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Kleiner Parteitag in Berlin

CDU stimmt Koalitionsvertrag zu – Merz: Es herrscht „bis heute keine Euphorie“

Trotz Kritik von der Parteibasis stimmt die CDU dem Koalitionsvertrag mit CSU und SPD zu. Jetzt fehlen nur noch die Sozialdemokraten, dann ist die fünfte schwarz-rote Koalition besiegelt.

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Parteichef Merz und Generalsekretär Linnemann bekommen von den CDU-Delegierten ein Ja.

Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Lesedauer: 7 Min.

Nach der CSU hat auch die CDU dem Koalitionsvertrag mit der SPD zugestimmt. Auf einem Kleinen Parteitag in Berlin votierten die rund 150 Delegierten für das 144 Seiten starke Vertragswerk mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“. Jetzt fehlt nur noch die SPD, die ihre 358.000 Mitglieder entscheiden lässt. Das Ergebnis soll am Mittwoch bekanntgegeben werden.

„Überwältigende Mehrheit“

Über den Koalitionsvertrag wurde mit Hochhalten der Delegiertenkarten abgestimmt. Der Sitzungsleiter, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, sprach anschließend von einer „überwältigenden Mehrheit“. Ob es Gegenstimmen oder Enthaltungen gab, war nicht erkennbar.
Nach einer Kehrtwende von CDU-Chef Friedrich Merz in den Koalitionsverhandlungen etwa bei der Schuldenbremse hatte es in der Union auch Unmut über das Vertragswerk unter anderem in der Jungen Union gegeben. In der Aussprache beim Kleinen Parteitag wurde aber kaum offene Kritik geäußert.

Merz: Es herrscht „bis heute keine Euphorie“

In seiner Rede vor dem Bundesausschuss räumte der CDU-Chef ein, dass die von ihm geführte Bundesregierung noch viel Überzeugungsarbeit in einer skeptischen Öffentlichkeit zu leisten haben werde. Es herrsche „bis heute keine Euphorie“ über den Koalitionsvertrag, sagte Merz.
Der wahrscheinliche künftige Kanzler dämpfte die Erwartungen an die nächste Regierung. Die geplante schwarz-rote Koalition habe sich in ihrem Vertrag „kein gesellschaftspolitisches Projekt“ vorgenommen, sagte Merz. Seine Koalition werde vielmehr „mit der handwerklichen Fähigkeit und Bereitschaft zum Regieren“ überzeugen.
„Das ist jetzt auch nicht die Zeit für Euphorie“, fügte Merz hinzu. Union und SPD hätten sich „als Partner nicht gesucht“ und andere Koalitionen präferiert. „Woher soll da also Euphorie kommen?“, fragte Merz. Die künftige Regierung sei eine Arbeitskoalition.
Merz betonte, dass der Koalitionsvertrag die Handschrift seiner Partei trage. „Wir werden in der Wirtschaftspolitik, in der Migrationspolitik, in der Außenpolitik, in der Sicherheitspolitik große Teile unserer Versprechen, die wir abgegeben haben, einlösen können“, sagte er. Union und SPD wüssten, „dass wir in der Pflicht stehen, Erfolg zu haben“.

Migrationspolitik: Union hat sich laut Merz durchsetzen können

Insbesondere in der Migrationspolitik habe sich die Union in den Koalitionsverhandlungen durchsetzen können. „Wir werden ab dem Tag eins unsere Staatsgrenzen noch besser kontrollieren“, sagte Merz. „Es wird Zurückweisungen in größerem Umfang an unseren europäischen Binnengrenzen, unseren Staatsgrenzen geben.“
Ein schärferer Kurs in der Migrationspolitik werde auch der AfD den Wind aus den Segeln nehmen, sagte Merz. „Die letzten Jahre haben Deutschland von meinem unveränderten Ziel, diese Partei zu einer Randerscheinung werden zu lassen, weiter entfernt“, sagte er.
Merz räumte in seiner Rede vor den Delegierten des CDU-Bundesausschusses ein, dass es auch in den Reihen der Partei Vorbehalte gegen den Koalitionsvertrag gebe. Trotzdem könnten Präsidium und Bundesvorstand der CDU Deutschlands „diesen Koalitionsvertrag mit gutem Gewissen zur Zustimmung empfehlen“, sagte der CDU-Chef.
Die geplante Regierung werde die Migrationspolitik spürbar verschärfen, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft verbessern und eine aktivere Rolle Deutschlands in der Europa- und der internationalen Politik betreiben, sagte Merz. Der CDU-Chef räumte aber auch ein, dass der Koalitionsvertrag wichtige Fragen noch offen lasse – etwa, was die Reform der Sozialversicherungen angehe.
Merz sagte: „Die Kritik stimmt: Wir sind ziemlich unklar und vage geblieben, etwa was wir mit der Deutschen Rentenversicherung vorhaben, was wir vorhaben mit der Gesundheitspolitik, was wir vorhaben mit der Pflege.“ Er fügte hinzu: „Wir werden das in dieser Koalition relativ schnell auf einen geordneten Weg bringen müssen der Reformen.“
An die „Adresse der Sozialdemokraten“ fügte Merz „in aller Kollegialität“ hinzu: „Allein mit mehr Geld oder mit höheren Steuern und noch höheren Sozialabgaben wird dieses Problem nicht zu leicht zu lösen sein“. Es brauche mehr Eigenverantwortung und eine höhere Effizienz im System.
Im außenpolitischen Teil seiner Rede beteuerte Merz, weiterhin mit aller Kraft die Ukraine gegen die russische Aggression zu verteidigen. Er wolle sich auch für eine Entschärfung des Handelsstreits mit den USA einsetzen – etwa dadurch, dass die EU und die USA beidseitig die Zölle komplett streichen.
„Um uns herum wanken die Säulen, auf die wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten so selbstverständlich vertraut haben“, sagte Merz mit Blick auf die Weltlage. Deshalb sei es höchste Zeit, dass Deutschland wieder eine handlungsfähige Regierung bekomme.

Zustimmung der SPD gilt als wahrscheinlich

Bei der SPD können die Mitglieder noch bis zum morgigen Dienstag um 23.59 abstimmen. Neben der Mehrheit der Stimmen ist die Beteiligung von 20 Prozent der Parteimitglieder notwendig. Auch bei den Sozialdemokraten gibt es wegen der Passagen zur Migrations- und Sozialpolitik Kritik am Vertragswerk.
Die Juso-Führung hat sich dagegen ausgesprochen. Trotzdem gilt eine mehrheitliche Zustimmung der Mitglieder als sehr wahrscheinlich – vor allem weil die einzigen Alternativen eine Koalition zwischen Union und AfD, eine Minderheitsregierung oder die Neuwahl des Bundestags wären.

Kanzlerwahl für den 6. Mai geplant

Stimmt auch die SPD zu, wird der Koalitionsvertrag am 5. Mai feierlich unterzeichnet. Am 6. Mai soll CDU-Chef Friedrich Merz im Bundestag zum Bundeskanzler gewählt werden. Er benötigt in geheimer Abstimmung eine Mehrheit aller Bundestagsabgeordneten, also 316 Stimmen – auch Kanzlermehrheit genannt. Dem Bundestag gehören 328 Politiker von Union und SPD an.
Es gilt aber als wahrscheinlich, dass die Mehrheit im ersten Wahlgang zustande kommt. Andernfalls kann innerhalb von zwei Wochen ein zweiter Wahlgang angesetzt werden – gegebenenfalls mit einem anderen Kandidaten. Wenn es auch dann noch keine Kanzlermehrheit gibt, reicht in einem dritten Wahlgang die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Abgeordneten. (dpa/red)

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