Krieg, Sorgen und Radikale: Merz sieht die „Säulen wanken“ und will alles ändern
Im Berliner Hotel Estrel traf sich die CDU um Parteichef Friedrich Merz und Generalsekretär Carsten Linnemann, um über den neuen Koalitionsvertrag mit der SPD für eine gemeinsame Regierungsbildung abzustimmen. Merz und Linnemann legten auf der Bühne einige schwere Themen in die Waagschale.
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Große Freude nach der Wahl am 24. Februar bei der CDU-Spitze: Kanzlerkandidat Friedrich Merz und Generalsekretär Carsten Linnemann. Am 28. April konnten die beiden Spitzenpolitiker den Koalitionsvertrag mit der SPD in der CDU absegnen lassen.
Nach den vorausgegangenen Wahlversprechen, nach dem teils überraschenden Ausgang der Bundestagswahl, nach den schwarz-roten Koalitionsgesprächen und einer daraus hervorgegangenen Einigung für einen Koalitionsvertrag geht es nun für die Union auf die Ziellinie zu. Damit gehe man einen „weiteren Schritt auf dem Weg zur Regierungsübernahme“, hieß es am Montagnachmittag, 28. April 2025 beim Bundesausschuss der CDU im Convention Center des Berliner Hotels Estrel: „Wir beraten und beschließen den ausgehandelten Koalitionsvertrag.“
„Verantwortung für Deutschland“ – der Koalitionsvertrag
„Natürlich ist das nicht CDU pur“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, betonte allerdings, dass in diesem Koalitionsvertrag der „Politikwechsel“ drin stecke, „für den wir alle gekämpft haben im Wahlkampf“. Von dem im Wahlkampf angepeilten 15-Punkte-Plan mit dem Titel „Unser Sofortprogramm für Wohlstand und Sicherheit“ stehen laut Linnemann 14 Punkte im Koalitionsvertrag. Doch jetzt müsse man liefern, so der CDU-General.
Zugleich forderte Linnemann angesichts vorheriger kritischer Stimmen, die die neue Regierung bereits im Vorfeld abzuschreiben bereit waren, dazu auf: „Man sollte dieser Regierung wenigstens 100 Tage Zeit geben“, bevor man ein erstes Resümee ziehe. Es sei seine „feste Überzeugung, dass diese Bundesregierung überraschen wird – und zwar im positiven Sinne“. Friedrich Merz sei „der richtige Mann zur richtigen Zeit“, so Linnemann.
Und dann kam er auch schon auf die Bühne, der CDU-Chef, Kanzlerkandidat, der Bundeskanzler in spe: Friedrich Merz.
CDU stimmt Koalitionsvertrag zu – Merz: „Stehen wieder vor historischen Grundsatzentscheidungen“. pic.twitter.com/Vi1oyUcFtN— Epoch Times Deutsch (@EpochTimesDE) April 28, 2025
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„Keine Euphorie“, denn: „Die Säulen wanken“
Am 6. Mai, „genau sechs Monate, auf den Tag genau“ nach dem Zerbrechen der Ampelregierung am 6. November 2024, erklärte Friedrich Merz, stelle er sich im Deutschen Bundestag zur Wahl des zehnten Bundeskanzlers Deutschlands. Wenn man heute, bei dem kleinen Bundesparteitag der CDU, dem mit der SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag zustimmen werde, die SPD-Mitglieder am Dienstagabend diesem zustimmen werden und am 6. Mai die Abgeordneten der Union und der SPD seiner Wahl zum Bundeskanzler zustimmen werden, „dann hat Deutschland ab der nächsten Woche wieder eine handlungsfähige Regierung mit einer handlungsfähigen Mehrheit im Deutschen Bundestag“, so Merz.
Dann könne man auch „Schritt für Schritt“ anfangen, „die Probleme dieses Landes zu lösen“. Es gebe „keine Euphorie“, so Merz, und der Koalitionsvertrag sei auch „kein gesellschaftspolitisches Projekt“. SPD und die Union hätten sich auch nicht gesucht, sondern eher versucht, nicht mit dem anderen eine Regierung bilden zu müssen, erklärte der CDU-Chef. „Allerdings: Um uns herum wanken die Säulen, auf die wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten so selbstverständlich vertraut haben.“
„Krieg im Osten“ und „radikalisierte“ Bürger im Land
Das Vertrauen in die Demokratie sei so beschädigt wie nie, die Wirtschaft schwächle und falle international immer weiter zurück, die sozialen Sicherungssysteme seien in ihrer heutigen Art nicht mehr zukunftsfähig – und: „Das große Projekt […] Europa […] ist bedroht.“ Doch was meinte Merz mit diesen Bedrohungen?
Der Kanzlerkandidat benannte zum einen eine Bedrohung von außen durch einen „imperialistischen, autoritär geführten Krieg im Osten“, zum anderen erwähnte Friedrich Merz eine von ihm wahrgenommene Bedrohung im Inneren – „durch verängstigte und verunsicherte, ja geradezu radikalisierte Bürgerinnen und Bürger“. Zu all dem komme hinzu, so Merz – und auf die Präsidentschaft von Donald Trump indirekt hindeutend –, dass man sich spätestens seit Beginn des Jahres der „transatlantischen Gemeinschaft im Geiste von Freiheit und regelbasierter Ordnung“ nicht mehr sicher sein könne.
Auch diese will Friedrich Merz im Auge behalten. Die Menschen würden „in ihrem Lebensalltag, der sie nicht jeden Tag mit diesen großen Herausforderungen konfrontiert“, erwarten, dass man ihre persönlichen Sorgen nicht vergesse. Der Staat liefere nicht das, wofür er Steuern erhebe, und das Sozialsystem drohe unbezahlbar zu werden. Zudem hätten viele Menschen im Land, Familien, Ältere, Arbeitnehmer und all jene, die auf die Hilfe des Sozialstaates angewiesen seien, das Vertrauen verloren. Das Fazit des CDU-Chefs dazu: „Die Menschen in Deutschland erwarten zu Recht, dass wir das alles ändern“.
Am Ende wurde der Koalitionsvertrag angenommen. Epoch Times sprach im Vorfeld mit einigen CDU-Politikern über ihren Eindruck. Damit wird nun der Ball an die SPD und ihre Mitglieder weitergegeben, die am Dienstag, 29. April, über die Annahme des Koalitionsvertrages abstimmen müssen.
Steffen Munter – Journalist und Autor. Er schreibt mit gesundem Menschenverstand über deutsche und internationale Politik, China und gesellschaftliche Entwicklungen.