richtungsweisend
Laut „Züricher Zeitung“ ist das Urteil deshalb interessant, weil erstmals in der Schweiz ein höheres Gericht eine mit Corona begründete Grundrechtseinschränkung als verfassungswidrig einstufe.
Der Richterspruch zeige, „dass die Gewaltenteilung in der Schweiz auch in der Pandemie funktioniert“. Die Judikative korrigiere unrechtmäßige Entscheide der Exekutive.
Die Richter hätten das Urteil sehr gründlich und ausführlich begründet, offenbar um auch für künftige Entscheidungen richtungsweisend zu sein.
Die Richter zitierten dabei auch aus Gesundheitsstudien und kamen zum Schluss, dass eine Kundgebung mit mehr als 15 Teilnehmern nicht gefährlicher als andere Tätigkeiten des täglichen Lebens wie etwa das Einkaufen sei.
Insbesondere weil sich die Teilnehmer draußen an der frischen Luft aufhielten, wo ein weitaus geringeres Infektionsrisiko besteht als in Innenräumen.
Nun sei zu hoffen, dass weitere Corona-Maßnahmen – auch auf Bundesebene – unbefangen durchleuchtet würden, so der Kommentar der Zeitung. (nh)
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