„Beschleunigung und Optimierung“: Pistorius vor Mammutaufgabe

Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius soll die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr wiederherstellen. Gleichzeitig stellt die Ukraine neue Forderungen.
Der designierte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) steht schon jetzt unter Druck.
Der designierte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) steht schon jetzt unter Druck.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Von 19. Januar 2023

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Am Donnerstag (19. Januar) wird Boris Pistorius offiziell sein Amt als neuer Bundesverteidigungsminister antreten. Er folgt damit Christine Lambrecht nach, die unter dem Eindruck zunehmender öffentlicher Kritik an ihrer Amtsführung ihren Rücktritt erklärt hatte. Auf den neuen Amtsträger warten große Herausforderungen – vor allem im Beschaffungswesen. Gleichzeitig fordert die Ukraine immer mehr und immer modernere Waffen von ihren europäischen Unterstützern.

Alarmierender Befund bezüglich Einsatzbereitschaft der Bundeswehr

Eine im Dezember 2022 versandte „Unterrichtung des Parlaments über die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte“ illustriert, vor welcher Aufgabe Pistorius steht. Die „Welt“ hatte darüber berichtet. Was Ressourcen, Material und Personal anbelangt, geht dieser von einer „unterhalb der Sollvorgaben liegende Verfügbarkeit“ aus. Die Lage sei so kritisch, dass die Engpässe sogar die Ausbildung beeinträchtigten.

Außerdem hätten die militärischen Zuwendungen an die im Krieg mit Russland stehende Ukraine „zu weiteren Einschnitten der Einsatzbereitschaft geführt“. Die krisenhafte Lage betreffe alle Bereiche der Truppe – inklusive Marine, Luftwaffe, Sanität und Streitkräftebasis. Das bittere Fazit des klassifizierten Berichts lautete:

Für den Kernauftrag der Bundeswehr, Landes- und Bündnisverteidigung, muss die Einsatzbereitschaft wieder für die gesamten Streitkräfte hergestellt werden.“

Den Gesetzen der Denklogik zufolge bedeutet dies, dass diese zum jetzigen Zeitpunkt nicht im erforderlichen Maße vorhanden sei. Die zurückgetretene Ministerin Lambrecht hatte sich nach Kräften darum bemüht, die Kommunikation an diesem Befund vorbeizulotsen.

Ihre Botschaft lautete, sie habe die Lage im Blick und arbeite zügig an deren Verbesserung. Das Debakel des „Puma“-Schützenpanzers Mitte Dezember bei einer Gefechtsübung im niedersächsischen Munster vereitelte jedoch diese Bemühungen.

Pistorius muss sich vor allem um das Beschaffungswesen kümmern

Die „Bild“ spricht nur einige der Herausforderungen an, die auf Minister Pistorius im Bereich der Beschaffung zukommen werden. Dies fängt schon an der Wurzel an – bei der „komplizierten, teils intransparenten und inkonsequenten Bedarfsplanung“ und den „bürokratischen Bestellprozessen“. Diese hatte erst vor wenigen Wochen das Bundesfinanzministerium im Verteidigungsressort ausgemacht.

Projekte seien, so das Blatt, schneller und innerhalb des veranschlagten Kostenrahmens umzusetzen. Die Auftragsvergabe sei zu vereinfachen, zudem müsse man sich mit Sonderwünschen an die Hersteller zurückhalten und die Prozesse beschleunigen.

Schon am heutigen Mittwoch bekommt der Verteidigungsausschuss des Bundestages den zweiten Quartalsbericht „Beschleunigung und Optimierung der Beschaffung in der Bundeswehr“ zu Gesicht.

Interner Bericht zählt mehrere Schwachstellen auf

Der nur für den Dienstgebrauch bestimmte Bericht liegt der „Bild“ eigenen Angaben zufolge vor. Darin sei die Rede von einer Vielzahl an Baustellen im Bereich des Beschaffungswesens, die einer zeitnahen Bearbeitung harrten.

Mit der Feldlafette, dem mittleren Maschinengewehr, habe die Infanterie lediglich Gerät „aus den 1960er Jahren“ für den Einsatz zur Verfügung. Deren Zustand mache vor jeder Verwendung eine Einzelfreigabe erforderlich. Zudem sei das Gerät zu schwer und wäre im nächtlichen Kampfeinsatz nicht brauchbar.

Auch die im Bestand befindlichen Impulsradar-Systeme seien längst nicht mehr zeitgemäß. Man solle sie sinnvollerweise durch „marktverfügbare“ Lösungen ersetzen. „Zweckentfremdetes Material“, das „am Ende seiner Nutzungsdauer“ angelangt sei, kennzeichne auch die Kraftstoffversorgung an den Tankstellen.

Die drei Hochseeschlepper der Bundesmarine habe man aufgrund ihres Zustandes zum Jahresende ausgemustert. Um „unwirtschaftliche Instandsetzungsmaßnahmen“ zu vermeiden, sei stattdessen der Ankauf zweier gebrauchter Modelle geplant. Immerhin sei mit Blick auf die Ausbaustufe 1 des Systems zur Weltraumüberwachung eine Finanzierung in Sicht – aus dem im Vorjahr beschlossenen Sondervermögen.

Vorschusslorbeeren für Pistorius aus den Verbänden

Verbände bringen Pistorius unterdessen einen Vertrauensvorschuss entgegen. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, lobte Kanzler Olaf Scholz für dessen Personalentscheidung. Gegenüber der „Welt“ äußerte er, Scholz habe „unabhängig von Quote und Proporz […] die aus seiner Sicht am besten geeignete Persönlichkeit ausgewählt“. Dies zeige, welche Bedeutung er dem Amt beimesse.

Pistorius sei „hochgeachtet“ und politisch erfahren. Er gehöre außerdem „zu den politischen Schwergewichten in der SPD“. Nun sei es seine Aufgabe, sich „zügig ein Lagebild“ zu verschaffen und Reformen „mit Hochdruck“ voranzutreiben.

Demgegenüber gilt die Hauptsorge des ehemaligen Bundeswehrgenerals Hans-Lothar Domröse der Ukraine. Von dort waren zuletzt erneut Forderungen nach mehr und moderneren Waffen laut geworden.

Domröse rechnet nun damit, dass „die Bundesregierung beim Treffen der Ukraine-Unterstützer am Freitag in Ramstein die Zusage für die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern macht“. Dies erklärte er gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er gehe sogar davon aus, dass die Regierung in Berlin nicht nur den europäischen Partnern die Verschickung der Kampfpanzer erlaubt. Wahrscheinlich werde es noch zusätzliche Panzer des Typs aus den Beständen der Bundeswehr geben. Die Führung in Kiew könne demnach mit insgesamt rund 100 Leopard-Panzern aus Europa rechnen.

Scholz warnte erneut vor direkter Verwicklung der NATO in den Ukraine-Krieg

Die „Kontaktgruppe zur Verteidigung der Ukraine“ will am Freitag auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein über weitere westliche Unterstützungsmaßnahmen für das im Krieg befindliche Land entscheiden. Deutschland muss dabei als Hersteller des „Leopard 2“-Kampfpanzers auch Exporte durch andere Länder genehmigen.

Bundeskanzler Scholz hatte in dieser Angelegenheit bereits am Dienstag mit US-Präsident Joe Biden telefoniert. Beide Regierungschefs kamen darin überein, die Unterstützung der Ukraine „wirksam, nachhaltig und eng abgestimmt“ zu gestalten. Scholz habe unterdessen auch seinen Vorbehalt wiederholt, die NATO-Verbündeten müssten vermeiden, in einen direkten Konflikt mit Russland hineingezogen zu werden.

(Mit Material von dpa, dts und AFP)



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