Auf dem Weg zum „Schattenhaushalt“? Grünen-Chefin fordert Umgehung der Schuldenbremse
Seit 2011 gibt es in Deutschland die Schuldenbremse. Nach dieser Regelung sollen die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Kredite auskommen. Doch die Realität sieht anders aus. Angesichts der engen Finanzspielräume plädiert Grünen-Chefin Ricarda Lang für eine Umgehung der Schuldenbremse.
„Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass wir nicht an die Schuldenbremse rangehen“, sagte Lang der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa) in Berlin. „Das darf aber nicht zur Ausrede werden, uns nicht mit anderen Finanzierungsmöglichkeiten für notwendige Zukunftsinvestitionen auseinanderzusetzen. Denn die gibt es.“
Kredite trotz Schuldenbremse
Ein im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP vorgesehenes Instrument, das noch nicht ausreichend genutzt werde, seien öffentliche Investitionsgesellschaften. Was das bedeutet, ergibt sich aus Seite 90 des Vertrages. Unter dem Thema „Bauen und Wohnen“ ist aufgeführt:
„Wir gliedern die nicht bahnnotwendigen Immobilien des Bundeseisenbahnvermögens in die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) ein und richten die BImA auf unsere bau-, wohnungs-, stadtentwicklungspolitischen und ökologischen Ziele aus. Wir werden der BImA mehr Freiheiten verschaffen und ihr die Aufnahme von Krediten ermöglichen.“
Mit anderen Worten: Bei einer Investitionsgesellschaft stattet der Bund diese mit Eigenkapital aus, sodass sie über Kredite weiteres Kapital aufnehmen und investieren kann. Der Bund würde dafür geradestehen; im Endeffekt fällt es also auf die Steuerzahler zurück.
Die Grünen-Chefin stellt dies wie folgt dar: „Ohne jede Auswirkung auf die Schuldenbremse können wir etwa problemlos die Bahn oder die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben so ausstatten, dass sie den Herausforderungen unserer Zeit gerecht werden.“ Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben könne dann in den sozialen Wohnungsbau investieren.
Lang spricht insoweit von einer „Win-Win-Situation – für die vielen Menschen, die auch in Zukunft noch bezahlbaren Wohnraum suchen, und für die Baubranche, die etwas Unterstützung in der aktuellen Lage besonders gut gebrauchen kann.“
Warnung aus dem Finanzministerium
Aus dem Finanzministerium kam sofort die Warnung, neue Schulden würden die Inflation anheizen. „Es gibt gute Gründe, warum politische Schulden rechtlich begrenzt sind“, hieß es am Sonntag aus Kreisen des Ministeriums. Lang wolle das Grundgesetz aushebeln und lasse zugleich EU-Beihilferecht außer Acht.
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Christoph Meyer reagierte ebenfalls ablehnend. „Es wird mit der FDP keinen direkten oder indirekten Bruch der Schuldenbremse geben, egal was Frau Lang fordert“, sagte er. Es sei „befremdlich, dass von Seiten des grünen Koalitionspartners im Stakkato immer neue, undurchdachte Vorschläge kommen, um mehr Staatsausgaben zu machen“.
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern, man solle sich jetzt lieber „mit voller Energie auf die Einführung eines Industriestrompreises, ein wirksames Wachstumsbeschleunigungsgesetz und weitere Vereinfachungen im Bereich von Genehmigungsverfahren konzentrieren“.
Widerspruch aus der Union
Auch aus der oppositionellen Union erntete die Grünen-Chefin Widerspruch. Der parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), sieht in den Plänen der Grünen ein Schuldenprogramm, mit dem versucht werde, „das Grundgesetz trickreich zu umgehen“. Der Staat könne nicht immer höhere Schulden anhäufen, wenn er nicht früher oder später handlungsunfähig werden wolle.
Auch auf dem in X umbenannten Nachrichtendienst Twitter wird das Thema heiß diskutiert. Thomas Sigmund, Politik-Chef beim „Handelsblatt“, wandte sich direkt an die Grünen-Vorsitzende: „Liebe Frau @Ricarda_Lang Die Bürgerinnen und Bürger sind doch nicht dumm. Einfach einen neuen Schattenhaushalt einrichten und dann sagt @c_lindner : Schaut, die #Schuldenbremse ist eingehalten. Das ist unter Niveau.“ (dpa/sua)
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