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Richterwahl für Karlsruhe

Kritik am Richterwahlverfahren - klappt der zweite Anlauf?

Die Regierungsparteien konnten die Grünen für ihre aufgestellten Kandidaten für die Richterwahl fürs Bundesverfassungsgericht gewinnen. Doch zusätzlich werden noch sieben Stimmen von AfD oder Linke gebraucht, um die notwendige Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Doch von deren Fraktionen kommt Kritik.

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Die 16 Richter des Bundesverfassungsgerichts werden jeweils zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt. (Symbolbild)

Foto: Uli Deck/dpa

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In Kürze:

  • Zweiter Versuch bei Wahl von drei Kandidaten für Bundesverfassungsgericht
  • Grünen-Fraktionschefin signalisiert Unterstützung für alle Kandidaten
  • AfD sieht ideologische Unterwanderung beim Verfassungsgericht
  • Linke will von SPD vorgeschlagene Kandidaten wählen

 
Der zweite Anlauf zur Richterwahl fürs Bundesverfassungsgericht im Bundestag steht am Donnerstag, 25. September, an. Dafür stellt die SPD erneut die Rechtsprofessorin Ann-Katrin Kaufhold auf und hat die Verwaltungsrichterin Sigrid Emmenegger neu nominiert. Die Union stellt erneut den Arbeitsrichter Günter Spinner auf.
Während aus den Regierungsfraktionen Union und SPD Zuversicht zum Gelingen verbreitet wird, üben die Oppositionsfraktionen der AfD und Linke Kritik.
„Das ist eine absolute Kungelei, was hier passiert“, so der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion Bernd Baumann.
Aus seiner Sicht werde das Verfassungsgericht ideologisch unterwandert, um Politik am Parlament vorbeizumachen, erklärte er gegenüber Epoch Times.
„Weil sie in den Wahlen verlieren, entmachten sie sozusagen die Parlamente.“
Die Personalien wie Brosius-Gersdorf und jetzt Kaufhold, seien außerhalb jeder Diskussion, „wenn es auch nur noch um Reste von Objektivität und Neutralität geht“.
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel empfahl gegenüber ihrer Fraktion die Wahl des von der CDU aufgestellten Kandidaten.

Bartsch: „Verantwortung liegt bei Regierungsfraktionen“

Auch die Linke äußerte Kritik an dem Aufstellungsverfahren der Kandidaten: „Ich finde, dass die Kritik an dem Verfahren sehr berechtigt ist“, so Dietmar Bartsch, der ehemalige Fraktionsvorsitzende, zu Epoch Times.
Die Verantwortung für das Scheitern beim ersten Anlauf, aber auch für eine Verfahrensreform, liege bei den regierungstragenden Fraktionen. Sie müssten entsprechende Voraussetzungen schaffen, dass sich ein Vorgang, wie zuletzt, nicht wiederhole.
Als Fraktion plane man, geschlossen die von der SPD vorgeschlagenen Kandidaten zu wählen. „Was den Herrn Spinner betrifft, vorgeschlagen von der Union und vom Verfassungsgericht, ist die Abstimmung freigegeben“, so Bartsch.
Carmen Wegge, Obfrau und Sprecherin der SPD im Rechtsausschuss, geht davon aus, dass die Wahl durchgeht und alle Kandidaten die nötige Stimmenmehrheit finden.
Kritik an dem jetzigen Wahlverfahren hält sie für unberechtigt: Es sei immer gut, sich mit Verfahren und Prozessen auseinanderzusetzen und zu prüfen, ob sie noch zeitgemäß sind. Aber das jetzige Richterwahlverfahren sei sehr ausgeklügelt.
Ansonsten arbeite man daran, dass eine „rechtsextreme Partei wie die AfD wieder kleiner wird und das Geschehen in Deutschland jetzt nicht so bestimmen wird, dass es irgendwann eine Sperrminorität gibt“, so die SPD-Politikerin zu Epoch Times.
Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann signalisierte Unterstützung für alle drei Kandidaten. Nach dem „ungeheuerlichen Vorgang um die gescheiterte Richterwahl“ vor der Sommerpause gehe es darum, „weiteren Schaden vom Bundesverfassungsgericht abzuwenden“, betonte sie.

Wahlergebnis für den Abend erwartet

Die geheime Wahl ist für 16:30 Uhr angesetzt und soll 2 Stunden dauern. Es gibt nur einen Stimmzettel. Auf ihm sind die drei Kandidaten genannt. Die Abgeordneten können bei jedem von ihnen „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ ankreuzen.
Falls die Wahl im Bundestag erneut scheitert, gibt es einen Ausweg: Sollte der Bundestag sich nicht einigen, könnte ein Ende 2024 beschlossener Ersatzwahlmechanismus greifen – und der Bundesrat einspringen. Für die schwarz-rote Regierung wäre dies allerdings ein Desaster. Denn ein Scheitern des zweiten Anlaufs zur Richterwahl würde als Schwäche der Koalition unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) ausgelegt.
Anfang Juli ist die Neubesetzung von drei Richterposten beim Bundesverfassungsgericht spektakulär gescheitert – ein beispielloser Vorgang.
Die gescheiterte Richterwahl belastete das Vertrauen in der neu gebildeten Regierungskoalition massiv. Die SPD kritisierte eine haltlose „Hetzkampagne“ gegen eine ihrer Kandidatinnen, die Rechtswissenschaftlerin Frauke Brosius-Gersdorf, und warf Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) vor, die eigene Fraktion nicht im Griff zu haben. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch zweifelte offen an der Verlässlichkeit des Koalitionspartners.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
Als Hauptstadtreporter ist Erik Rusch regelmäßig in der Bundespressekonferenz und überall „Vor Ort“, wo kritische Fragen zu aktuellen Themen in den Bereichen Gesellschaft und Politik zu stellen sind.

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